Gute Lese-Reise euch!
Abenteuer Südhalbkugel
– Helena –
Niemals hätte ich geglaubt, dass mich ausgerechnet meine zugegebenermaßen etwas spezielle Vorliebe für Tomatensaft an genau den einen Richtigen geraten lässt. Um ehrlich zu sein, kann ich, was diesen Punkt betrifft, getrost für uns beide sprechen. Auch Ole ist bis heute verblüfft und schwört seither auf die Magie des Tomatensaftes. … Es ist in Ordnung, runzeln Sie ruhig die Stirn, rümpfen Sie die Nase. Jene höflichen, dennoch bestimmten Grimassen sind überaus übliche Reaktionen, aber auf irgendein Geheimrezept, das Würze in unser Leben bringt, schwört schließlich jeder, oder? Nun, unsere Schwäche oder Stärke – je nach entsprechendem Blickwinkel – ist eben der Tomatensaft. Sei es wie es ist.
Okay, zurück auf Anfang.
Für mich begann das große Abenteuer mit dem Gewinn einer Reise ans andere Ende der Welt: nach Neuseeland. Einen solchen Traumgewinn einzustreichen, ist allein schon ein unglaubliches Ding. Doch damit nicht genug, denn alles sollte noch viel verrückter werden.Für mich kam damals, zum Jahreswechsel vor sieben Jahren, dieser Abstecher nach Neuseeland gerade recht. Ich arbeitete übermäßig hart, schlief wenig, aß ungesünder als es auf Dauer empfehlenswert gewesen wäre. Dafür war ich erfolgreich und zufrieden mit dem Erreichten. Nichtsdestotrotz war ich ebenfalls unglaublich müde. Das Leben als selbstständige Raumdesignerin zeigte mir eindeutig meine eigenen Grenzen auf. Punkt.Aus diesem Grunde hatten meine besten Freunde in meinem Namen an diesem Gewinnspiel mit dem verheißungsvollen Titel Abenteuer Südhalbkugel teilgenommen. Vollkommen baff und wie paralysiert war ich dann, als ich tatsächlich eine achtwöchige Reise durch Neuseeland gewann. Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn! Von der Überraschung erholt schwebten mir eine Menge traumhafter Gedanken vor. Diese Auszeit kam wie gelegen … und schien ein Wink des Schicksals zu sein. Ich brauchte eine Veränderung. Oder, um es in meinem von der üblichen Berufskrankheit durchzogenen Jargon zu sagen, einen Tapetenwechsel.Gott, war ich hibbelig, als ich in den großen Flieger in Frankfurt (Main) stieg. Ich nahm meinen Fensterplatz ein, zog meine Stiefel aus und wartete – gespannt wie der sprichwörtliche Flitzebogen – auf den Start.– Ole – Den Flieger nach Neuseeland betrat ich mit wahnsinniger Vorfreude auf das unglaublich Ungewisse im Gepäck.Unmittelbar nach der traurigen Trennung von meiner Freundin fünf Wochen zuvor hatte ich beschlossen, einen unübersehbaren Schlussstrich zwischen meinem alten und meinem neuen Lebensabschnitt zu ziehen. Um diesen zu manifestieren, entschied ich mich für eine Radtour quer durch das Land der Kiwis. Spontan buchte ich mir einen Flug. Fernab von allem Vertrauten und umgeben von paradiesischer Kulisse würde ich ohne weiteres einen klaren Kopf bekommen können.Als ich mich durch die Sitzreihen kämmte und schließlich meinen Platz erreichte, nickte mir eine junge Frau mit einem strahlenden, durchaus ansteckenden Lächeln freundlich zu. Ich grüßte zurück und stellte mich meiner Sitznachbarin vor. Ehrlich gesagt verspürte ich nicht sonderlich den Drang nach Smalltalk. Anderseits stand uns ein irrsinnig langer Flug bevor und wer weiß, vielleicht würde mich ein nettes Gespräch auf andere Gedanken bringen.
Wer hätte gedacht, dass uns dann ausgerechnet unser beider Vorliebe für Tomatensaft ins Gespräch bringen würde? Unglaublich. Denn Helena versicherte mir, sie liebe Tomatensaft und trinke diesen –nicht nur im Flugzeug hoch über den Wolken wie der Großteil der anderen Passagiere – für ihr Leben gern.
Im Nu waren wir beim Du und vertieften uns in die seltsamsten Gesprächsinhalte. Mein lieber Schwan, Helena hatte aber augenscheinlich auch einen Redebedarf. Allerdings erging es mir plötzlich ähnlich. Wir ergänzten uns einfach ziemlich ideal. Daher wunderte es mich nicht, dass wir uns von unseren Erwartungen an das gemeinsame Reiseziel Neuseeland über Helenas Schwäche für kunterbunt gepunktete Socken und meine total unüberhörbare Unmusikalität bis hin zur Analyse der Steven-King-Romane in jeglichem nur erdenklichen Thema verfingen. Dabei orderten wir einen Tomatensaft nach dem anderen und wurden nach dem achten oder neunten Glas leicht merkwürdig angesehen. Hey, das sollte uns nicht stören.
– Fortsetzung folgt –© Kora Kutschbach