I had a Dream: KAV for Sale

Von Medicus58

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GTL | 11.2.2014 | Kommentare (0)

I had a Dream: KAV for Sale

Keine Ahnung was der Grund dafür war, zu schweres Essen, ein Glas zu viel, jedenfalls wachte ich heute nach einem gräßlichen Alptraum schweißgebadet auf. Nur schemenhaft kann ich mich noch an die Einzelheiten erinnern, aber ich bemühe mich sie aufzuschreiben, ehe sie sich wieder in mein Unterbewusstsein vertschüssen.

Bis gestern ging ich davon aus, dass sich die Rathausmehrheit sehr wohl bewußt wäre, dass sie ihre nunmehr fast 100 jährige politische Dominanz im "Roten Wien" im wesentlichen dem Dreigestirn Müllabfuhr, Gemeindebau und Krankenhaus verdankt. Steuermillionen für Jahrmarktsveranstaltungen wie das Donauinselfest oder den Eintraum sind dagegen eher neuzeitliche Marginalien. Oder im Umkehrschluss, dass ihnen die Wähler unter den Bürgern und Mitarbeitern der "stadtnahen Betriebe" abhanden kommen werden, wenn sie diese Bereiche nicht mehr besitzen.

Mit den knapper werdenden Budgets und den zunehmenden Belastungen der Spitäler durch die politisch abgefeierte Sanierung der Krankenkassen (http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=34434) wurde es natürlich immer schwieriger, die nicht unbeträchtlichen Summen aufzubringen, um die Standorte des Wiener Krankenanstaltenverbundes z(KAV) umindest am Laufen zu halten.
Aus politischer Rücksichtnahme auf die Parteifreunde in der Wiener Gebietskrankenkasse war es natürlich undenkbar, von dort einen größeren Beitrag für die ambulante Versorgung der Wiener in den KAV-eigenen Spitalsambulanzen zu fordern oder den Menschen einfach reinen Wein über die prekäre Lage einzuschenken und zuzugeben, dass die Vorhalteleistungen herunter gefahren werden müssen. Das war selbstverständlich außer Diskussion, es kommen immer wieder Wahlen.

Bis zu meinem gestrigen Traum, glaubte ich, dass man nur planlos vor sich hinwurstelte und war bereit sich mit der politischen Unfähigkeit abzufinden und auf bessere Zeiten zu hoffen. Zwischen den weißen Laken reifte aber die Erkenntnis, dass hier ein ganz anderes Spiel abläuft:
 
Die rege Bautätigkeit an vielen KAV Standorten
Von Imhotep zu den heutigen Deppen http://wp.me/p1kfuX-lh
Eine große Familie baut sich viele Häuser http://wp.me/p1kfuX-kg
Die Stadt Wien will nur das Beste für Patienten http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=67609

schien mir der unbeholfene Versuch einer Wirtschaftsbelebung nach den Konzepten der 70er Jahre zu sein. Heute im eigenen Angstschweiß aufwachend, sah ich plötzlich klarer:

Die letzten zwei bis drei Jahrzehnte waren davon geprägt, dass die Politik (in Ost und West) ehemals weitgehend geschlossene Kapitalkreisläufe (Verstaatlichte Industrie, Umlageverfahren im Pensionsversicherungssystem, öffentliches Gesundheitssystem, städtische Wasserwirtschaft, ...) für externes Kapital geöffnet, also entweder verscherbelt ("privatisiert") oder mit staatlicher Förderung die Menschen in den Privatbereich gelotst (Private Pensionskassen) hat. 
Der Mechanismus war immer der gleiche und kann in Reinkultur an russischen Oligarchen aber letztlich auch an der Kärntner Hypo studiert werden: Gesellschaftliches Vermögen wurde ohne demokratische Legitimation für Einmaleffekte an Private abgegeben, Gewinne wurden privatisiert, Kosten kommunalisiert.

Doch nun zu meinem Albtraum:

Wir schreiben das Jahr 2020. Das Spitalskonzept 2030 (die "wehsentliche" Wandlungen seiner Produktdeklaration http://wp.me/p1kfuX-K9) sind größtenteils umgesetzt und Wien strotzt vor lauter neugebauten, vom Fächerkanon aber ausgehöhlten Krankenhausstandorten.
Viel Geld wurde auf Empfehlung verschiedener Beraterfirmen in Neubauten investiert, da man sich durch die geringeren Erhaltungskosten auf längere Sicht enorme Einsparungen versprach. Dass diese versprochenen Einsparungen beim schon 2007 begonnenen Geriatriekonzept leider bis heute die Investitionskosten nicht hereingebracht haben, war nicht das Hauptproblem. Dieses besteht eher darin, dass man das Geld nicht hatte, das hier ausgegeben wurde und man dies durch irgendwelche PPP- oder Leasing-Konstrukte, Querfinanzierungen aus anderen Töpfen verschleiert, aber letztendlich durch nur Schuldenvermehrung aufbringen wird können.
Bei all den Ausgliederungen hat man das früher auch so gemacht, aber durch die strenger gewordene Budgetpfade wird es zukünftig nicht mehr möglich sein, sich durch weitere Kapitalaufnahmen ein weiteres Jahr drüber zu retten.

