Ich tat es doch nur aus Liebe

Von Hillebel
Immer stärker hat Anja das Gefühl, dass ihr Mann sich von ihr entfemdet. Steckt eine andere Frau dahinter? Um endlich Gewissheit zu bekommen, spioniert sie ihm nach …
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Frank Sandner fuhr seinen Wagen in die Garage, in der schon der knallrote kleine Zweitwagen stand, den er seiner Frau Anja vor einem Monat zum zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte. Wieder tat ihm der Magen weh. Dieses Auto konnten sie sich im Moment eigentlich gar nicht leisten. Hinzu kam, dass Anja in letzter Zeit das Geld mit vollen Händen ausgab. Aber wie sollte er ihr beibringen, dass sie sparen mussten? Er hatte sich schliesslich alles selbst eingebrockt …
Unwillkürlich stöhnte Frank auf. Als er vor zwei Jahren seine gutbezahlte Stelle als leitender Angestellter aufgegeben hatte, um sich mit einem Ingenieurbüro selbstständig zu machen, hatte er nicht damit gerechnet, dass die Durststrecke so lang sein würde. Etwas war noch von seinen Ersparnissen da, aber wie lange würde es noch reichen?
Im Haus lief ihm Anja entgegen und flog ihm um den Hals: “Endlich bist du da, Liebling! Die Kinder sind schon im Bett, ich habe für uns beide vor dem Kamin gedeckt. Was möchtest du als Aperitif?”
“Einen doppelten Whisky, bitte.”
Der Alkohol stieg ihm angenehm zu Kopf und verdrängte seine Sorgen. Ihm fiel auf, dass auch Anja sich grosszügig eingeschenkt hatte und hastig trank - und dass der Tisch mit kostbarem Meissener Porzellan gedeckt war.
“Wo kommt denn das Geschirr her?” fragte er mit belegter Stimme.
“Als wir heirateten, hattest du mir doch von dem wunderschönen Meissener Porzellan deiner Grossmutter erzählt. Du wolltest auch immer so ein Service haben. Heute habe ich es als Überraschung für dich gekauft.”
Plötzlich konnte Frank sich nicht mehr beherrschen: “Und wer soll das bezahlen?” rief er aufgebracht. “Ich bin doch kein Dukatenesel!”
Erschrocken sah seine Frau ihn an. “Ich hätte dich vielleicht vorher fragen sollen?” meinte sie kleinlaut.
Sofort tat ihm sein Wutausbruch leid. “Verzeih, Liebste”, murmelte er verlegen. “Ich … ich bin heute einfach nervös. Es ist der Stress …”
Erleichtert und gleichzeitig besorgt entgegnete sie: “Oh, du arbeitest zuviel. Du brauchst unbedingt Ferien, Frank. Soll ich vielleicht eine Reise für uns buchen? Meine Eltern würden sich bestimmt freuen, in der Zeit die Kinder zu betreuen.”
“Im Moment geht es nicht mit dem Urlaub”, erwiderte er ausweichend, “aber bald verreisen wir mal wieder, das verspreche ich dir.”
Er schob den unangenehmen Gedanken beiseite, dass er morgen zur Bank musste, um ein neues Darlehen aufzunehmen. Wenn er überhaupt noch eines bekam …
Während des Essens betrachtete er Anja mit schmerzlicher Wehmut. Wie er seine Frau liebte! Sie war zehn Jahre jünger als er und sah bezaubernd aus mit ihren grünen Augen und dem weissblonden Haar. Er bewunderte ihre mädchenhafte Figur, ihre Anmut. Sie war die Frau seines Lebens und eine wunderbare Mutter für den neunjährigen Markus und die siebenjährige Susi.
Als sie mit dem Essen fertig waren, sagte Anja: “Ich bring’ nur schnell das Geschirr in die Küche, dann machen wir es uns gemütlich, ja?”
“Tut mir leid, Liebling, aber ich muss noch einmal ins Büro”, erklärte er.
“Schon wieder?” Ihre Augen wurden vor Enttäuschung ganz dunkel.
“Ich hab noch einiges zu erledigen. Übrigens war das Essen fabelhaft, als Köchin hast du drei Sterne verdient.” Er fragte sich plötzlich, wer die beiden Flaschen Wein getrunken hatte; doch nicht etwa er allein? Zum Glück brauchte er nicht den Wagen, er konnte gut zu Fuss gehen.
“Du bist mir doch nicht böse wegen des Geschirrs?” fragte sie mit Tränen in den Augen.
“Nein, natürlich nicht. Das hab ich längst vergessen. Geh schon schlafen, es kann spät werden.”
