Die Anreise nach Illeret hatte mich schon in gewisser Weise auf die Nacht in der Fora (siehe vorigen Artikel) eingestimmt: Ich lernte nämlich Victor kennen. Der sympathische junge Mann hat Landwirtschaft studiert, als er noch Bruder in Peramiho war. Jetzt arbeitet er für den staatlichen Veterinärdienst bei den Massai, dem berühmten Nomadenvolk im Grenzgebiet zwischen Tansania und Kenia. Deren Respekt hat er sich erst erarbeiten müssen. Dazu gehörte auch, bei den Massai draußen unter einer ungezieferverseuchten Lederdecke zu schlafen und mit ihnen Tee zu trinken, ohne sich um den Schmutz darin zu kümmern. Meine Gedanken dazu waren: “Hoffentlich gibt es in Illeret keine solchen Decken”, und: “Ein europäischer Tierarzt bei den Massai würde genauso reden.”
Besonders nett fand ich ein Erlebnis aus Victors Anfangszeit bei den Massai: Man rief ihn zu einer Kuh, die sich nicht auf den Beinen halten konnte. Er fand aber keine Symptome irgendeiner bekannten Krankheit, und sagte daher, “Wenn Kühe Alkohol trinken würden, würde ich sagen, die ist betrunken.” Eine Woche später klärte man ihn dann auf: Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, die Massai hatten der Kuh Bier vorgesetzt, um ihn auszutesten.
Das Ungeziefer ist mir bei den Nomaden zum Glück erspart geblieben, und ob das Essen oder der Tee schmutzig waren, konnte ich in der Dunkelheit nicht sehen. Nach der Rückkehr wurde ich in Illeret etwas spöttisch gefragt, ob ich den Ausflug genossen hätte. Vin, der als Helfer des Lastwagenfahrers nicht gerade ein bequemes Leben hat, ist überrascht, dass ich bejahe. Er lebt schon ein paar Jahre in Illeret und war nur zweimal “draußen”. Gefallen hat es ihm nicht – “nicht hygienisch genug”, sagt er.
Die Gespräche mit Vin und Victor führen mir vor Augen, dass ihr Lebensstil und ihre Vorstellungen deutlich näher an europäischen Vorstellungen liegen, als an denen ihrer nomadischen Landsleute.
Das Foto zeigt eine Nomadenfamilie beim Umzug – der ganze Hausrat passt auf drei Esel.
Hygienestandards
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.