Artikel erschien ursprünglich auf Deliberation Daily.
Ich habe in den vergangenen acht Jahren meiner Bloggerkarriere viele Positionen geräumt, von deren Richtigkeit ich einmal überzeugt war. Aber eine davon habe ich bislang noch nicht groß thematisiert, obwohl es wohl die ist, wo meine Kehrtwende am deutlichsten ist. Es geht natürlich um Feminismus, Gleichberechtigung, Gleichstellung, Maskulismus. Um Frauenquoten, geschlechtergerechte Sprache, um Kita-Plätze und biologische Grundbedingungen, um gläserne Decken und Rollenmodelle, um Gendertheorien und Gender-Pay-Gaps. Früher war ich der Überzeugung, dass der Feminismus von Übel ist, dass er Männer und Frauen spaltet und dass er sein Ziel grundsätzlich verfehlt. Und während ich mit Alice Schwarzer und Thea Dorn immer noch nichts anfangen kann, so musste ich doch mittlerweile einsehen, dass meine Vorstellungen davon ungefähr denen der konservativen Rednecks entsprachen, die den Vertretern der völligen Gleichberechtigung der Afroamerikaner die Spaltung der Gesellschaft vorwarfen. Ich lag falsch.
Um diesen Missstand zu beheben, möchte ich eine kleine Artikelserie starten, in der ich meine gewandelte Einstellung zu diesen Themen erklären, den Ursprung meiner gewandelten Meinung offenlegen und das ganze in eine kohärente Form gießen will. Mit folgenden Themen möchte ich mich dabei beschäftigen:
1) Rechtliche und soziale Randbedingungen Rechtliche Gleichstellung heißt noch lange nicht, dass man auch im Alltag gleichberechtigt ist. Dieser Teil erklärt die Diskrepanz zwischen Gesetzesanspruch und Wirklichkeit. Meines Erachtens nach werden zudem soziale Faktoren für die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen oft übersehen. Mein Vorwurf an den politischen Feminismus, dass es sich letztlich um ein Elitenprojekt handle, spielt in diese Kategorie mit hinein.
2) Familienpolitik als Kernpunkt der Emanzipation Mein Argument ist, dass das entscheidende Politikfeld für die Emanzipation beider Geschlechter, vor allem aber der Frauen, auf dem Gebiet der Familienpolitik liegt und nicht in Frauenquoten für Vorstände. Dieses Argument fußt direkt auf den im ersten Teil angesprochenen sozialen Problemen.
3) Mysoginie im Alltag Die irrige Vorstellung, die Gleichstellung sei bereits im Wesentlichen erreicht - der ich auch angehangen habe - ist letztlich blind gegenüber den gesellschaftlichen Realitäten und konnte eigentlich nur aus dem Blickwinkel des männlichen Privilegs heraus entstehen. In diesem Teil soll deutlich gemacht werden, wo wir im Alltag Mysoginie erleben und wo Rollenbilder sich in der Gegenwart drastisch auswirken.
4) Genderkonstruktion und historische Grundlinien Welche Rollenbilder haben wir und woher kommen sie eigentlich? Hatten sie eine Berechtigung, haben sie diese noch, und wer profitiert eigentlich davon? Welche Rolle spielt geschlechtergerechte Sprache?
Wie mein langsamer Abschied von der politischen Linken auch war diese Abwendung vom Maskulismus ein gradueller Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum vollzogen hat und vor allem mit Perspektivenwechseln zu tun hat. Normalerweise halte ich mein Privatleben aus diesem Blog heraus und erzähle keine langen und breiten Geschichten, um meine Punkte deutlich zu machen. Das überlasse ich Tom Friedman. Die persönliche Natur dieses Wechsels wird es mehr als sonst erforderlich machen, dass ich auf persönliche, weil prägende, Erfahrungen zurückgreife. Ich versuche es trotzdem auf ein Minimum zu beschränken. Trotzdem möchte ich versuchen deutlich zu machen, warum ich die Seiten gewechselt habe, ein Wechsel, der wegen meines langen Schweigens zu dem Thema für Stammleser abrupt erscheinen könnte. Er ist es nicht.
Der wesentliche, entscheidende Faktor, der zum Überdenken vorher liebgewonnener Positionen führte, waren meine Erfahrungen mit der Schwangerschaft meiner Frau und meinem Kind. Der Doppelstandard, der von der Gesellschaft konsequent angewendet wurde wenn es um die Frage ging, wer im beruflichen und privaten Bereich kürzer treten müsse, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten, wurde unerträglich. Ich werde im dritten Teil der Serie noch genauer darauf eingehen. Meine Erfahrungen mit den Einschränkungen, denen Frauen aufgrund von Schwangerschaft und Mutterschaft ausgesetzt sind, brachte ein Weltbild ins Wanken und speist meinen Fokus auf der Familienpolitik als der zentralen Gleichstellungspolitik.
