Ich bin Tess - Lottie Moggach

Von Seitenblicke



Würdest du dein Leben aufgeben, um das eines anderen zu übernehmen?
Leila hat Tess nie zuvor getroffen.Doch sie weiß mehr über sie als irgendjemand sonst.

Tess hat Leila nie zuvor getroffen.Doch wenn sie unbemerkt aus der Welt scheiden will,muss sie Leila ihr Leben anvertrauen.

Zu Beginn ist es leicht für Leila, sich online als Tess auszugeben. Niemand durchschaut ihr Spiel.Doch wie lange lässt sich eine solche Lüge aufrechterhalten?

Okay, nehmen wir uns einmal dieses hypothetische Dilemma vor: Eine Frau leidet an einer Krankheit, die an und für sich nicht lebensbedrohlich ist, aber ihre Lebensqualität stark einschränkt und auch nicht heilbar ist. Nach reiflicher Überlegung kommt sie zu dem Schluss, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Aber sie weiß, dass sie damit ihrer Familie und ihren Freunden großen Kummer bereiten würde und handelt daher nicht. Dennoch wünscht sie sich verzweifelt den Tod und an dieser Einstellung ändert sich auch über die Jahre nichts. Irgendwann kommt sie zu dir und sagt, ihr sei ein Weg eingefallen, wie sie ihren Plan in die Tat umsetzen kann, ohne ihre Familie und ihre Freunde unglücklich zu machen, aber dafür brauche sie deine Hilfe. Was würdest du tun? Würdest du ihr helfen?
(Quelle des Klappentextes)

Die Thematik, die sich hinter Ich bin Tess verbirgt, hat mich sofort angesprochen und sehr neugierig gemacht. Was bringt ein junges Mädchen dazu, sich im Internet als jemand anders auszugeben? Welche Konsequenzen wird dieses Vorhaben mit sich bringen? Und aus welchem Grund verspürt Tess den Drang, ihrem Leben ein Ende zu setzen?


Diese Fragen und mehr haben sich mir direkt zu Anfang gestellt und dazu angetrieben, das Buch in die Hand zu nehmen. Obwohl mir im Grunde genommen die Geschichte gefallen hat, hat mir das Buch aber doch ein paar kleine Probleme bereitet.


Ich bin Tess ist wie ein Tagebuch aufgebaut, in dem Leila zum einen über ihre derzeitigen Erlebnisse in einer Kommune in Spanien berichtet, zum anderen aber auch rückblickend erzählt, wie sie dazu gekommen ist, sich im Internet als Tess auszugeben. Anfangs ist das Geschehen jedoch sehr rätselhaft. Leilas Rückblick, in dem sie ganz von vorne bei dem Tod ihrer Mutter und ihrem einsamen Leben danach anfängt, wird immer wieder unterbrochen, sodass man als Leser erst einmal die genauen Zusammenhänge nicht wirklich begreifen kann, aber trotzdem neugierig bleibt. Tess und Leilas Aufgabe, nach ihrem Suizid ihr Facebook-Profil und Email-Verkehr zu übernehmen, kommen erst etwas später ins Spiel. Den Anfang könnte man demnach als ein wenig ausschweifend bezeichnen, da Leila zunächst nicht wirklich zum Punkt kommt. Dies hat mich aber nicht großartig gestört, da so, wie bereits erwähnt, meine Neugier eher geschürt wurde. Nachdem Leila und Tess dann aber endlich in Kontakt miteinander getreten sind, kamen meine ersten Probleme auf. Leila stellt  genaue Nachforschungen über Tess' Leben an, um sich ein Bild von der Frau zu machen, die vor hat, ihrem Leben ein Ende zu setzen, aber ihre Familie damit nicht verletzen möchte. Leila soll sich zukünftig als Tess ausgeben und diese Aufgabe nimmt sie auch sehr ernst. Ich möchte nicht behaupten, dass Leila dieses Vorhaben zu ernst nimmt, aber trotzdem habe ich immer wieder gedacht, dass viele ihrer Fragen an Tess und ihre Vorkehrungen doch ein wenig übertrieben sind.Überhaupt wirkte Leila auf mich wiederholt sehr naiv. Und das nicht, weil sie überhaupt diese schwierige Aufgabe übernimmt, sondern in ihrem alltäglichen Leben. Bei einigen Aussagen und Behauptungen habe ich mich doch gefragt, wie Leila bisher alleine zurechtgekommen ist. Je weiter die Geschichte voran geht, desto häufiger hatte ich das Gefühl, dass mit 
ihr irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist und konnte nur noch ungläubig den Kopf schütteln.

Die Art, wie Leila ihre Erlebnisse schildert, ist zum Großteil sehr nüchtern. Vor allem gegen Ende, wo sich erhebliche Konsequenzen für Leilas eigenes Leben ergeben, hat mich dies gestört. Sie scheint vieles einfach so hinzunehmen ohne weiter groß darüber nachzudenken. Lediglich an vereinzelten Stellen blitzen Leilas Emotionen durch. Wenn dies mal der Fall war, habe ich auch direkt mitgefühlt und mich über den kleinen Einblick in Leilas Gefühlswelt sehr gefreut. Dennoch war die ganze Geschichte durch die eher emotionslose Erzählhaltung für mich leider nicht wirklich spannungsgeladen, aber auch nicht direkt langweilig. Ich habe die ganze Zeit auf den großen Knall gewartet - ich war mir sicher, dass es diesen geben wird, sodass ich voller Erwartung weiter gelesen habe -, der Moment, der mich vor Erstaunen die Luft anhalten lässt. Aber leider blieb dieser für mich bis zum Schluss aus. Insgesamt ist das Ende eher...unbefriedigend. Ich hatte vermutet, dass hinter dem ganzen vordergründigen Geschehen doch mehr steckt. Viele Fragen werden nicht geklärt und wahrscheinlich ist das auch Absicht, aber trotzdem hätte ich mir ein paar Antworten doch gewünscht.


Insgesamt bin ich hin-und hergerissen. Das Thema von Ich bin Tess hat mich brennend interessiert und ich habe ein spannendes Buch mit einigen Überraschungen erwartet. So gesehen wurde ich von dem Buch leider ein wenig enttäuscht, denn als hochgradig spannend würde ich die Geschichte nicht bezeichnen. Trotzdem fiel es mir schwer, das Buch aus der Hand zu  legen. Vielleicht war es die Hoffnung auf eine überraschende Wende, die das Geschehen gänzlich unvorhersehbar machen würde. Vielleicht war es aber doch meine Faszination und Ungläubigkeit gegenüber Leila. Was es auch war: Ich bin Tess konnte mich zwar fesseln, aber aufgrund des emotionslosen Erzählstils konnte ich mich kaum in die Protagonistin und das Geschehen einfühlen, sodass die Geschichte letztendlich meinen Erwartungen nicht ganz entsprochen hat.
3 von 5 Herzen
349 Seiten, gebunden mit SchutzumschlagVerlag: Script5Erscheinungsdatum: 17. Februar 2014Reihe: NeinIch bin Tess bei Amazon