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Anja klappte das Buch zu. Es gelang ihr einfach nicht, sich auf den Roman zu konzentrieren. Ihre Gedanken kreisten unentwegt um Frank. Er wirkte so verändert in letzter Zeit. Hatte er möglicherweise Geldsorgen? Aber dann hätte er ihr doch nicht den Wagen geschenkt? Oder war er krank? Er klagte manchmal über Magen- und Kopfschmerzen, aber zum Arzt wollte er nicht gehen. Vielleicht steckte gar eine andere Frau dahinter? Mit dumpf klopfendem Herzen dachte Anja daran, dass ihr Mann in letzter Zeit immer öfters Abends noch einmal fortging – und dass sie schon seit Wochen nicht mehr miteinander geschlafen hatten.
Schmerzlich wurde Anja bewusst, dass sie eigentlich viel zu selten ein wirklich ernsthaftes Gespräch miteinander geführt hatten; und wenn sie es jetzt versuchte, blockte Frank sofort ab – oder ging fort. Dann war sie noch unglücklicher. So konnte es doch nicht weitergehen! Mit einem Seufzer griff sie zum Telefonhörer und wählte Franks Büronummer. Niemand nahm ab. Genau wie letzte Woche, als er angeblich noch arbeiten wollte.
Anja warf nacheinander einen Blick in Markus’ und in Susis Zimmer. Beide Kinder schliefen fest. Sie beschloss, sich zu vergewissern, ob er überhaupt im Büro war, das sich gleich um die Ecke in der Hauptstrasse befand und dachte beschämt, dass sie Frank zum ersten Mal nachspionierte …
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Währenddessen stand Frank vor einem Appartementhaus und klingelte dreimal kurz. Als der Summer ertönte, drückte er die Haustür auf und eilte die Treppen hinauf bis in den dritten Stock. Kathrin Gordes erwartete ihn schon. Sie war ziemlich gross und kräftig, hatte brünette Haare und warme braune Augen.
“Störe ich dich auch nicht?” fragte Frank, völlig ausser Atem.
“Nein, es ist gut, dass du da bist”, erwiderte sie und trat beiseite, um ihn hereinzulassen. Im Wohnzimmer schob sie die Bücher auf dem niedrigen Tisch beiseite. Sie hatte bis eben gelesen.
“Würdest du mir einen Cognac einschenken?” bat er.
Sie musterte ihn prüfend: “Findest du nicht, dass du für heute genug getrunken hast?”
“Das nächste Mal bringe ich dir auch eine neue Flasche mit.”
“Darum geht es doch nicht, Frank. Ich finde einfach nur, dass du in letzter Zeit zuviel Alkohol trinkst.” Dennoch holte sie die Cognacflasche und schenkte ihm ein.
“Trinkst du keinen?” fragte er.
“Nein, ich möchte lieber einen klaren Kopf behalten.”
Er drehte das Glas in der Hand und meinte müde: “Anja hat heute sündhaft teures Geschirr gekauft. Wenn sie so weiter macht, wird eines Tages der Gerichtsvollzieher vor der Tür stehen. Das würde meine Frau doch nicht überstehen, sie ist so zart.”
“Warum sagst du ihr denn nicht endlich die Wahrheit? Dass deine Geschäfte schlecht laufen und ihr sparen müsst? Ich bin überzeugt, dass Anja viel stärker ist, als du glaubst.”
“Du irrst dich, Kathrin. Ich habe Anja immer beschützen müssen.”
“Möglicherweise hast du das ihr und dir selbst immer nur eingeredet”, gab Kathrin zu bedenken.
Er überging ihren Einwand und murrte verdrossen: “Ich begreife wirklich nicht, warum sie auf einmal so wahnsinnig viel Geld ausgibt. Das hat sie doch früher nicht getan.”
“Vielleicht leidet Anja an Kaufsucht”, überlegte Kathrin. “Diesem krankhaften Zwang, immerzu etwas zu kaufen, selbst Dinge, die überflüssig sind und die man gar nicht braucht. Und im allgemeinen bedeutet das, dass man nicht glücklich ist.”
“Meine Frau hat nicht den geringsten Grund, unglücklich zu sein”, brauste er ärgerlich auf.
“Ach nein?” konterte sie schroff. “Glaub mir, eine Frau spürt, wenn ihr Mann ihr etwas verschweigt. Du solltest nicht mit mir, sondern mit ihr über deine Probleme sprechen.”
“Das kann ich nicht”, stöhnte Frank gequält auf.
