Ich habe so viel Spaß hier ohne dich
Courtney Maum
Bloomsbury Berlin, 2015
14,99 €
978-3827012715
Richards erste Ausstellung in Paris ist ein rauschender Erfolg. Die Bilder des Engländers, der seit Jahren mit seiner Familie in Paris lebt, gehen weg wie warme Semmeln. Doch Richard kann den Triumph nicht genießen, denn gerade hat ihn seine amerikanische Geliebte verlassen. Dabei haben alle Männer bloß Augen für seine bildschöne Frau Anne. Und Richard stellt bald fest, dass sein Herz sowieso nur ihr gehört. Er nimmt sich fest vor, wieder zum liebevollen Ehemann und Vater zu werden. Doch ausgerechnet in diesem Moment entdeckt Anne die glühenden Liebesbriefe seiner Ex-Geliebten …
Richard ist ein Mann. Ein Mann, der leidet. Ich bin immer wieder hin und her gerissen zwischen einem einfachen “Ich hasse dich.” und einem “Er tut mir auch leid.” Klar, ist er fremd gegangen. Natürlich ist es seine Schuld. Aber ist da nicht ein wenig Mitleid irgendwo? Etwas, was die Geschichte ins Rollen bringt?
Anne ist erfolgreich. Sie liebt ihre Tochter, hat aber ihren Mann verloren. Sie hatten eine wilde Anfangszeit, aber als Mutter wird man ruhiger und der Fokus ist ein anderer. Sie hat nicht vergessen, dass sie eine Frau ist und ist umso erschütterter, als sie die Briefe findet, die ihr das Leben zur Hölle machen.
Seine Tochter ist ein kleiner Sonnenschein. In vielen Momenten finde ich sie zuckersüß, aber manchmal ist sie nur der Kitt und das sollten Kinder niemals sein.
Seine Schwiegereltern sind reich und gebildet. Sie wollten nur das Beste für ihre Tochter und bekamen Richard. Sympathie sieht anders aus und erst recht als das ganze Drama auf den Tisch kommt, wundert sich Richard über verhaltenen Zuspruch von einer ungewohnten Seite.
Richards Leben spielt sich in vielen Ländern ab. Eigentlich ist er Engländer, studiert in Amerika und Kanada und trifft eine Französin. Die meiste Zeit verbringen wir in Paris und spüren das Leben dort. Es gibt Besuche, bei den reichen Schwiegereltern und bei den hippe Eltern. Irgendwie ist alles vertreten und es wirkt nicht einmal überladen, sondern passt zu Richards verkorkstem Künstlerleben.
Die Frage, die ich Euch versuche zu beantworten, ist folgende: Warum fasziniert mich ein Buch, wenn ich doch weiß, dass der Mann schuld ist?
Die Schuldfrage beim Fremdgehen in einer Beziehung zu klären, ist für jeden Menschen schwierig. Ist nur der Mann oder die Frau schuld, die fremd geht? Sind es viele, kleine Faktoren, die darauf einwirken, wenn so etwas geschieht? Hat die Frau den Mann vernachlässigt, beschimpft, nicht genug geliebt? Hat der Mann alles falsch gemacht und dem nächsten Rock nachgejagt, nur weil er es kann? Es entstehen viele Fragen und jeder Mensch hat Angst zu entdecken, dass der anderen einen hintergeht.
Es gibt viele Romane, die sich mit dem Thema beschäftigen. Selten sind es aber Männer, die eine Stimme bekommen und ihre Geschichte erzählen können. Warum das so ist? Ich weiß es nicht. Richard ist ein Mann, der in “Ich habe so viel Spaß hier ohne dich”, die Möglichkeit bekommt seine Sicht zu erklären. Wie ist es für einen Mann, zu merken, dass die Geliebte einen nicht mehr liebt? Wie ist es, festzustellen, dass man das Glück Zuhause hat und es nicht gesehen hat? Wie will man alles wieder gerade rücken? Und geht das überhaupt?
Richard flucht, weint und gibt auf. Er nimmt sich alles zu Herzen, schreit, wettert und erwartet Unterstützung. Hat er letzteres verdient? Frauen schreien jetzt: “Nein.” Männer nuscheln ein: “Vielleicht.” Oder ist es umgekehrt? Ich konnte mich oft nicht entscheiden, denn beide Seiten leiden in dem Buch von Courtney Maum. Niemand bekommt uneingeschränkt das Recht zu leiden zugesprochen. Niemand bekommt ein “Ja.” oder ein “Nein”. Es ist eine bewegende Geschichte, die nicht kitschig sein muss. Sie erzählt von Verlusten, Erkenntnissen und Begebenheiten, die im Leben passieren, wenn sich alles verändert. Nicht die Tochter ist schuld, nicht die Welt ist schuld und auch nicht Richard ganz alleine.
Manchmal musste ich lachen, manchmal die Stirn runzeln. Die Perspektive hat mir wirklich gut gefallen, obwohl nicht jeder Gedankengang für eine Frau nachvollziehbar ist. Und ja, ich war schadenfroh, als Richard zwischendurch allein zurück blieb. Wer wäre es nicht gewesen?
Das Buch hat mich gepackt. Warum? Schaut Euch den Titel an. Ich stolpere heute noch darüber, wenn mich jemand fragt, wie dieses Buch heißt. Man kann den Titel wunderbar verdrehen und er ergibt immer noch einen Sinn. Außerdem liebe ich den Poststempel, den kleinen Eiffelturm und die stürmische Schrift.
“Anne, gib ihm noch eine Chance, obwohl er ein Arsch war” – so könnte die Zusammenfassung lauten. Richard ist irgendwie eine arme Sau, aber auch ein fieser Ehemann und Vater. Lest es, denn aus der Perspektive eines Mannes, ist es brillant.