Von Michaela Preiner
Macbeth – Reine Charaktersache (Foto: Anna Stöcher)04.
Februar 2018
Du geile Scheiße du! Blöde Schachteln! Mir geht`s gut, der Krieg war schön. Bei höherem politischen Interesse muss man die Moral vergessen. Das ist ein scheiß Tag!Wetten, Sie erraten nicht, aus welchem Drama diese Sätze stammen – außer Sie haben die neueste Eigenproduktion am TAG gesehen.
Gernot Plass arbeitete sich bereits an mehreren Shakespeare-Dramen ab und fuhr nun mit seiner Macbeth-Überschreibung einen wahren Premierenerfolg an seinem eigenen Haus ein.
Dabei blieb der Autor, Regisseur, Musiker und künstlerische Leiter des TAG in Personalunion – mit Ausnahme des Sprachdiktums und einer ganzen Menge von Aktualitätsbezügen – nahe an der Erzählvorlage, die den Aufstieg des Heerführers Macbeth zum König, aber auch dessen Untergang beschreibt.Eine dunkle Bühne mit einem riesigen, weißbetuchten Tisch und einige schwarze Sessel, Vorhänge, eine kleine Treppe und eine Schüssel, in der sich drei rote Kerzen befinden, damit ist das Bühnenbild auch schon beschrieben. (Ausstattung Alexandra Burgstaller)
Bis auf Julian Loidl, der Macbeth in allen Schattierungen spielt, die diese Rolle hergibt, schlüpfen alle anderen fünf Ensemblemitglieder in insgesamt 26 Charaktere. Eine echte Herausforderung, vor allem was den Kostümwechsel betrifft. Dieser wird – sehr zur Freude des Publikums – zum Teil an den Bühnenrändern vorgenommen.
Vor allem die Besetzung der drei Hexen mit Raphael Nicholas, Georg Schubert und Lisa Schrammel evoziert einen Publikumslacher nach dem anderen. Tatsächlich ist es urkomisch, wie die drei „Frauen“ in rosaroten und später roten Tussikostümen sich gegenseitig ununterbrochen befetzend, Macbeth beinahe ungewollt die Zukunft voraussagen. Wobei nach Plass keine von ihnen tatsächlich hellsichtig ist. Vielmehr wird aufgeschnitten, improvisiert und gereimt, was das Zeug hält, nur um Macbeth im Glauben einer Vorhersehung zu lassen.
Dass die Erfüllung ihrer Worte dennoch eintrifft, überrascht sie mehr als den unrechtmäßigen Schottenkönig. „Ich bin Schicksal! Ich bin sexy.“, gibt Schubert als Oberlügner-Hexe von sich als sie merkt, welche Macht in ihrer vermeintlichen Zukunftsinterpretation steckt.
Zu Beginn noch ein bescheidener Kriegsheld, seinem König Duncan treu ergeben und froh ob der Freundschaft zu Banquo (Jens Claßen), erlebt Macbeth am eigenen Leib seine charakterliche Veränderung. Das kleine Pflänzchen an Machthunger, das ihm die völlig ausgeflippten Zankteufel einpflanzten, entwickelt sich nach und nach in seiner Vorstellungswelt zu einem hypertrophen Gewächs mit hochgradiger, toxischer Wirkung.
Untermalt mit einem Soundgemisch aus Heavy-Metal-Klängen und kriegerischen Trommelanfeuerungen, unter Einsatz von Lichteffekten wie auf einem Popkonzert und einer kurzen Videoeinspielung werden alle Register einer zeitgeistigen Multimedia-Inszenierung gezogen. Dabei bleibt jedoch das Herzstück jeder guten Inszenierung, das lustvolle Spiel der Beteiligten, stets das Hauptkriterium. Elisa Seydel macht als Lady Macbeth mit Leadership-Qualitäten ihrem Mann unverblümt klar, dass er mit Liebesentzug zu rechnen hat, sollte er sich weigern, seinen König zu ermorden, um selbst den Thron besteigen zu können. Die Farbsymbolik ihres Kleides ist mehrdeutig: Einerseits verweist das Schwefelgelb ihrer Krönungsrobe auf ihre Herrscherstellung. Diese Farbe war vor allem in China ausschließlich den Kaisern vorbehalten. Andererseits wird der Farbe die Charktereigenschaft des Neides zugeordnet. Er ist wohl ein wichtiger, intrinsischer Hauptmotivator von Lady Macbeth, die in der gesellschaftlichen Hierarchie ganz oben ankommen möchte. (Kostümbetreuung Daniela Zivic)
Auch die drei roten Kerzen, welche das Ehepaar Macbeth auf seinem Königsweg begleiten, bilden einen subtilen Querverweis. Sie können als Hinweis auf jenen königlichen Lebensentwurf gedeutet werden, den Macbeth, von den in Rot gekleideten Schicksalsbeschwörerinnen ausgesprochen, bereitwillig in seinem Inneren aufnahm und bis zur letzten, bitteren Konsequenz verteidigte. Bevor er in den sicheren Tod geht, bläst er die zarten Flämmchen mit einem Atemstoß aus.
Würde Julian Loidls Stimme, der seinen Text in mehreren Szenen psychologisch gerechtfertigt, sehr leise sprechen muss, sanft verstärkt werden, wäre die Freude ob der Inszenierung schier unerträglich. „Macbeth – Reine Charaktersache“ könnte sich zu einem wahren Publikumsmagneten entwickeln. Gerechtfertigt wäre es.
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