“Und warum nicht? Weil das nicht dem Bild entspricht, das sie von dir haben soll? Dem Bild eines starken, erfolgreichen Mannes?”
“So ein Quatsch. Anja ist eben nicht so belastbar wie du.”
An seiner heftigen Reaktion merkte Kathrin jedoch, dass sie offenbar einen wunden Punkt berührt hatte. “Hör auf, dir selbst etwas vorzumachen”, riet sie eindringlich. “Was ist eine Ehe denn wert, wenn man nicht auch die Sorgen miteinander teilt?”
Sie sah Frank nachdenklich an. Vor drei Monaten hatten sie sich in der Kneipe ihres Wohnviertels kennengelernt. Kathrin hatte gerade ihren Job verloren, und Frank war auch sehr niedergeschlagen gewesen, weil trotz wochenlanger Verhandlungen kein Vertrag zustande gekommen war. Ein anderes Ingenieurbüro hatte das Rennen gemacht.
An diesem Abend hatten sie viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Sie konnten fabelhaft miteinander reden und verstanden sich grossartig. Beim Abschied hatte Frank sie um ihre Adresse gebeten. Seitdem besuchte er sie häufig. Nur, um mit ihr zu sprechen.
Wenn er gegangen war, fand Kathrin manchmal ein Kuvert mit Geld auf der Flurkonsole. Sie schämte sich zwar, dennoch behielt sie das Geld, weil sie es nötig brauchte. Ihr schlechtes Gewissen beruhigte sie mit der Entschuldigung, dass Franks Frau Anja bei einem einzigen Einkaufsbummel wesentlich mehr ausgab.
Mittlerweile war Kathrin klargeworden, dass sie Frank liebte. Ohne jede Hoffnung, denn er liebte nur seine Frau. Ausserdem würde sie, Kathrin, niemals in eine Ehe einbrechen.
“Frank”, sagte sie leise, “ich werde fortziehen, in eine andere Stadt. Ich habe dort einen Job gefunden.”
Schlagartig fühlte Frank eine tiefe Verzweiflung in sich aufsteigen. Er würde sich schrecklich einsam fühlen ohne sie. Aber er versuchte, sich mit ihr zu freuen. “Du wirst mir fehlen, Kathrin, aber ich bin wirklich glücklich für dich. Sag mir, wenn du etwas brauchst, wenn ich dir helfen kann.”
Sie lächelte: “Danke, Frank. Es wird höchste Zeit, dass ich wieder allein über die Runden komme. Dann erhältst du auch dein Geld zurück.”
“Unsinn”, widersprach er. “Ich war froh, etwas für dich tun zu können. Schliesslich hast du mir so viel Zeit geschenkt – und so viel Verständnis.”
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Frank tastete sich im Dunkeln zum Ehebett, als Anja plötzlich das Licht anknipste. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet. “Wo warst du?” fragte sie mit zitternder Stimme.
“Im Büro, natürlich, Liebes.” Er wandte seine Augen ab, es zerriss ihm das Herz, dass sie offensichtlich geweint hatte. Wieder einmal musste er sich beschämt eingestehen, dass sein Leben zu Hause nur noch aus Lügen bestand. Aber er log doch nur, um Anja zu schonen …
“Ich habe im Büro angerufen, aber keiner hat abgenommen.”
“Du weisst doch, dass ich das Telefon abstelle, um in Ruhe arbeiten zu können. Das habe ich dir doch schon so oft gesagt.”
“Aber warum? Wer ausser mir würde wohl so spät noch anrufen? Ausserdem: Ich hab sogar vor deinem Büro gestanden. Es brannte kein Licht. Warst du überhaupt da?”
“Natürlich, aber ich bin eingeschlafen”, schwindelte er, “und jetzt habe ich grässliche Kopfschmerzen. Ich hole mir schnell eine Tablette.”
Anja spürte, dass ihr Mann nicht die Wahrheit sagte. Als er schon längst neben ihr schlief, lag sie noch lange wach und grübelte …
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Frank war im Büro, die Kinder in der Schule. Anja hatte die Zimmer gelüftet und die Betten gemacht. Gleich wollte sie in die Stadt. Sie hatte nämlich einen wunderschönen Herrenpullover gesehen, der Frank sicher gefallen würde. Heute Abend wollte sie ihn damit überraschen. Das Telefon klingelte. Sie hob ab und meldete sich: “Anja Sandner, ja bitte?”
“Ich bin Kathrin Gordes. Sie kennen mich nicht, Frau Sandner, aber ich würde gern mit Ihnen sprechen. Es geht um Ihren Mann. Könnten wir uns irgendwo treffen? Vielleicht in der Stadt?”
