Ich bin zurück in dem Land, wo mein Leben eine Wende nahm

Von Evelin Chudak

Vor genau einem Monat verließ ich Bali, um zurück nach Thailand zu fliegen.
Die Sehnsucht war einfach zu groß nach dem thailändischen Essen, den perfekten Stränden und den verrückten Thais.
Ich flog also nach Bangkok, hoffte darauf, dass ich nicht auf der Blacklist stehe, nach meinen letzten etwas zu langen Aufenthalten in Thailand. Ich hatte Glück und bekam das nächste Touristenvisum.
Ich blieb für ein paar Tage in Bangkok und fuhr dann mit dem Nachtzug runter nach Hat Yai, an die Grenze von Malaysia.
Nach Hat Yai fuhr ich nur weil mir eine thailändische Frau, die ich auf Koh Phangan kennenlernte, immer wieder in meinen Gedanken auftauchte. Ich machte mich also auf den Weg, um sie zu besuchen.
Hierzu würde es schon eine Menge zu erzählen geben. Das hebe ich mir aber für mein Buch auf

Als ich eines morgens in Hat Yai an einem Gastartikel saß und dabei die letzten zwei Jahre Revue passieren ließ, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Ich muss zurück nach Hause. Jetzt sofort.

Ich checkte also was die Flugsuchmaschinen so preislich hergaben und konnte es kaum fassen, dass ich Flüge von Kuala Lumpur mit Air Asia für nur 76 Euro fand. Jut, dann soll es wohl so sein. Der Flug wurde also gebucht.

Irgendwie waren die Zeit in Thailand und auch generell die letzten zwölf Monate fast schon magisch.
Alles, was ich mir in meinem etwas verrückten Kopf ausgemalt hatte, ging für mich auch in Erfüllung.
Dadurch änderte sich noch mehr in meinem Kopf. Ich wurde noch “unrealistischer“, fing noch mehr an zu träumen, erwartete vom Leben noch mehr, vertraute gleichzeitig aber auch ganz extrem in mich und das Leben.
Es sind einfach zu viele Dinge passiert und zu viele Menschen kreuzten meinen Weg, die mir das Gefühl vermittelten, dass es so sein sollte. Manchmal spürt man einfach, welche Begegnung relevant ist und welche nicht.
So war die Zeit in Thailand für mich eine riesengroße Bereicherung.

Nun war ich aber dann doch fertig mit Thailand. Ich hatte plötzlich das Gefühl, die Dinge gelernt zu haben, die ich lernen sollte. Ich war bereit an den Ort zurückzukehren, wo mein Leben eine Wende nahm.

Mein erster längerer Australienaufenthalt liegt genau sechs Jahre zurück. Damals habe ich an der Griffith University studiert.
Ich kann mich noch ganz genau an den Moment erinnern, als ich mit meiner damaligen Mitbewohnerin am Strand stand, auf das Meer blickte und realisierte, dass ich endlich wieder atmen kann. Die Jahre zuvor hatten mir die Luft zum atmen genommen.

Als ich zwei Jahre später dann wieder in Australien lebte, realisierte ich, dass alles perfekt und so ist, wie ich es gerne hätte. Nur die Arbeit war eher für’n A****. Und da wir leider sehr viel Zeit mit arbeiten verbringen, sollte es schon etwas sein, was einen erfüllt.
Ich fing an mir deswegen den Kopf zu verbrechen, was ich machen wollen würde, wenn ich die freie Wahl hätte. Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, welche Rahmenbedingungen ich gerne hätte. Sie schienen zu dem Zeitpunkt aber etwas unrealistisch zu sein.

Ich habe mir damals fest versprochen, dass ich nach Australien zurückkehre, sobald ich mein Ziel erreicht habe.

FREIHEIT.

