Ich hatte einen Schlaganfall

Vielleicht hat die Neuigkeit schon die Runde gemacht: Ich hatte einen Schlaganfall.
Ganz so neu ist die Neuigkeit auch nicht, der Schlag hat schon am 18. Juli eingeschlagen. Über diese Nachricht kann man sich erschrocken zeigen, oder so reagieren wie ich:

Ich bin froh, weil ich den 18. Juli überlebt habe und keine größeren Schäden zurückgeblieben sind.

Das nennt man mehr Glück als Verstand! Fortan werde ich den 18. Juli als meinen zweiten Geburtstag feiern. Aber einen Schlafanfall ganz ohne Folgen gibt es nicht.

Nach dem Schlaganfall

Gänzlich folgenlos habe ich den Schlaganfall dann doch nicht überstanden, aber ich bin fest entschlossen hier schnelle und gründliche Reparaturen „durchzuführen“. Das was ich außerdem noch als Folgen bezeichne, sind Auswirkungen auf mein zukünftiges Leben. Hier habe ich schon einiges geändert und es wird noch mehr Änderungen geben. Und das mit den Änderungen meine ich wirklich sehr ernst. Die Mehrzahl der Schlaganfallpatienten erleidet innerhalb der nächsten drei Jahre einen weiteren Schlaganfall … zumeist heftiger und schwerer als zuvor. Das braucht kein Mensch! Das will ich nicht! Um das zu vermeiden habe ich mich dazu entschieden, möglichst alle Risikofaktoren auszuschalten. Dies bedeutet nicht nur direkte, sondern auch indirekten Risikofaktoren auszuschalten. Hier geht es nicht anders, eine Änderungen in der Lebensführung ist unausweichlich.

Offensichtlichste Änderung: Nach 40 Jahren Rauchen habe ich damit aufgehört. Zack, ohne Probleme, ohne Suchtzittern, ohne Lechzen. Ich kann es sogar hervorragend vertragen, wenn um mich herum geraucht wird. Als Test habe ich inzwischen auch mal wieder an einer Zigarette gezogen … schmeckt nicht mehr, brauch ich nicht mehr. Ok, mehr muss dazu nicht gesagt werden.

Nächste Änderung der Lebensführung … an der ich im Moment noch gewaltig säge und würge: Stressvermeidung. Stress, das allesumspannende Thema in unserem Kulturkreis und bei mir ganz besonders. Dies ist eine längere Geschichte und ganz bestimmt nicht erquicklich. Ich weiß nicht ob es zielführend ist die ganze Geschichte noch einmal aufzuwühlen, aber es nützt nichts, ich muss die Stress-Auslöser für mich kenntlich machen und ausmerzen. Stress ist zwar kein Schlaganfall-Indikator, erzeugt aber hohen Blutdruck und der ist sehr wohl ein möglicher Schlaganfall-Auslöser. Dauer-Stress erzeugt hohen Dauerblutdruck. Wenn es dann zu zusätzlichen Stressereignissen kommt, steigt der sowieso schon hohe Blutdruck in astronomische Höhen. Mögliche Folge: Schlaganfall. Ich habe genau das erlebt. Ich habe es überlebt und muss jetzt daraus meine Lehre ziehen. Fakt ist, in meinem neuen Lebenskonzept wird an dieser Stelle eine entscheidende Stellschraube im inneren Regelwerk neu justiert.

Wie geht es weiter?

Neues Lebenskonzept, Stellschraube und Regelwerk. Das klingt nach einem gut überdachten und sauber ausgelegtem Lebensplan für die Zukunft. Das ist es aber wirklich nicht. Vielmehr höre ich in mich hinein und reflektiere die Erlebnisse der letzten Monate. Sicher weiß ich heute nur, dass ich kürzere und kleinere Schritte machen werde. Die Siebenmeilenstiefel gehören der Vergangenheit an. Und dann werde ich nicht drum herum kommen, mir einzelne, klar umrissene Stress-Faktoren der Vergangenheit vom Hals zu schaffen. Wie und was da im Einzelnen geschehen wird, möchte ich jetzt nicht explizit ausführen. Außerdem habe ich noch keinen ausgefeilten Gesamtplan, sondern nur eine grobe Skizze für die Zukunft. Auf jeden Fall möchte ich ein Art Strich ziehen.

Ich glaube, um einen Strich unter ganz viele Sachen zu ziehen habe ich jedes Recht der Welt. Statistiken kann man glauben oder nicht, aber 30% der Schlaganfallpatienten sterben unmittelbar an den Folgen. Andere Quellen, die Zahlen gelten für Deutsche Ballungszentren, sprechen von 10% direkter Sterbefällen, 80% der Patienten erleiden schwere bis schwerste Folgeschäden und zu den restlichen 10% gehöre ich. Mein Glück darüber kann ich kaum fassen und das soll auch so bleiben. Die Statistik sagt, dass mehr als 50% der Schlaganfallpatienten innerhalb der nächsten drei Jahren einen weiteren Schlaganfall erleiden. Da will ich nicht dazu gehören und will nichts riskieren. Deshalb scheue ich auch vor radikalen Änderungen nicht zurück.

Um radikal zu ändern und neu zu gestalten, muss ich aber jetzt erst wieder richtig fit werden. „Keine schweren Folgeschäden“ heißt noch lange nicht, dass gar kein Folgeschäden da sind. Aber unser Gehirn ist ein wundervolles und einzigartiges Ding! Mit Training, Hartnäckigkeit und Dranbleiben kann das Gehirn Fähigkeiten und Fertigkeiten wiedergewinnen, die man als ausgelöscht angesehen hat. Und es gilt für die Zukunft, auf Warnsignale zu achten und Risikopotentiale auszuschalten. Ein klarer Weg.

Mein Schlaganfall-Denkmal

Ein Denkmal zu errichten ist immer eine sinnvolle Sachen, wenn man ein Ereignis nicht vergessen möchte. Ein Denkmahl ist auch ein Mahnmal. Mein Denkmal sind drei Bilder, drei Fotografien der Anfahrt zur Notaufnahme der Braunschweiger Kliniken. Das Ereignis Schlaganfall verändert ein für alle mal die eigene Lebens- und Zukunftsplanung. Wer unmittelbar nach einem erlittenen Schlaganfall in die Notaufnahme einer Klinik kommt, hat zumindest die Einladungskarte für eine Zukunft. Mich werden diese Bilder immer wieder daran erinnern, dass ich sehr viel Glück hatte und ich dieses für die Zukunft nicht aufs Spiel setzen werde.

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