Könnt ihr euch erinnern, als mein Kapital meine innersten Ängste und Wünsche waren. Ich habe fast alles verbloggt, das mir durch den Kopf gegangen ist. Ich bin damals noch zur Schule gegangen. Und dann war ich alleine und neu in der Hauptstadt. Bin durch die Straßen und Gassen gestolpert und habe mich über alles mögliche gefreut. Ich habe in Frage gestellt und bin an mir verzweifelt. Emotional gesehen eine spannende Zeit.
Als ich Innsbruck verlassen habe, habe ich mein soziales Umfeld hinter mir gelassen und konnte unbeschwert neu anfangen. Die neuen sozialen Bindungen habe ich nicht im physischen Raum aufgebaut, wie ich es von Kindergarten bis Gymnasium gewohnt war, sondern im digitalen Raum. Schon zuvor hatte ich dort soziale Erlebnisse, die stellenweise in mein normales Leben übergeschwappt sind und das habe ich ganz großartig gefunden. Seit Wien war das normale Leben das digitale. Dort war ich ich. Wobei es das ich natürlich nicht gibt und wir alle viele ichs sind. Aber Es gab nicht mehr diese Unterscheidung. Online und offline wurden eins. Ich konnte nahtlos hin- und herwechseln, weil mein gesamtes soziales Umfeld in beidem existierte. Und wichtig: Sich im digitalen ebenfalls kannte.
Bei anderen stellte ich oft fest, dass sie offline ein Teil eines sozialen Gefüges waren und online der zentrale Knoten. Online gab es zwischen den Kontakten wenig Überschneidungen. Hätte man sie entfernt, wäre die unterschiedlichen Personen und Kleingruppen voneinander getrennt worden. Offline hätte es auch einen Unterschied gemacht, aber keinen so großen. Dort gab es wesentlich mehr Verbindungen zwischen den Personen und Gruppen.
Als ich vor drei Jahren nach Deutschland gezogen bin, zu meiner großen Liebe, dachte ich, dass das Internet dort ja das gleiche ist und ich viele meiner Freunde und Bekannten auch in Wien nur alle paar Monate gesehen habe, sodass ich so weitermachen könnte wie bisher. Ich habe damals ganz stolz darüber geschrieben, dass ich über dem offline stehe. Dass mir online reicht. Dass online eh viel besser ist. Darin habe ich mich getäuscht.
Ich fühle mich oft einsam.
Das Internet ist der Hauptgrund, warum ich noch nicht durchgedreht bin und ich bin meinen Freunden unglaublich dankbar, dass wir darüber in Kontakt geblieben sind. Ich freue mich über das regelmäßige Aufpoppen des Chatfensters, wo ich mit meinem Lieblingsfotografen schreibe. Ich freue mich über Updates aus euren Leben und Kommentare zu meinem. Und doch fehlt mir oft etwas. Mir fehlt das Twittern, dass ich am Abend noch nichts vor habe und wer Lust hat, kann mich im Museumsquartier treffen. Mir fehlen die Veranstaltungen, wo man zusammensteht und sich über angeblich unwichtige Dinge unterhält. Mir fehlt die Nähe zu Menschen, die mir wichtig sind.
Ein Teil des Problems bin ich sicherlich selbst. Ich habe aufgehört, mein innerstes nach außen zu kehren. Das hat schon in Wien begonnen und wurde immer schlimmer. Man merkt es an den Blogposts, die sich immer weniger mit mir selbst beschäftigen. Und ich bin noch immer wahnsinnig zurückhaltend, was das in Kontakt treten mit tollen Menschen betrifft. Ja, wir haben uns die Nächte zusammen um die Ohren geschlagen, über alles mögliche gesprochen und gegenseitig Mut gemacht und doch fühle ich mich aufdringlich, wenn ich die erste Nachricht schreibe. Viele Bloggger_innen haben aufgehört über Gedanken zu sich selbst zu schreiben. Damit sind die gefühlten Verbindungen schwächer geworden. Facebook und Twitter haben es meiner Meinung nach nur bedingt aufgefangen. Und inzwischen sind dort so viele Menschen, mit denen man in anderen Kontexten zu tun hat, dass man erst recht wieder nicht die wichtigen Dinge veröffentlicht.