Ich hätte gern ein Stück Pizza

Ich hätte gern ein Stück PizzaEs ist zwar schon spät, aber ich trage schon seit Tagen diese Geschichte mit mir herum und da ich vorhin auf dem Sofa eingeschlafen bin, habe ich jetzt wieder Energie um sie nun aufzuschreiben. 
Letzte Woche Mittwoch hatte ich einen Arzttermin im Barocken Viertel bei uns in der Neustadt (Hauptstraße/Königsstraße). Ich war zu Fuß unterwegs mit dem Kinderwagen und entschloss mich anschließen noch eine Runde über die Hauptstraße zu gehen (das ist eine kleine Einkaufsmeile mit kleinen Cafés und Lädchen). Das Wetter war herrlich und es war so gegen 11:30 Uhr, die arbeitende Bevölkerung bereitete sich auf die Mittagspause vor. Ich beschloss mir zum Mittag ein Stück Pizza zu gönnen und wollte meinem Liebsten (der von der Frühschicht bald kommen würde) auch gleich etwas mitbringen. Das Baby im Kinderwagen schlief fein und genoss die Luft und Atmosphäre. 

Ein Stück Mozzarella und zwei Stück Thunfisch

Am Pizzastand angekommen waren noch zwei, drei Leute vor mir und ich stellte mich in die Schlange. Nebenan wartete schon ein, in Anzug gekleideter, Mann der die ganze Zeit nur auf sein Handy schaute (bestimmt am Facebook und Mails checken) und gar nichts von seiner Umwelt mitbekam.
Der Pizzabäcker wirbelte vor seinem Ofen rum und war ganz schön gestresst. Nach 5 Minuten konnte ich dann meine Bestellung aufgeben, ein Stück Mozzarella und zwei Stück Thunfisch ( ein Stück kostet 2,50 € und eine ganze Pizza 5 €). Der Pizzabäcker meinte ich solle mich kurz hinsetzen, dauert etwa 15 bis 20 Minuten, er macht sie ganz frisch. Verstanden hatte ich das nicht so recht, da noch Pizzas da waren, aber ok. Während ich so wartete und meine Umwelt beobachtete, der Mann im Anzug war immer noch da und starrte auf sein Handy, kam eine ältere nette Dame. Diese bemerkte auch recht schnell, dass man hier etwas länger Geduld haben muss, denn der Pizzabäcker verschwand nach meiner Bestellung im Hintergrund und war nicht mehr ansprechbar. Ich kam mit der netten Frau ins Gespräch, früher als Kind habe ich mich oft über meine Oma aufgeregt, dass die immer mit Fremden im Konsum reden musste, das war mir immer peinlich und nun bin ich selber so. Die Frau kramte in ihrer Tasche und murmelte zu mir, dass sie sonst eher der >Kartenbezahlmensch< ist und aber immer einen >Notfünfer< für Essen dabei hat. In der Zwischenzeit stellten sich zwei andere Damen an und die alte Damen sagte freundlich sie wäre schon eher da gewesen und vor ihnen dran. Ich bestätigte das und regte mich innerlich auf, dass die Frauen nicht mal ein kleines Lächeln für die ältere Dame übrig hatten. 

Ich hätte gern ein Stück Pizza10 Minuten waren vergangen und endlich konnte die Frau auch ihr Stück Pizza bestellen, der Mann im Anzug hatte inzwischen seine Pizza bekommen, nach weiteren 5 Minuten war ihr Stück fertig, was mich stark wunderte, denn sie hatte auch Mozzarella genommen, extra wegen mir, weil sie dachte wenn der Pizzabäcker einmal eine Mozzarella frisch macht, bekommt sie ihr Stück auch gleich.
Jedenfalls beschloss sie sich zu mir zusetzen und wir kamen ins Gespräch. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass der Pizzabäcker meine Bestellung nicht vergessen hat, vertiefte sich mein Gespräch mit der lieben Frau.
Sie erfreute sich an meinem kleinen Baby, was immer noch so lieb schlief und erwähnte, dass ihr Mann gestorben sei und sie das alles noch nicht so verarbeitet hat. Mit tränen in den Augen sprach sie von ihren zwei Söhnen, die ihr bei der Organisation der Beerdigung nicht helfen konnten, weil sie in Deutschland verstreut wohnen. Seitdem ihr Mann tot sei ist sie nicht mehr sie selber, sie muss sich zum Essen zwingen, dabei war sie früher eine studierte lebensfrohe Kräuterfee (Sie hält viel von Homöopathie und gab mir den Tipp, dass Tomatensaft vor Sonnenbrand schützt). Auch Kinder sind für sie wichtig, sie hätte eigentlich noch eine Tochter, die aber leider während der Schwangerschaft verstarb, aber sie passt gern und oft auf die Nachbarskinder auf wenn der Kindergarten mal wieder streikt.
Insgeheim fragte ich mich immer wieder warum sie mir das alles erzählte und kam zur Erkenntnis, dass ihr das einfach gut tut. Die nette Dame hatte ihr Stück Pizza aufgegessen und mir viel auf, dass ich meine immer noch nicht hatte, jeder Andere wäre schon gegangen, keine Ahnung warum ich das nicht gemacht hab. Die nette Kräuterfee verabschiedete sich von mir und wünschte mir alles Gute. 

Nach einer dreiviertel Stunde...

war meine Pizza immer noch nicht fertig, das kann doch nicht sein. Ich stellte den Pizzabäcker erneut zur Rede und es kam heraus, dass er dachte ich wollte jeweils eine ganze Pizza, selbst wenn es so gewesen wäre, müssten die schon dreimal fertig gewesen sein, egal. Völlig aufgelöst und überfordert wollte er erneut anfangen mit meiner Bestellung, keine Ahnung warum, da rief ich nur, dass ich die zwei ganzen Pizzen nehme und gut ist, Hauptsache ich kann bald essen.
Ich hätte gern ein Stück PizzaDie Mittagspause der arbeitenden Bevölkerung war inzwischen rum und nun fing der Pizzabäcker an mir sein Leid zu klagen. Er hätte schon zwei Aushilfen eingestellt, aber was nützen die wenn die keine Pizza backen können. Seine Kunden wüssten es dauert zwar lange, aber dafür schmeckt es. Beim Aufzählen seiner Zutaten für die perfekte Tomatensoße (Tomaten, Olivenöl und Balsamico) verpackte er mir die zwei Pizzen, ein Stück bekam ich zum gleich essen.
Erst wollte ich mich ja aufregen und beschweren, aber dann empfand ich es gar nicht als so schlimm. Ich habe zwar lang gewartet, aber hatte ja auch ein nettes Gespräch. Zufrieden machte ich mich auf den Heimweg und ließ die letzten zwei Stunden auf mich wirken. Ich hatte das Gefühl zwei Menschen etwas Gutes getan zu haben. In der ganzen Alltagshektik strömen wir auf den Straßen aneinander vorbei ohne zu wissen welches Schicksal jeder mit sich herum trägt. Hin und wieder wirkt ein kleines Lächeln Wunder und manchmal sollte man sich einfach mal Zeit nehmen. 

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