Ich-Anhaftung durchtrennen

Von Rangdroldorje

Das absolute Chöd ist, wenn man versteht, dass alle verwirrte Wahrnehmung aus dem Greifen nach einem Selbst entsteht. Bis man fähig ist, die Wurzel der Verwirrung zu durchtrennen, wird Verwirrung bestehen. Beispielsweise sind Götter und Geister ein Aspekt der verwirrten Wahrnehmung. Wenn man also in der Chöd-Praxis glaubt, dass Götter und Geister wirklich existieren, dann wird man niemals fähig, die Quelle dieser Erscheinungen zu durchschneiden. Dort weichen dann viele Praktizierende ab. Sie mögen von Sponsoren und Unterstützern oder einer kranken Person nach Hause eingeladen werden und machen eine Praxis, um dies Geister oder Krankheit loszuwerden. Diese fehlgeleiteten Praktizierenden werden kommen und die dämonischen Kräfte oder den Geist in diesem Haus als Feind ansehen, als wahrhaft existierendes Wesen und dann werden sie mit einem Geist aus Zorn und sogar Hass versuchen, dieses Wesen zu schlagen, es zu töten, es durch die Vertreibung des äußeren Feindes auszulöschen. Sie werden ihr Damaru sehr zornvoll spielen und die Schenkelknochentrompete stark blasen und „PHAT“ rufen und dies und das machen und ihre Augen verdrehen. Aber ohne einen Fokus auf die Quelle dieses Phänomens zu haben, werden sie diesen Feind niemals töten oder durchbohren, weil dieser nicht daraus entsteht. Eigentlich schafft der Ärger dies überhaupt. Es entsteht aus dem Greifen nach einem Selbst; der Glaube, dass dies so ist, wie es geschaffen hat. Wenn das Feuer dann aus ist, bleibt Rauch übrig.

Milarepa und die Felsdämonin

In einer berühmten Geschichte von Milarepa, als er seine Höhle für einen Moment verließ und dann zurück kam, sah er, dass die Dämonin des Felsens seine Höhle versperrt und fünf äußerst schreckliche Emanationen versammelt hatte. Milarepa war so verwundert, diese Dämonen in seiner Höhle zu sehen, dass er keinen Schritt durch die Tür machen konnte. Er war von Schrecken erfüllt und begann das Mantra seiner Meditationsgottheit so schnell er konnte zu rezitieren. Dies machte es nur schlechter. Die Dämonen wurden immer größer und größer. Dann begann er auf die Selbstnatur als Gottheit zu meditieren und auch das verschlechterte alles nur. Dann begann er mit zornvollen Mantras und auch dies funktionierte nicht. Schließlich in völliger Verzweiflung erinnerte er sich an die hinweisenden Anweisungen, die sein Lama ihm gegeben hatte – dass alle Phänomene aus dem Geist entstehen und dass alle Erscheinungen nur die eigenen Projektionen sind. Dann trat er in das Gewahrsein der Natur der Leerheit ein, der Natur des Geistes, und sofort verschwanden sie, lösten sich auf. Dies ist eine sehr bekannte Geschichte von Milarepa, wie er die Dämonin vom Felsen seiner Höhle ein für alle mal beseitigte. Bis man realisiert, dass die Phänomene Projektionen des eigenen Geistes sind, kann man annehmen, dass wo immer man hingeht, es immer Dämonen, Geister und Probleme geben wird.

Dämonen und geistige Projektionen

Daher lehrte Milarepa, wenn jemand an die Existenz von äußeren Geistern glaubt, dann wird es leidvoll sein. Es ist durch diesen Glauben, dass es einen wahrhaft existierenden Geist gibt, dass dieses Leid von diesem Geist hervorgerufen wird. Wenn jemand andererseits versteht, dass es nur der Ausdruck des Geistes ist, dann ist der Dämon beseitigt und Leid oder ungünstige Umstände sind beseitigt. Das Realisieren der leeren Natur des Geistes ist die Bedeutung von Chöd. Durch das Durchtrennen oder Abschneiden des falschen Konzepts wird man von Leid befreit.

Aus den Belehrungen des Ehrw. Yangthang Rinpoche zum Thema Chöd. Übersetzt und zusammengestellt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2010)