Ob die man diesen Weg aus Unvernunft, aus dem Bestreben sich des eigenen Personals, dessen man nicht mehr Herr zu werden glaubt oder bereits mit der festen Absicht auch das öffentliche Krankenhauswesen auf den Markt werfen zu können, begangen hat, konnte ich im Halbschlaf nicht mehr auseinanderhalten.

Jedenfalls lief alles auf den Punkt zu, wo sich die Politik auf das Trefflichste aus ihrer Verantwortung ziehen kann:
Die Alternativlosigkeit wurde erreicht, um das Gesundheitswesen nach deutschem Vorbild zu privatisieren.

In Deutschland hat zwischen 1991 - 2010 der Anteil der von der öffentlichen Hand betriebenen Krankenhäusern von 46 % auf 30,5% abgenommen (http://de.wikipedia.org/wiki/Krankenhaus).
In Österreich sind zwischen 1990 und 2009 in öffentlichen Krankenanstalten 20,5% der Krankenbetten reduziert worden und haben in profitorientierten Krankenanstalten um 92,5% zugenommen, bestehende Krankenhäuser der öffentlichen Hand wurden aber- vermutlich als Furcht vor politischen Reaktionen - noch nicht sichtbar privatisiert. 

Zwar wurde die
Betriebsführung ist zu einem großen Teil oder gänzlich an private Unternehmen abgegeben,
in den Strukturplänen gewinnbringende Schwerpunkte (Routineoperationen, Geburtshilfe, ...) in private Häuser verlagert oder
der Betrieb ambulanter Einrichtungen (Dialyse, ...) zwar von der öffentlichen Hand finanziert, aber von Dritten betrieben, ...

Von einzelnen lokalen Vorstössen einmal abgesehen, traute sich kein österreichischer Politiker zuzugeben, dass man die Krankenhäuser "gerne aus der öffentlichen Hand gibt", aber genau darauf steuern sie hin.

Nach all der hektische Investitionstätigkeit, diese Ein- und Vorgriffe auf Geld das man nicht hat und auch nie zurückzahlen kann und die bisherige Einbindung Privater schafft man sehr bewußt vollendete Tatsachen, die als einzige Alternative in die fast vollständige Privatisierung des Krankenhauswesens führen müssen.
"Fast vollständig" deshalb, weil es zwar eine gesetzliche Verpflichtung der Kommunen gibt, eine entsprechende Versorgung aufrecht zu erhalten, aber selbst Einrichtungen wie die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) es sich ohne weiteres leisten können, ohne Rücksprache mit anderen "ihren Versorgungsauftrag" selbst zu definieren. D.h. um das was nicht gewinnbringend ist, also z.B. "die Oma Osteomyelitis im diabetischen Fuß", wird sich der private Anbieter nicht wirklich prügeln, das darf ruhig weiterhin im öffentlichen Bereich liegen. Über die unkomplizierte Geburt freut sich der Verwalter schon mehr, denn da winken so lange Gewinne, so lange nicht eine komplizierte Nachbetreuung des Frühchens oder seiner Mutter anzusehen ist, jedoch fliegt dann ohnehin der Hubschrauber das öffentliche Spital an.

In meinem Traum sah ich das alles kommen,
die Gesundheitspolitiker, die sich eben noch für die enormen Investitionen in unsere Krankenhäuser abfeiern haben lassen und die sich nun mit Verweis auf die leeren Kassen freuen, die Häuser für einen symbolischen Euro in die professionellen Hände erfolgreicher Privatanbieter abgeben zu können,
und die Vertreter privater Krankenhauskonzerne, die sich zufrieden zurücklehnen können, weil sie ihre Aufgabe in der Führung und dem Aufsichtsrat der öffentlichen Krankenhausverbände erfüllt haben.

Der Titel dieses Beitrages entsprang einer Assoziation zu Cole Porters berühmten: Love for Sale http://en.wikipedia.org/wiki/Love_for_Sale_(song)

Links:

KAV http://wp.me/s1kfuX-kav/


Umstrukturierungen im Krankenhaus und ihre Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen
 http://www.forba.at/data/downloads/file/578-FORBA_FP%2005_11.pdf 

Haben Sie die Revolution verpasst? Die lautlose Diktatur des globalisierten und deregulierten Kapitals http://wp.me/p1kfuX-l1