Kam im Radio doch letztens die Werbung von einer der größten Ersatzkassen in Dtschl, “kommen Sie zu uns, wir übernehmen alles” war der Tenor. Ob Globuli oder Osteopathie, ob Schüßlersalze, Reiseimpfungen oder Akupunktur – na wunderbar. Alles wird bezahlt.
Nun kennen wir Ärzte unsere Pappenheimer unter den Kassen, egal ob Gesetzliche oder Private.
Im letzten halben Jahr wurde in meiner Praxis von genau dieser Krankenkasse unter anderem abgelehnt:
- die notwendigen Winterschuhe für ein Kind mit Proteus-Syndrom (ja, da hat man zwei verschiedene Schuhgrößen und Schuherhöhungen, die müssen gesondert gefertigt werden) – das Kind brauche ja eh Winterschuhe.
- das Gerät zur Messung der Sauerstoffsättigung bei einem ehemaligen Frühgeborenen mit Sauerstoffbedarf – das könne man ja “sehen” (OT Sachbearbeiter)
- die Kurmaßnahme für ein Asthmatikerkind zur Elternschulung und Klimawechsel – das bringe keinen dauerhaften Effekt.
etc.
Krankenkassen übernehmen immer nur dann Leistungen, wenn sie nach außen gut da stehen. Oder wenn die Konkurrenz es vormacht. Mit Sinnhaftigkeit oder medizinischer Indikation hat das selten etwas zu tun, schon gar nicht mit dem wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis einer Therapie. Was der Öffentlichkeit, der breiten, gefällt, wird bezahlt. Homöopathie. “Das haben sich unsere Patienten in Umfragen so gewünscht.”
Richtig. Dann bekommt die Krankenkasse auch den Touch des Guten und des Wahren, denn Globuli sind naturrein, gut und sanft. Leider auch nicht wirksam.
Treppenwitz: Bei der Osteopathie hätte diese jene Kasse gerne “eine Bescheinigung” durch den behandelnden Arzt … aha. Damit die Kasse aus dem Schneider ist, wenn´s nicht wirkt oder Schäden gibt oder wie oder was? Wenn schon alternative Kostenerstattung, dann ohne uns.
Der Kleinbedarf wird nicht abgefragt. Ein chronisch Kranker macht Ärger und kostet Geld. Eine Einzelfallentscheidung darf schon einmal negativ ausfallen, genug Patienten trauen sich nicht in Revision und schlucken die Ablehnung. Und zum Schluß gibt es immer noch den Medizinischen Dienst, der sich auch in der Mehrzahl der Fälle pro Krankenkasse und contra Patient entscheidet. Allerdings auch contra dem primär verordnenden ärztlichen Kollegen. Welch´ Affront. “Wenn´s der Arzt aufschreibt, übernehmen wir das auch…”, ja, denkste.
Ich habe eine Familie, die mit ihrem ehemaligen Frühgeborenen von 600g, leider mit Schwerbehinderung, PEG-Ernährung und Sauerstoffbedarf, in den letzten sechs Jahren wirklich *jedes* Hilfsmittel, *jedes* Heilmittel und jede einzelne Plastikspritze zum Aufziehen vom Lani.top begründen musste. Vielleicht haben sie einen blöden Sachbearbeiter erwischt oder einen blöden Nachnamen mit einem blöden Anfangsbuchstaben, aber das kann man Eltern chronisch kranker Kinder nicht vermitteln: Das Verprassen von Leistungen zweifelhafter Wirkung und Verschenken von Boni an die breite Masse versus der einfachsten Hilfsmitteln zum Überleben ihres Kindes.
Krankenkassen produzieren einen alljährlichen Überschuss – jaja, für den Rückhalt, wenns mal wieder schlechter läuft – , aber in der Summe geht es nur um die Positionierung auf dem Markt. Krankenkassen handeln nur in der Werbung für ihre Patienten, in der Realität verwalten sie das Geld wie jedes andere Wirtschaftunternehmen auch – für den eigenen Profit.
J´accuse.
Liebe Krankenkassen! Verzichtet auf die Erstattung zweifelhafter Heilverfahren! Lasst das doch die Leute selbst bezahlen – dann wirkt es auch besser! Und stockt damit Euren Überschuss noch weiter auf, dann bleibt vielleicht auch noch ein wenig Geld für ein paar Winterschuhe mit unterschiedlichen Absatzhöhen übrig.