Iceage: Ein langer Atem

Iceage: Ein langer AtemIceage
Strom, München, 27. November 2014
Fast mochte man ihn kurz in den Arm nehmen und trösten, denn die Laune war – wer wollte es ihm verdenken – nicht gerade die beste: Eine Stunde nach Konzertbeginn stand Elias Bender Rønnenfelt, Sänger der dänischen Noisepunk-Formation Iceage, schon wieder allein mit Zigarette und Bier vor dem Münchner Strom und sah ziemlich betreten drein. Nicht sein Abend, nicht der seiner Band. Eine Viertelstunde vor Programmbeginn hatte Kermit, die verfilzte Nervensäge, noch sein Lamento “It’s not easy beeing green” vom Band in die gähnende Leere singen dürfen. Und es wurde schnell klar, dass er mit seinen Problemen nicht allein war – ebenso schwierig dürfte es nämlich sein, mit den Erwartungshaltungen des Publikums klarzukommen. Noch schwieriger: Dass an einem Abend nur ganze siebzig (70!) Menschen kommen, die eine Erwartung dabeihaben. Und das bei einer Gruppe, die vor einigen Wochen eines der mutmaßlich besten Rockalben des Jahres vorgelegt hatte, deren mutiger Schwenk vom ohrenbetäubenden Lärm zu windschiefem, düsteren Rock’n Roll in allen führenden Musikplattformen und –magazinen hoch gelobt worden war. Wrong time, wrong place?
In der Rückschau betrachtet vielleicht, dennoch kann man sich ein kleines „Shame on you, Munich!“ nicht ganz verkneifen, gerade weil das dritte Album ein so gutes war und jetzt die spannende Frage im Raum stand, wie die vier Männer denn den deutlich facettenreicheren Sound wohl live hinbrächten. Nun, die Trompeten und Pianos von „Plowing Into The Field Of Love“ hatte jetzt ehrlicherweise niemand erwartet, trotzdem: Obwohl Iceage vornehmlich neues Material spielten, taten sie dies überwiegend noch im „Youth Brigade/You’re Nothing“-Modus, dem brachialen der Vorgänger also, der nicht viele der ungewohnten Zwischentöne zuließ. Die lässig arrogante Attitüde bei Rønnenfelt stimmte zwar – wirrer Blick, torkelnder Tanz – eine kleine Moshpit (bei der Zuschauerzahl schon eine Herausforderung) ließ sich auch bewerkstelligen, allein die Songs kamen etwas zu mächtig rüber. “What’s gone is best forgotten” lautet eine Textzeile aus “Let It Vanish”, man hätte der Band gewünscht, dass sie den Ratschlag auch selbst beherzigt. So konnten wunderbare Nummern wie “The Lord’s Favorite”, “Abundant Living” oder “Cimmerian Shade” leider nicht ihr komplettes Potential entfalten, weniger rohe Gewalt und etwas mehr Feingefühl hätten hier sicher gutgetan. Eine knappe Stunde, keine Zugabe, dann war’s vorbei – die Kiste mit den Shirts und Platten haben sie dann aber doch noch ausgepackt und Rønnenfelt hat wenigstens ein aufmunterndes Schulterklopfen bekommen. Manchmal braucht es eben einen längeren Atem…

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