Ein seltener Anblick. Ist auch schon etwas her.
Eigentlich spreche ich nicht über Musik. Meine absolute Hass-Frage bei ersten oder zweiten Dates ist „Und, welche Musik hörst du so?“. Ich höre tatsächlich kaum Musik, habe keinen MP3-Player, kein Radio, würde von Menschen die zu Zeiten des StudiVZ in Gruppen waren wie „’Eigentlich alles’ ist kein Musikgeschmack“ verhöhnt werden. Tatsächlich lebe ich damit aber trotzdem ganz gut , auch wenn ich von manchen Liedern erst höre, wenn sie auf irgendwelchen „Best Of“-Alben landen, für die Fernseh-Werbung gemacht wird oder jemand sie bei „Deutschland sucht den Superstar“ nachsingt. Daher ist es geradezu unglaublich, dass ich unlängst über „Ich lass für dich das Licht an“ sprach, einen Song, den die Band Revolverheld im erst Januar veröffentlicht hatte.
Meine Freundin Caroline berichtete nämlich, sie hätte weinen müssen, als sie dieses Lied hörte. Ich war ganz stolz, dass ich wusste, von welchen Song sie sprach – und mir sogar schon Gedanken dazu gemacht hatte. Nämlich, dass eine solche Beziehung wie die, von der der junge Mann (ich weiß natürlich nicht, wie die Sänger von Revolverheld heißen) da singt, höchst problematisch ist.
„Ich lass für dich das Licht an, obwohls mir zu hell ist“, heißt es, „ich schaue mir Bands an, die ich nicht mag“, „Ich würde meine Lieblingsplatten sofort für dich verbrennen“, „Ich geh mit dir in die schlimmsten Schnulzen“ – und so weiter. Caroline sei verziehen, dass sie das rührt, sie hat nämlich erst die Trennung von ihrem Freund hinter sich, der wohl immer das Licht anließ, damit sie nicht schlecht träumt. Doch all diese Opfer, Kompromisse, vermeintliche Liebesbeweise tun der Liebe nicht wirklich gut. Klar, es mag hübsch klingen, was er da alles tut, was ihm nicht gefällt – „Hauptsache du bist da“, auf die Dauer wird das aber frustrierend.
„In der Liebe soll man keine Kompromisse machen, nur Geschenke“, sagte mir mal Paartherapeut und Autor Michael Mary. Das sollte man stets als wichtigen Gedanken festhalten – aber zu viele einseitige Geschenke bringen ein Ungleichgewicht in die Beziehung. Dafür, dass er seine Platten verbrennt, will er etwas von ihr haben, impliziter Druck, implizierte Erwartungen schwingen in jeder dieser romantischen Taten mit. Und selbst wenn nicht, entwickelt sie nicht irgendwann ein furchtbar schlechtes Gewissen – und sei es unbewusst.
Vorsicht also vor dramatischen Opfern und einer allzu große Häufung von alltäglichen Liebesbeweisen – Caroline ist schließlich auch nicht mehr mit dem Licht-Freund zusammen. Aber so ein paar Mal im Leben, da darf es schon so richtig knallen. Wie im Musikvideo zu dem Song zum Beispiel. Das ist nämlich der Original-Heiratsantrag eines Bandmitglieds an seine Freundin. Das darf man wirklich romantisch finden.