Ich, Prince Boateng
Kevin-Prince Boateng mit
Christian Schommer
Plassen, 2016
Man kann von ihm halten, was man möchte. Er ist einer der „Störenfriede“ des deutschen Fußballs. Er sagt, was er denkt. Spielt Fußball, arbeitet auf dem Platz und polarisiert. Als ich in der Schalke Arena war und er dort noch Spieler, hieß es beim Rundgang: „Der Boateng ist der einzige mit Loge!“ Großes Staunen, aber es passt zum Typ.
Ich verrate noch ein Geheimnis: Ich habe ein Deutschlandtrikot, letzte WM gekauft, mit seinem Namen und seiner Nummer, denn ich fand: „Man braucht ihn auf dem Platz.“ Er ist ein Typ, ein Leader, einer der geholt wird, um jemanden zu führen. Der auch geholt wird, um ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben, denn das passt wunderbar zu Boateng. Erst will man ihn, dann geht er wieder. Er ist, was er ist: Fußballer mit Leib und Seele und doch nur ein Mensch. Genauso wie alle anderen Fußballer auch.
Er erzählt sein Leben und das habe ich gerne gelesen. Seine Biografie liest sich, als ob Kevin-Prince Boateng vor mir sitzen würde. Seine Sätze sind kurz, voll mit Informationen und Gefühlen. Erst redet er von seiner Familie, wie er aufgewachsen ist und da sehe ich schon, dass er es nicht einfach hatte. Es ist nie eine Entschuldigung und schön ist, dass er selbst merkt, jetzt im Alter, das er manches falsch gemacht hat. Außerdem schiebt er nicht alles auf seine Berater, sondern auch auf sein Temperament und falsche Entscheidungen, die er selbst getroffen hat.
Es könnte sich so lesen, als hätte ich eine „Schalke Brille“ auf. In dieser Zeit war nicht alles bunt, vieles lief falsch. Er kam, spielte, sprach Machtworte und wir hatten eine immer noch durchwachsene Zeit – so ist es auf Schalke: ein Auf und Ab. Natürlich war/ist Boateng anders. Einer, der einfach vom Platz geht, wenn es zu rassistischen Beleidigungen kommt. Einer, der mit seiner jetzigen Freundin zur Ruhe gekommen ist. Einer, der mit vielen Interviews Ärger gemacht hat. Gerade dazu muss ich sagen: Es ist eine Biografie. Der Leser kann nicht alles glauben oder sollte hinterfragen. Haben immer die Medien schuld, dass etwas falsch dargestellt wird? Aber wir wissen auch, dass oft die Wahrheit verdreht wird. Als ich mit meinem Freund über die Biografie reden wollte, entstanden immer Diskussionen. Ich nahm Boateng in Schutz, wiederholte, was er aufgeschrieben hatte. Wie es zum Image kam, dass es nicht seine Idee war. Der Freund sagte: Aber er schürte das Feuer und somit sein Image immer wieder. Stimmt – so kann man es sehen.
Ich kenne Boateng nicht, würde ihn als Mensch nie verurteilen. Es war interessant zu lesen, wie er aufgewachsen ist und welche Rolle seine Familie für ihn spielt. Wie ist das Verhältnis zu Jerome? Wie war seine Zeit auf Schalke? Das waren Fragen, die mich interessiert haben. Ich wollte den Fußball aus seinen Augen sehen.
Leider ist das Buch nicht mehr erhältlich. Ich habe erst gestern gesehen, dass es von seiner Ex-Frau verboten wurde. Es ist ihr gutes Recht, wenn niemand vorher mit ihr gesprochen hat. Vielleicht kommt eine überarbeitete Version nicht mehr in den Handel. Auch dieses Drama passt zu Boateng, obwohl er es nicht nötig hat. Wer mehr lesen möchte: „Ex-Frau stoppt Biografie des Profifußballers“.