Ich steh' nicht auf deine Haare.

Ich habe hin und her überlegt, ob ich diesen Post verfassen soll. Es ist ja nur Werbung. Nichts schlimmes. Wenig gesellschaftliche Relevanz. Oder?


"Eigentlich war es ein ganz normaler Tag, doch dann wurd´s umwerfend gut!"


Ich saß, nichts böses ahnend, auf meinem Sofa und sah fern, als sich mir einmal mehr die fortgeschrittene Invasion sexistischer Inhalte offenbarte, und zwar in Form eines Werbespots von Axe. Tja, wie sollte das auch anders sein. Schon seit einigen Jahren wirbt Axe mit einem Geschlechterbild, das den Mann als den konkurrenzlosen Jüngling den Horden von willigen Frauen gegenüberstellt, alles verursacht durch, na was wohl?, ihr Produkt. Wir erinnern uns nur an die Werbung mit der Arche. Ihr neuester Clou dreht sich um einen jungen Studenten, der gerade durch die offene Tür einer Frauenumkleide spannt und plötzlich hineinfällt. Unsere Damen, ungefähr 14 an der Zahl, sind weder erschrocken, noch verärgert, ihre ganze Aufmerksamkeit gilt nun dem Haar unseren Loverboys- je mehr er selbiges zur Schau stellt, umso hemmungsloser wird gestöhnt und sich an den Kleidern, an den Brüsten gezupft, bis man sich nicht mehr zurückhalten kann und sich kollektiv auf ihn stürzt.


"Die Girls stehen total auf meine Haare!"


Ich denke nicht, dass ich in diesem Post überhaupt die Energie aufbringen kann, auf die Frage einzugehen, was für Menschen, insbesondere: was für Frauen, so eine Werbung in Form von darstellerischer Leistung oder Synchronisation unterstützen. Nein, ich werde mich nicht beklagen über Budgets, Werbeeinnahmen oder sonstige Vergütungen aller Beteiligter, die den Zweck mal wieder der Mittel Herr werden lassen. Vielmehr möchte ich erklären, warum ich es für relevant halte, sich über solche Inhalte zu entrüsten. Aber ersteinmal zur Entrüstung selbst!


Die alte, zentrale Botschaft der Werbeindustrie:  "Mit unserem Produkt kommst du weiter!" - tausendfach neu interpretiert, zehntausendfach durchgespielt, gedoppelt, verdreifacht, wiederholt- besser, schneller weiter! Wir zeigen dir die Person, die du gerne wärst, mit der du dich identifizieren kannst, der du nacheifern kannst- der erste und zentrale Schritt dazu ist unser Produkt! Ein Blick auf unser männliches Identifikationsmodell zeigt uns einen Studenten, gut gebaut, sportlich, hygienisch und- natürlich- heiß begehrt. Aber auch schusselig- einen Kumpeltypen, der uns spontan etwas über seinen Tag erzählt. Damit spricht er natürlich die männliche Zielgruppe an- erkläre es uns, Häuptling Heißbegehrt, wodrauf stehen sie denn, "die Girls"? Unsere Damen, ihrerseit gut gebaut, reagieren so heftig auf das Haar unseres Jünglings, dass sie sich nicht anders zu helfen wissen, als zum Zeichen dafür, wie willig sie sind, laut zu stöhnen und sich wohin zu fassen- jaaah, sie wollen ihn, ihn und sein HAAR, stürzt euch auf ihn, ihr Mädchen, fröhnt der Polygynie, ledig- sowohl jeder Hemmung, als auch jeder Gehirnzelle.


Ehrlich. Was sagt eine solche Werbung über unsere Gesellschaft aus? Dass man immer pauschal davon ausgehen kann, dass Werbung das Produkt beliebter Gesellschaftsbilder ihrer Zielgruppe ist, bezweifle ich Sie ist ein Symptom. Es stellt sich hier die Hühner-Ei-Frage. Naja, nicht ganz. Eher eine "Erkennen wir das Ei als Ei an".. ihr wisst bestimmt, was ich meine: Akzeptieren wir eine solche Werbung als Teilerzeugnis eines sich um den Gefallen der Gesellschaft bemühenden Konzerns, legitimieren wir, als Nicht-Zielgruppe, ihr hier dargestelltes, sexistisch-verzerrtes Bild durch Schulterzucken? Ich nicht. Denn solche Inhalte verbreiten sich schleichend und als Frau steht man auch heutzutage zu oft noch dem Sexismus von Männern, aber auch von Frauen gegenüber. Von Männern durch aggressives Verhalten und Unterschätzung uns gegenüber; von Frauen, meiner Meinung nach (und ob unbewusst oder nicht), bereits durch Schulterzucken und Booty-Dance beim Lied "Whistle".. beispielsweise. Alles, was ich sage, ist: Augen und Ohren auf bei so etwas. Bereit sein, die Meinung zu vertreten, auch wenn es sich vornehmlich nur um Werbung handelt.


Ich steh' nicht auf deine Haare.


Meine Gegenstimme hast du. Über Sinn und Unsinn der Veröffentlichung meines Ärgers kann man, wie gesagt, streiten- doch ist die Wertigkeit dieses Ärgers nicht ganz nur persönlicher Art, denn hier soll wenigstens auch ein kleines Zeichen gesetzt werden, gegen labile Haltungen strittigen Themen gegenüber. In der Bloggersphäre fehlt es oft an Ecken und Kanten, wenn wir aber nicht bereit sind, diese zu verteidigen, werden wir früher oder später zu Zombies. Es ist nur ein Post. Nicht mehr und nicht weniger. ;)


Liebe und Frieden,


Juli.


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