“Du warst wohl in der Baumschule” – fast jeder kennt diesen Spruch, aber meistens weiß keiner so ganz genau, was in einer Baumschule tatsächlich passiert. Dass da Eichen keine Klassenarbeiten schreiben und Tannen nicht nachsitzen müssen, hab ich neulich bei einer Reportage über Ausbildungsberufe erfahren. Mein Feature erschien in einer Sonderpublikation der Stuttgarter Zeitung:
Ein Beruf voller Leben
Lokführer, Kapitän, Feuerwehrmann, Pilot oder Polizist: kleine Jungs entflammen oft früh für einen möglichst „heldenhaften“ Beruf. Als Yannick Frey schon als kleiner Knirps entdeckte, dass aus einem Steckling eine ganz neue Pflanze wachsen kann, war er von dieser Beobachtung so fasziniert, dass er unbedingt Gärtner werden wollte.
Und während die meisten potentiellen Lokführer, Kapitäne und Piloten später doch lieber Rechtsanwalt, KfZ-Mechaniker oder Ingenieur geworden sind, blieb Yannick Frey seinem Berufswunsch treu und begann im September vergangenen Jahres in der Gartenbaumschule Wöhrle in Winnenden seine Ausbildung zum Gärtner der Fachrichtung Baumschule.
Jetzt, im ersten Lehrjahr geht es zuerst um ganz einfache Grundkenntnisse des Gärtnerns und darum, den Ausbildungsbetrieb genau kennen zu lernen. Und weil das bei allen Gärtner-Lehrlingen im ersten Lehrjahr gleich ist – egal, ob sie in der Fachgruppe Blumen- und Zierpflanzen, Friedhofsgärtner oder Gemüseanbau arbeiten – haben sie auch in der Berufsschule noch den gleichen Lehrplan. Erst später spalten sich die unterschiedlichen Gruppen in Fachklassen auf.
Bei Chefin Katja Meindl und den Auszubildenden höherer Lehrjahre schaut sich Yannick ab, was er später beherrschen muss, damit er gesunde, robuste Pflanzen aufziehen kann: Graben, Setzen, die Pflanzen nach einiger Zeit wieder Ballen schonend ausgraben, Düngen, Wässern und wie man Schädlinge bekämpft.
„Als Gärtner haben wir ein hohes Maß an Verantwortung, deshalb arbeiten die Auszubildenden im ersten Lehrjahr noch nicht selbstständig an der Pflanze“, erklärt Ausbilderin Katja Meindl. Trotzdem bleibt für Yannick genug zu tun: im Herbst hat er geholfen, die Pflanzen einzuwintern, hat beispielweise Töpfe zusammen gerückt, damit sich die Pflanzen gegenseitig warm halten können. Und er hat Weihnachtsbäume verkauft.
Auch mit dem Radlader ist Yannick manchmal unterwegs, transportiert schwere Sachen übers sechs Hektar große Areal der Baumschule. Außerdem gehören das Etikettieren und Anbinden der Pflanzen zu seinen Aufgaben. Obwohl die Tätigkeiten im Moment recht anspruchslos erscheinen: Yannick ist mit Herz und Engagement bei der Sache.
„Ich arbeite einfach gern mit Pflanzen oder ums anders auszudrücken: So wichtig wie für Kindergärtnerinnen die Kinder sind, sind es für mich die Pflanzen“, sagt der 20-Jährige. „Besonders gefällt mir, dass wir Gärtner der Baumschulen eine große Pflanzenvielfalt erhalten und viel im Freien sind.“ Im Frühjahr ist Hauptsaison in der Gartenbaumschule und Yannick wird zum ersten Mal beim Aufschulen dabei sein, wenn die Jungpflanzen auf den Acker kommen.
Insgesamt dreimal werden die Jungpflanzen in einer Baumschule verpflanzt, bei jedem Mal bilden sie neue Wurzeln in Stammnähe und nehmen dadurch später beim Kunden im Garten vergleichsweise wenig Boden ein. Auch der Schnitt ist wichtig, damit der junge Baum richtig anwächst und eine schöne Krone entwickeln kann. Alles Prozesse, die Jahre in Anspruch nehmen und für die ein Gärtner entsprechende Erfahrung braucht.
Am meisten freut sich Yannick darauf, im dritten Lehrjahr Wildlinge zu veredeln – eine Arbeit, die im Sommer statt findet: auf so genannte Unterlagen – also wilden Jungpflanzen einer Art – werden „Augen“ anderer Bäume aufgepfropft. Nur so entstehen zum Beispiel verschiedene Apfelsorten. Ohne Veredelung gäbe es gerade mal eine wilde Apfelsorte.
Bei der Baumschule Wöhrle setzt man übrigens auch in der dritten Generation auf Handarbeit: Schneiden, Stäben, Anbinden – alles geschieht per Muskelkraft und für jede Pflanze individuell.