Genau die wollte ich finden. Ich wollte nicht wieder zurück an den Punkt, an dem ich schon so oft war und einfach nur versagte, da es mir die Luft zum atmen nahm und ich nicht der Mensch sein durfte, der ich in Wirklichkeit bin.
Ich hatte mich damals noch nicht einmal getraut anderen von meinen Gedanken zu erzählen, da es für mich und andere unrealistisch klang. Zu sehr weichte meine Vorstellung von der Norm ab.
Insgeheim hoffte ich verdammt oft, dass sich meine Gedanken vielleicht doch noch ändern und ich die selben Wünsche und Hoffnungen, wie die meisten anderen Menschen noch haben würde. Das passierte aber nie.

Also machte mich also schon wieder auf den Weg nach Kuala Lumpur. Ich schlief wieder in dem selben Hostel, in dem man mich sogar wiedererkannte und wusste, dass ich vor einem halben Jahr nach Australien fliegen wollte, es aber nicht klappte. Schon wieder die selbe Strecke und der selbe Flughafen. Sogar die selbe Airline, der selbe Wochentag und die selbe Uhrzeit.
Beim letzten mal stand ich in Kuala Lumpur am Flughafen, wollte einchecken und durfte es nicht. Rückblickend gesehen war es auch das Beste, was mir passieren konnte.

Diesmal sollte es aber so sein. Auch wenn vorher wieder ein paar kleine Katastrophen passieren mussten. Ohne wäre es ja auch zu langweilig.

Ich hab Gänsehaut und Tränen in den Augen, wenn ich daran denke, wo der Flieger in ein paar Stunden aufsetzen wird.

Es fühlt sich gerade wie eine Belohnung für jahrelange harte Arbeit an, auch wenn es nur ein ganz normaler Entwicklungsprozess war.
Ich hatte die letzten zwei Jahre das Gefühl, dass ich erst weiter reifen und lernen muss, bevor ich wieder diesen magischen Boden betrete.

Da bin ich nun inzwischen an dem Ort und exakt dem Cafe, in dem ich mir vor zwei Jahren geschworen hab, dass mein Leben eine andere Ausrichtung braucht – eine Ausrichtung mit mehr Leidenschaft und Freiheit. Nun schreibe ich das letzte Kapitel meines Buches genau dort, wo es geschrieben werden muss!

Wären der letzte Australienaufenthalt, die zig beschissenen Jobs und viele sehr unschöne Erfahrungen nicht gewesen, würdest du meine Worte jetzt höchstwahrscheinlich nicht lesen.

Ich bin in meinem Leben schon zig mal schmerzhaft gefallen und wieder aufgestanden. Es flossen viele Tränen vor Schmerz und Verzweiflung. Ich hab zum Teil wirklich beschissene Erlebnisse hinter mir, die mir aber alle auf ihre Art und Weise geholfen und mich geformt haben. Ich habe viele Narben – innerlich, sowie äußerlich. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich rein gar nichts auslassen möchte an Erfahrungen.
Für mich gelten schmerzhafte Erlebnisse nicht als Ausrede für Stillstand. Für mich ist es eher ein Zeichen dafür, dass man sich selbst aufgibt und alles nur noch so akzeptiert, wie es ist. Hinnehmen ohne zu hinterfragen wofür diese Erfahrung eigentlich gut war.

Sei dankbar dafür, falls du in deinem Leben an den Punkt kommen solltest, in dem du anfängst alles zu hinterfragen und mehr zu wollen.

Genau dieser Lebensabschnitt kann dich exakt dahin führen, wo du hinmöchtest und auch hinsollst.

Ich war heute früh am Strand spazieren und fing plötzlich an zu weinen. Es fühlte sich an, wie eine riesengroße Erleichterung und Glück zugleich.

Wie lange ich bleiben werde, weiß ich nicht. Eingeplant habe ich nur zwei Wochen, um dann wieder nach Europa und im August weiter in die USA zu fliegen.

Thailand war toll. Viel mehr sogar als nur das. Aber den australischen Boden wieder zu betreten fühlt sich an wie nach Hause zu kommen.