Abenteuer Südhalbkugel (3)
– Helena –
Als ich nach spektakulären acht Wochen voller atemberaubender Erlebnisse und herzlichster Gastfreundschaft zurückkam, vermisste ich das Kiwiland schon bevor ich überhaupt den Wohnungsschlüssel aus der Tasche gekramt hatte. Außerdem fühlte ich mich nach diesem Langstreckenflug wie gerädert, hatte mich doch eines dieser modernen Luxuspaare mit langwierigen Gesprächen über Glitzerhalsbänder für Hunde und Gurken-Joghurt-Gesichtsmasken vom Schlafen abgehalten. Ach ja, kein Vergleich zu der Unterhaltsamkeit und dem Humor in Oles Anekdoten.
Während ich meine angesammelte Post überflog, fielen mir augenblicklich die zahlreichen bunten Postkarten auf, die den Haufen aus größtenteils eintönig wirkenden Briefumschlägen belebten.Oh mein Gott, ich mochte es kaum glauben. Ole hatte mir mehr als zwanzig Postkarten geschickt, auf denen er schrieb, dass er Wale beobachtet hatte; dass es sich während eines enormen Regengusses pitschnass in den nächst besten Unterschlupf geflüchtet hatte; dass er einen dreiviertel Cheesecake mit einem Mal ganz allein verdrückt hatte und glaubte, nun danach süchtig zu sein. Herrlich. Ich ließ alles stehen und liegen, schwang mich auf mein Bett und vertiefte mich in seinen Urlaubserinnerungen. Das alles kam mir gleichermaßen surreal als auch wunderbar vertraut vor. Beinahe als wären es gemeinsame Erinnerungen.– Ole –Nachdem ich das Aussteigerleben und die totale Freiheit im Land der langen weißen Wolke für drei Monate unheimlich genossen hatte, fühlte ich mich zurück in Schwerin ein wenig wie Falschgeld. Diese Hektik, diese Akkuratesse, diese Zugeknöpftheit. Nun, es nutzte alles nichts, denn irgendwie musste ich schließlich meine Brötchen als Werbefotograf verdienen. Daher nahm ich ohne langes Zögern gleich den Auftrag an, einen erkrankten Kollegen zu vertreten.
Dafür sollte ich für ein verlängertes Wochenende nach Erfurt fahren, wo ich für ein Hochglanz-Lifestyle-Magazin Fotos schießen würde. Nichts Aufregendes aber durchaus passabel. Fotos – mein täglich Brot. Erfurt – Moment mal. Wenn ich mich in letzter Zeit einer Stadt verschrieben hatte (im wahrsten Sinne des Wortes), dann doch wohl Erfurt. Immerhin hatte ich rund zwei Dutzend Postkarten in die thüringische Landeshauptstadt geschickt.Super, ich würde dann vor Ort einfach schauen, wie sich das alles arrangieren ließ und spontan bei Helena an die Tür klopfen.– Helena –Einer meiner Kunden war über die von mir entworfene Innenausstattung seines Wohnzimmers derart ins Schwärmen geraten, dass eines dieser hippen Fühl-dich-rundum-wohl-Magazine eine komplette Dokumentation samt Fotoserie und Interview mit mir plante. Ich muss gestehen, das hatte schon etwas.
Ein wenig angespannt, dennoch voller positiver Vorfreude begab ich mich also an diesem Freitagmorgen in mein gemütliches Büro im Hinterhof einer kleinen Gasse. Ich bekomme zwar immer wieder zu hören, dass Büro und Gemütlichkeit so viel gemeinsam hätten wie Golfspielen und Naturschutz; ich wiederum denke, als Raumdesignerin wäre ich wohl unbrauchbar, wenn ich mein eigenes Büro nicht mit einem gewissen Touch gemütlichen Flairs versehen könnte.Ich schüttelte gerade die letzten Kissen in den Korbstühlen in rechte Positur, als die dreiköpfige Abordnung des Magazins eintraf. Der engagierte Fotograf würde innerhalb der nächsten fünf Minuten eintreffen. Gar kein Problem.Als es wenig später an der Bürotür klopfte und ein großer Mann mit professioneller Fotoausrüstung im Rahmen stand, fiel mir die Kinnlade komplett herunter.– Fortsetzung folgt –© Kora Kutschbach