Trotzdem war mir der Feminismus selbst noch immer ein Buch mit Sieben Siegeln. Wie so viele andere empfand ich ihn als aggressiv, polarisierend, einseitig, abgehoben und schädlich. Zum Teil hat sich diese Einstellung auch nicht geändert, wie im zweiten Teil etwas näher ausgeführt wird. Der "klassische" Feminismus gibt mir weiterhin nichts. Ich fand meinen Zugang an einem eher ungewöhnlichen Ort: auf Youtube. In meiner Fixiertheit auf einen Gegner, der seit den 1990er Jahren auch für einen großen Teil der Frauen selbst zunehmend irrelevant wird, übersah ich komplett eine neue Generation. Es ist der Feminismus von Laci Green, Anita Sarkeesian und Emma Watson. Er beschäftigt sich nicht mit Frauenquoten und luftigen Gendertheorien, sondern mit alltäglichen Herausforderungen, und er begreift Männer nicht als Gegner, sondern als Verbündete im Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen.
Meine Motive sind dabei im Übrigen nicht selbstlos und edel. Das hier ist kein "Feed the World"-Konzert oder das Kleben von "Ein Herz für Kinder"-Aufklebern, um mich selbst danach besser zu fühlen. Ich lehne die klassischen Rollenbilder auch aus egoistischen Motiven ab: ich habe keine Lust auf die Rollenverteilung des alten Patriarchats. Ich möchte gerne mit meinem Kind auf den Spielplatz können, ohne als einziger Mann dort von den versammelten Müttern komisch angeschaut zu werden. Ich will nicht allein verantwortlich für die Versorgung der Familie sein. Ich will nicht der dominante und mächtige Teil einer Beziehung sein, nur weil meine Frau sich um Haushalt und Kind kümmerte und daher kein eigenes berufliches Standbein besitzt. Ich will in einer gleichberechtigten Beziehung leben, und ich habe keine Lust darauf, mir von der Gesellschaft vorschreiben zu lassen, wer die Wäsche macht, die Kleider näht, den Abwasch macht oder ein neues Auto kauft und es Samstags wäscht. Es ist Zeit, dass das Patriarchat endlich stirbt, um nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer zu befreien.
Ich hoffe, dass die Artikelserie einige interessante Diskussionen auslösen wird. Legen wir los.
Ich habe in den vergangenen acht Jahren meiner Bloggerkarriere viele Positionen geräumt, von deren Richtigkeit ich einmal überzeugt war. Aber eine davon habe ich bislang noch nicht groß thematisiert, obwohl es wohl die ist, wo meine Kehrtwende am deutlichsten ist. Es geht natürlich um Feminismus, Gleichberechtigung, Gleichstellung, Maskulismus. Um Frauenquoten, geschlechtergerechte Sprache, um Kita-Plätze und biologische Grundbedingungen, um gläserne Decken und Rollenmodelle, um Gendertheorien und Gender-Pay-Gaps. Früher war ich der Überzeugung, dass der Feminismus von Übel ist, dass er Männer und Frauen spaltet und dass er sein Ziel grundsätzlich verfehlt. Und während ich mit Alice Schwarzer und Thea Dorn immer noch nichts anfangen kann, so musste ich doch mittlerweile einsehen, dass meine Vorstellungen davon ungefähr denen der konservativen Rednecks entsprachen, die den Vertretern der völligen Gleichberechtigung der Afroamerikaner die Spaltung der Gesellschaft vorwarfen. Ich lag falsch.
Um diesen Missstand zu beheben, möchte ich eine kleine Artikelserie starten, in der ich meine gewandelte Einstellung zu diesen Themen erklären, den Ursprung meiner gewandelten Meinung offenlegen und das ganze in eine kohärente Form gießen will. Mit folgenden Themen möchte ich mich dabei beschäftigen:
1) Rechtliche und soziale Randbedingungen Rechtliche Gleichstellung heißt noch lange nicht, dass man auch im Alltag gleichberechtigt ist. Dieser Teil erklärt die Diskrepanz zwischen Gesetzesanspruch und Wirklichkeit. Meines Erachtens nach werden zudem soziale Faktoren für die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen oft übersehen. Mein Vorwurf an den politischen Feminismus, dass es sich letztlich um ein Elitenprojekt handle, spielt in diese Kategorie mit hinein.
2) Familienpolitik als Kernpunkt der Emanzipation Mein Argument ist, dass das entscheidende Politikfeld für die Emanzipation beider Geschlechter, vor allem aber der Frauen, auf dem Gebiet der Familienpolitik liegt und nicht in Frauenquoten für Vorstände. Dieses Argument fußt direkt auf den im ersten Teil angesprochenen sozialen Problemen.
