Die Pariser Schauspielerin Eva Ionesco widmet sich in ihrer zweiten Regiearbeit einem schwierigen Thema. Irgendwie bekommen wir Beklemmungen, wenn wir darüber reden müssen. Ist das, worum es hier geht noch Kunst? Wie weit darf Kunst gehen? Wie geht man mit Kunst um, die eindeutig zu weit gegangen ist? Wie weit darf man gehen, bevor die moralische Gesellschaft zurück schlägt. Diese Fragen stellt "I'm not a F**king Princess" und beantwortet sie auf eine recht eigentümlich Art.
Hanah ist Künstlerin und stellt nach mehrfachen Fehlschlägen fest, dass sie nicht als Malerin geeignet zu sein scheint. Ein befreundeter Maler schenkt ihr eine Fotoaparat und gibt ihr damit zweifelsfrei zu verstehen, auf welchem Gebiet der bildenden Kunst sie sich wohl eher betätigen sollte. Hanah kniet sich total in diese neue Welt herein. Sie arbeitet so sehr an ihrer Karriere, dass sich ihre kleine Tochter Violetta vernachlässigt fühlt. Eines Tages nimmt Hanah ihre Tochter mit in ihr Atelier, um ihr zu zeigen, womit sie so viel Zeit verbringt. Aus einem minimalem Impuls heraus, macht Hanah ein Foto von Violetta und ihr fällt in diesem Moment die prickelnde und fast schon laszive Ausstrahlung ihres Kindes auf. So geht es weiter und die Fotos werden immer aufreizender, die Posen immer gewagter und die Kunstspezialisten immer erregter, angesichts dieser tabuträchtigen, aber ästhetisch hoch anspruchsvollen Kunstfotografien. Durch die Fotos wird Violetta regelrecht zu einem Kunstobjekt: Sie scheint sich rein äußerlich in eine lebende Puppe zu verwandeln und entfernt sich so immer mehr von ihrem Leben in der wirklichen Welt.
Dieser Film polarisiert das eigene Gewissen. Einerseits kann man sich der Faszination des Kunstgedankens nicht entziehen, andererseits will man bei manchen Szenen nicht hin sehen. Regelrechte Qualen durchlebt man, wenn die Mutter die kleine Tochter auffordert, sich auszuziehen, oder sich nicht so zu haben, ihre Beine zu spreizen. Keine Angst; der Film arbeitet sehr viel mit der Vorstellungskraft des Zuschauers und Darstellerin Anamaria Vartolomei zeigt nicht annähernd so viel nackte Haut, wie seinerzeit die echte Violetta. Beeindruckend ist der innere, wie auch äußere Wandel des kleinen Mädchens. Sie wird durch ihre Mutter zu einem lebenden Kunstwerk gemacht, und weil sie es in ihren jungen Jahren nicht besser weiß, nimmt sie die Rolle der Prinzessin in sich auf. Interessant ist auch die plötzlich zuschlagende Keule der gesellschaftlichen Doppelmoral. Erst werden die pikanten Fotos von der Kunstwelt und der Öffentlichkeit gefeiert und dann wird die Künstlerin verklagt und das Jugendamt steht mit wedelndem Zeigefinger vor der Tür. Plötzlich sagen alle: „Also, so geht's ja nicht!“ Der Film setzt außerdem sehr gekonnt passende Musik ein. Während der Foto-Shootings hört man stets eine sphärische Fläche von Klängen, wohingegen während der Szenen in der echten Welt kaum Musik zu hören ist und der Lautstärkepegel der Nebengeräusche enorm angezogen wird. Durch diesen hörbaren harten Unterschied, werden diese beiden Ebenen von Violettas Wahrnehmung wirksam getrennt.
„I'm not a f**king Princess“ ist harter Tobak, der sich der Thematik auf eine Leichtigkeit nähert, die schockiert und gleichzeitig fasziniert. Der Film ist auch gleichzeitig Tabubrecher und Gesellschaftsstudie. Einfacher wird es nach dem Kinobesuch auch nicht, über das Thema zu reden. Unser Alltag hilft, es zu verdrängen, aber im Kopf hört es lange nicht auf.
My Little Princess (F, 2011): R.: Eva Ionesco; D.: Isabelle Huppert, Anamaria Vartolomei, Denis Lavant, u.a.; M.: Bertrand Burgalat; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus
Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag, 12:25 Uhr auf Radio Lotte Weimar.