Anja war zumute, als lege sich eine eiserne Klammer um ihre Brust. Wer war Kathrin Gordes? Seltsamerweise gefiel ihr die Stimme, sie klang warm und sympathisch. Deshalb sagte sie: “Wäre Ihnen das Café am Marktplatz recht? Um elf? Wie erkenne ich Sie?”
“Ich werde Sie erkennen. Ich habe Fotos von Ihnen gesehen.”
Anja legte auf, am ganzen Körper zitternd. Wieso kannte diese Frau Fotos von ihr? Was hatte das alles zu bedeuten? Aber sie wusste, dass sie zu diesem Treffen gehen würde …
Kathrin winkte, als Anja das Café betrat. Anja war noch schöner als auf den Fotos. Zart und mädchenhaft. Kein Wunder, dass Frank sie auf Händen trug. Einen Augenblick verspürte Kathrin so etwas wie Neid, aber dann lächelte sie herzlich: “Danke, dass Sie gekommen sind, Frau Sandner.”
Anja setzte sich und stellte eine Tüte auf den Boden: “Ich habe einen schönen Pullover für meinen Mann gekauft. Möchten Sie ihn sehen?” Schon nahm sie die Tüte wieder auf, öffnete sie und reichte Kathrin den Pullover.
Kathrin nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn: “Er ist sicher sehr teuer gewesen.”
“Ja, aber ich möchte Frank eine Freude machen.”
Da beschloss Kathrin spontan, mit offenen Karten zu spielen. “Ich weiss nicht, ob Ihr Mann sich wirklich freuen wird”, meinte sie zweifelnd. “Wissen Sie eigentlich, dass er in grossen finanziellen Schwierigkeiten steckt? Er hat keine Ahnung, wie er seine Bankschulden begleichen soll.”
Obwohl Anja plötzlich wusste, dass dies die Wahrheit war, wehrte sie sich: “Das stimmt nicht. Seine Geschäfte gehen glänzend. Ich bin seine Frau, ich müsste doch wissen, wenn er Geldsorgen hat!”
Behutsam erwiderte Kathrin: “Verzeihen Sie mir, ich wollte Sie nicht verletzen. Aber Tatsache ist, dass Frank Sie schonen möchte, deshalb verschweigt er Ihnen seine Probleme. Ich finde nur, Sie sollten es wissen. Eben, weil Sie seine Frau sind.”
“Und wer sind Sie?” fragte Anja barsch. “Seine Geliebte?”
“Nein. Frank kommt zu mir, um sich auszusprechen. ich bin nur ein Abladeplatz für seine Sorgen”, antwortete Kathrin, und dann erzählte sie Anja alles.
Als sie geendet hatte, meinte Anja betroffen: “Ja, jetzt verstehe ich sein seltsames Verhalten in letzter Zeit. Aber warum hat er mir nichts gesagt? Ich könnte ihm doch helfen. Ich habe vor meiner Heirat als Bankkauffrau gearbeitet.”
“Zum einen ist er zu stolz, Sie um Hilfe zu bitten. Zum anderen soll seine Ehefrau nicht arbeiten müssen.”
Anja nickte. “Ja, so ist er, mein Frank. Dabei würde ich gern wieder arbeiten, denn die Kinder gehen ja nun zur Schule. Aber Frank wollte bis jetzt nichts davon wissen. Und ich habe mich gefügt. Ich liebe ihn doch.”
“Aus lauter Liebe zum anderen sind Sie beide nicht Sie selbst”, stellte Kathrin fest. “Frank möchte, dass Sie in ihm den starken, erfolgreichen Mann sehen, selbst wenn er vor lauter Sorgen ganz krank ist. Und Sie versuchen, ihm zuliebe eine abhängige, zerbrechliche Frau zu sein. Stimmt’s?”
Anja nickte verlegen. Ja, diese Fremde, die ihr trotz der anfänglichen Angst vom ersten Augenblick an sympathisch war, hatte recht. Sie lächelten einander zu.
Unvermittelt wurde Kathrin wieder ernst. “Ich muss Ihnen noch zwei Dinge gestehen, Frau Sandner. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren. Erstens: Ihr Mann hat mir mit Geld geholfen, aber das werde ich zurückzahlen, sobald ich es kann.”