3) Mysoginie im Alltag Die irrige Vorstellung, die Gleichstellung sei bereits im Wesentlichen erreicht - der ich auch angehangen habe - ist letztlich blind gegenüber den gesellschaftlichen Realitäten und konnte eigentlich nur aus dem Blickwinkel des männlichen Privilegs heraus entstehen. In diesem Teil soll deutlich gemacht werden, wo wir im Alltag Mysoginie erleben und wo Rollenbilder sich in der Gegenwart drastisch auswirken.
4) Genderkonstruktion und historische Grundlinien Welche Rollenbilder haben wir und woher kommen sie eigentlich? Hatten sie eine Berechtigung, haben sie diese noch, und wer profitiert eigentlich davon? Welche Rolle spielt geschlechtergerechte Sprache?
Wie mein langsamer Abschied von der politischen Linken auch war diese Abwendung vom Maskulismus ein gradueller Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum vollzogen hat und vor allem mit Perspektivenwechseln zu tun hat. Normalerweise halte ich mein Privatleben aus diesem Blog heraus und erzähle keine langen und breiten Geschichten, um meine Punkte deutlich zu machen. Das überlasse ich Tom Friedman. Die persönliche Natur dieses Wechsels wird es mehr als sonst erforderlich machen, dass ich auf persönliche, weil prägende, Erfahrungen zurückgreife. Ich versuche es trotzdem auf ein Minimum zu beschränken. Trotzdem möchte ich versuchen deutlich zu machen, warum ich die Seiten gewechselt habe, ein Wechsel, der wegen meines langen Schweigens zu dem Thema für Stammleser abrupt erscheinen könnte. Er ist es nicht.
Der wesentliche, entscheidende Faktor, der zum Überdenken vorher liebgewonnener Positionen führte, waren meine Erfahrungen mit der Schwangerschaft meiner Frau und meinem Kind. Der Doppelstandard, der von der Gesellschaft konsequent angewendet wurde wenn es um die Frage ging, wer im beruflichen und privaten Bereich kürzer treten müsse, um das Wohl des Kindes zu gewährleisten, wurde unerträglich. Ich werde im dritten Teil der Serie noch genauer darauf eingehen. Meine Erfahrungen mit den Einschränkungen, denen Frauen aufgrund von Schwangerschaft und Mutterschaft ausgesetzt sind, brachte ein Weltbild ins Wanken und speist meinen Fokus auf der Familienpolitik als der zentralen Gleichstellungspolitik.
Trotzdem war mir der Feminismus selbst noch immer ein Buch mit Sieben Siegeln. Wie so viele andere empfand ich ihn als aggressiv, polarisierend, einseitig, abgehoben und schädlich. Zum Teil hat sich diese Einstellung auch nicht geändert, wie im zweiten Teil etwas näher ausgeführt wird. Der "klassische" Feminismus gibt mir weiterhin nichts. Ich fand meinen Zugang an einem eher ungewöhnlichen Ort: auf Youtube. In meiner Fixiertheit auf einen Gegner, der seit den 1990er Jahren auch für einen großen Teil der Frauen selbst zunehmend irrelevant wird, übersah ich komplett eine neue Generation. Es ist der Feminismus von Laci Green, Anita Sarkeesian und Emma Watson. Er beschäftigt sich nicht mit Frauenquoten und luftigen Gendertheorien, sondern mit alltäglichen Herausforderungen, und er begreift Männer nicht als Gegner, sondern als Verbündete im Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen.
Meine Motive sind dabei im Übrigen nicht selbstlos und edel. Das hier ist kein "Feed the World"-Konzert oder das Kleben von "Ein Herz für Kinder"-Aufklebern, um mich selbst danach besser zu fühlen. Ich lehne die klassischen Rollenbilder auch aus egoistischen Motiven ab: ich habe keine Lust auf die Rollenverteilung des alten Patriarchats. Ich möchte gerne mit meinem Kind auf den Spielplatz können, ohne als einziger Mann dort von den versammelten Müttern komisch angeschaut zu werden. Ich will nicht allein verantwortlich für die Versorgung der Familie sein. Ich will nicht der dominante und mächtige Teil einer Beziehung sein, nur weil meine Frau sich um Haushalt und Kind kümmerte und daher kein eigenes berufliches Standbein besitzt. Ich will in einer gleichberechtigten Beziehung leben, und ich habe keine Lust darauf, mir von der Gesellschaft vorschreiben zu lassen, wer die Wäsche macht, die Kleider näht, den Abwasch macht oder ein neues Auto kauft und es Samstags wäscht. Es ist Zeit, dass das Patriarchat endlich stirbt, um nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer zu befreien.
Ich hoffe, dass die Artikelserie einige interessante Diskussionen auslösen wird. Legen wir los.