Nun bin ich diesen schweren Weg gegangen und habe für Dich einen Baum gefunden. Das war gar nicht so einfach, wie es klingt. Nicht nur emotional war dieser Tag einer der Schwersten. Auch körperlich. Meine Füße wollten mich nicht dorthin tragen. An diesen Deinen letzten Platz. Und doch musste ich ihn gehen. Und in ein paar Tagen noch einmal.
Wie so vieles in der letzten Zeit, hat aber auch hier alles gepasst: der Herr von der Verwaltung wollte meine Schwester und mich postwendend wieder heim schicken, da wir ohne Terminabsprache vor ihm standen. Und doch hat er noch eine Lücke gefunden und ist mit uns in dieses ganz bestimmte Waldstück gegangen.
Schön ruhig wirst Du es hier haben. Es gibt schon viele, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Weißt du, der Wald ist genauso bunt gemischt, wie der in unserem Garten. Du wirst es lieben. Und Dich wohl fühlen.
Ich hab Dir eine junge Eiche ausgesucht. So habt Ihr Euch noch so richtig lange und Du kannst Ihr von Deinen Erfahrungen, deinem Leben etwas mitgeben. Ist das zu verquer gedacht? Mir egal. Die Vorstellung ist wunderschön.
Keine Sorge: der Baum steht etwas abseits und doch mitten drin. So wie Du. Du hast dich immer für unscheinbar gehalten, aber durch Deine liebevolle, freundliche Art hast Du Spuren bei so vielen Menschen hinterlassen. Und ich bin mir sicher, dass Deine Eiche eines Tages die Größte und Schönste von allem in dem Wald sein wird! Du musst nur aufpassen, dass dir nicht so viele Eicheln auf den Kopf fallen. Das tut echt weh.
Zuerst wollte ich Dir einen Platz mit Blick auf die Sonne aussuchen, doch dann dachte ich mir, dass Dich das nur unangenehm blenden würde. Daher ist nun an der Nordseite Dein Platz ab übernächsten Freitag.
Mir graut so sehr vor diesem Gang. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr. Und doch weiß ich, dass es nicht anders geht. Dass ich Dich auf dieser letzten Reise begleiten werde. Achte dann nicht so sehr auf meine Tränen, die sind nur dafür da, damit Deine Eiche gut wachsen kann…