Sie machte eine kleine Pause, bevor sie hinzufügte: “Zweitens: Ich habe mich in Ihren Mann verliebt. Deshalb werde ich fortziehen. Das ist besser für uns alle. Jetzt sind Sie an der Reihe. Bringen Sie Frank dazu, Ihnen von seinen Sorgen zu erzählen. Die nächste Zeit wird vielleicht nicht leicht für Sie sein, aber ich bin davon überzeugt, dass Sie es gemeinsam schaffen werden. Weil Sie sich lieben.”
Dann stand sie auf und sagte: “Ich muss jetzt gehen. Viel Glück, Anja. Ich darf Sie doch Anja nennen?”
Auch Anja war aufgestanden: “Natürlich, Kathrin. Ich danke Ihnen sehr, und ich wünsche Ihnen ebenfalls viel Glück.”
Während Anja ihr nachblickte, dachte sie, dass sie Kathrin Gordes gern zur Freundin gehabt hätte …
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“Anja, Liebling, bist du da?” rief Frank, als er die Diele betrat.
“Ja, ich bin in der Küche.”
“Was ist mit deinem Auto passiert? Es steht nicht in der Garage.”
“Ich hab’s zurückgegeben.”
“Zurückgegeben? Warum?”
“Frank, wir müssen miteinander reden,” verkündete sie mit einer Entschlossenheit, die er gar nicht an ihr kannte. Verwirrt sah er sich um: “Und wo sind die Kinder?”
“Sie schlafen heute bei meinen Eltern, wir sind ganz allein.”
Der Tisch war wieder vor dem Kamin gedeckt, mit Kerzen und dem kostbaren Meissner Porzellan.
“Das Geschirr haben sie im Geschäft leider nicht zurückgenommen”, seufzte Anja.
Nun verstand Frank überhaupt nichts mehr: “Anja, willst du mir nicht endlich erklären, was los ist?”
Doch sie liess ihn noch eine Weile zappeln. Zuerst trug sie das Essen auf, einen schmackhaften Eintopf. Während sie die Teller füllte, sagte sie mit fester Stimme: “Ich möchte wissen, wie deine Geschäfte laufen, Liebster. Und ich bitte dich, sag mir diesmal die Wahrheit!”
“Trinken wir keinen Aperitif vor dem Essen?” wich er aus.
“Nein”, erklärte sie ernst. “Nicht heute. Und wir werden auch in Zukunft nie wieder solche Mengen trinken. Frank, ich habe heute Kathrin getroffen. Ja, guck nicht so, deine Kathrin. Sie hat das einzig Richtige getan, sie hat mir die Augen geöffnet. Warum hast du mir nie gesagt, dass du Geldsorgen hast? Hast du so wenig Vertrauen zu mir? Wozu sind wir denn Mann und Frau? Doch nicht allein für die schönen Stunden! Du weisst, dass ich seit langem wieder Lust habe zu arbeiten. Ich möchte dir im Büro helfen. Ich hatte doch immer einen guten Draht zu Kunden.”
“Du … du hast Kathrin Gordes getroffen?” wiederholte er verblüfft. “Wie kommt sie dazu …”
“Ich bin ihr sehr dankbar, Frank”, unterbrach sie ihn lächelnd. “Ich fühle mich jetzt viel besser, weil ich endlich etwas tun kann. Du hast mich bisher in einen Elfenbeinturm gesperrt und alles von mir ferngehalten. Ich möchte, dass du weisst, dass wir ab sofort zu zweit sind – und alle Sorgen teilen. Einwände lasse ich nicht gelten. Also, wann fange ich an?”
“Jetzt stehe ich aber dumm da. Dabei … ich tat es doch nur aus Liebe.” Frank starrte seine Frau an. Kathrin hatte recht gehabt, Anja war viel stärker, als er geglaubt hatte. Oh, Gott, wie er diese neue Anja bewunderte! Überrascht stellte er fest, dass die Magenschmerzen, die ihn schon den ganzen Tag gequält hatten, plötzlich nachliessen.
Er fühlte sich mit einem Mal wunderbar leicht, als er ihr Lächeln erwiderte und meinte: “Morgen kommt ein Kunde. Hättest du Lust, deine Talente an ihm auszuprobieren?”
“Und ob”, strahlte sie. “Du musst mir nur erklären, worum es geht.”
“Wird gemacht”, schmunzelte er. “Gleich nach dem Essen.”
In dieser Nacht liebten sie sich. Und Anja fand es schöner als jemals zuvor. Als sie später erschöpft in seinen Armen lag, flüsterte sie glücklich: “Ich glaube, wir sind erst jetzt richtig verheiratet. Und das haben wir Kathrin Gordes zu verdanken.”
Und damit sprach sie Frank aus dem Herzen.
ENDE