Ich ertrage dieses Kind keine Sekunde länger! (Rezension Alice im Wunderland)

Von Mila

Alice im Wunderland von Lewis Carroll, 1863

Uuuuund- durch! Man entferne nun bitte dieses nervige, nervige Kind von mir. Dafür dass das Buch so kurz ist, habe ich erstaunlich lange gebraucht, um mich da durchzuhangeln. 
Es ist ja nun, verehrter Leser, nicht so als würde ich die Geschichte nicht kennen.
Mitnichten.
Ich kenne sie viel. zu. gut.
Alice im Wunderland fand ich schon als Kind in der Disney Zeichentrick-Version anstrengend, es gab lauter Charaktere, die mir irgendwie Angst gemacht haben und besonders nett fand ich es im Wunderland auch nie. Trotzdem lief der Film jedes Jahr zur Osterzeit im Fernsehen und das sogar, obwohl wir gar kein Kabel hatten. Nun, watt soll dat Kind da machen, bei nur drei Programmen is ja nich mehr so viel Auswahl. 
Jahre später, im Jahr 2010 um genau zu sein, schaffte es aber der grandiose Tim Burton doch noch, mich für die Geschichte zu begeistern. Den Film fand ich, wie eigentlich alles von Burton, wundervoll abgedreht und spektakulär inszeniert. Die Geschichte hat bei der Macht der Bilder auch gar nicht so eine große Rolle gespielt. Und sowieso. Johnny Depp. Punkt.

In Anbetracht des Obigen - man entschuldige den snobistischen Ausdrucksstil, ich hab heute einen etwas hochgestochenen Tag, muss am Wunderland liegen - fühlte ich mich nie besonders geneigt, das Buch auch tatsächlich zu lesen. Aber ihr wisst ja, wie das ist: Die Challenge rief (tatsächlich schrie sie schon ziemlich laut) und die Geschichte hatte ich eh schon längst in die Kindle App geladen.
Willkommen auf dem Drogentrip
Und nun traue ich mich garnicht so richtig, noch viel weiterzuschreiben, denn schließlich ist Lewis Caroll - der gute Mann war nicht nur Schriftsteller sondern auch Mathematiker, Fotograf und Diakon - ja wirklich ziemlich berühmt und beliebt und sein Stil hat nicht nur Schriftsteller, sondern auch Künstler, Wissenschaftler und die Musik beeinflusst. Unter anderem diente das Buch als Grundlage für einen meiner absoluten Lieblingssongs: "White Rabbit" von Jefferson Airplane. Nehmen wir uns dafür doch kurz eine Minute Zeit, bevor es ans Eingemachte geht.

When the men on the chessboard
Get up and tell you where to go

And you've just had some kind of mushroom
And your mind is moving low
Go ask Alice
I think she'll know.


Wie Jefferson Airplane ganz richtig erkannt hat, ist es fast unmöglich, während des Lesens nicht an bewusstseinserweiternde Drogen zu denken. Angeblich ist das Buch so entstanden, dass Charles Lewis auf einer Bootsfahrt auf der Themse der Schwester eines Freundes (namens Alice Liddell) eine Geschichte erzählt hat, die diese ihn dann bat aufzuschreiben. Und das klingt auch erstmal sehr logisch, bedeutet aber bei genauerem Nachdenken trotzdem nicht, dass der Mann sich nicht beim Aufschreiben die ein oder andere Substanz zugeführt hat (Und vor knapp 150 Jahren war das ja auch alles noch schnuckelig auf Rezept erhältlich, da gab's ja gegen Zahnschmerzen auch Kokaintabletten.) Von daher: Wer weiss. Für mich war das Lesen des kompletten Buches jedenfalls definitiv mit einem Drogenrausch vergleichbar, in den sich irgendwie ein ziemlich anstrengendes kleines Mädchen geschmuggelt hatte.  Alice - du bist 'ne doofe Nuss.
Dafür, dass Alice eigentlich ein gewitztes Ding ist und dem Autor offensichtlich auch am Herzen lag, ist sie mir ganz schön auf den Keks gegangen. Also nicht, dass die die anderen Charaktere hier besonders liebenswert wären, aber Alice hat mich mit ihrer ständigen Größer- und Kleiner-Werderei ganz bekloppt gemacht. Die anderen können ja wenigstens singen oder niesen, oder unsichtbar werden oder jemandem den Kopf abschlagen - Alice kann nur hilflos wachsen und schrumpen. Und wachsen. Und schrumpfen. Und wachsen. Und Schrumpfen. DANN ISS DOCH DEN SCHEIßPILZ NICHT!!! Du weisst doch mittlerweile, wo das hinführt. Meine Güte nochmal.
Aber nicht nur ihre Größeneskapaden sind ein wenig ausgeufert, ich fand auch, dass die junge Dame nun wirklich leider nicht besonders helle ist. Gut, dass auch alle anderen Kreaturen, die sie im Wunderland trifft , ganz ordentlich einen Knacks weghaben. Ihr kennt zum Beispiel bestimmt noch diese Genossen hier:
Und was bei Disney ja alles noch irgendwie charmant rüberkommt (vor allem mit der typischen Musik) fand ich im Buch irgendwann nur noch anstrengend. Ich bin durchaus bereit, anzuerkennen, dass dem Ganzen Buch ein sehr feiner Humor zugrunde liegt und eine Ironie, die ich stellenweise auch genossen habe. Wenn ich mich dann aber Absätze lang durch richtig anstrengend blöde Lieder über SUPPE quälen muss (siehe Screenshot) dann frage ich mich doch ernsthaft, ob der gute Herr Carroll sich nicht insgeheim einen Ast gelacht hat, über die Deppen, die seine mentalen Ergüsse auch noch bis zum Ende lesen.

Man möge mir den Kopf abschlagen, aber ich war selten so froh ein Buch endlich zur Seite legen zu können.