Der Kampf um Wasser spitzt sich weltweit zu, ob in Nahost, China oder Südamerika. Auf ihrer Reise für den ZDF-Zweiteiler “HUNGER!” und “DURST!” begegnen Claus Kleber und Angela Andersen kleinen Dieben und gigantischen Projekten, die nur ein Ziel haben: Wasser für den nächsten Tag organisieren.
Die hübsche, so nachdenklich schauende Hiba ist für uns das Gesicht des zweiten Teils unserer Dokumentation “DURST!” geworden! Im Verteilungskampf um das rare Wasser des Nahen Ostens war Hiba von Geburt an gleich mehrfach im Nachteil. Sie ist die Tochter von Abu Nahar, einem palästinensischen Nomaden in der von Israel besetzten West-Bank.
Ihre Familie lebt nur geduldet auf dem Land des Dorfes Fasayel nördlich von Jericho. Das Stück trockener Erde, auf dem ihre Zelte stehen, dürfen sie nutzen. Wo sie aber das Wasser zum Leben und für Abu Nahars bescheidene Gemüse-Beete herbekommen, müssen sie selbst sehen. Von Fasayels Kontingent bekommen sie nichts. Das Dorf hat selbst nicht genug. So wird Abu Nahar jeden Tag zum Wasser-Dieb, der sich nicht erwischen lassen darf.
Es muss ein Ausgleich gefunden werden
Angela Andersen und ich haben das Schicksal dieser Familie kennen gelernt. Und auch das alltägliche Dilemma des Nahost-Konfliktes: zwei immer schlimmer verfeindete, durch die Geschichte aneinander gekettete Völker kämpfen um das selbe schmale, karge Stück Land. Auch Israel hat Gründe dafür, “sein” Wasser mit allen Mitteln zu verteidigen. Israel kann ohne das Wasser des ausblutenden Jordan-Flusses und ohne die Grundwasser-Reserven unter der Wüste der West-Bank nicht existieren. Es ist nicht leicht, sich in diesem existentiellen Konflikt für eine Seite zu entscheiden.
Am Ende muss auch hier ein Ausgleich der Interessen gefunden werden. Aber das hören, sagen und schreiben vernünftige Menschen seit Jahrzehnten über den Konflikt im heiligen Land. Rufer in der Wüste – buchstäblich. Wie die NGO “Friends of the Earth Middle East ( FoEME)”, die unermüdlich Grundlagenforschung betreibt und Konzepte für eine gemeinsame Nutzung erarbeitet.
Durst gibt es rund um den Globus
Verständigung und Zusammenarbeit – was für ein ausgeleiertes Mantra! Das darf nicht sein. Kompromisse und Kooperation sind unersetzlich bei Wasser, dem Ursprung allen Lebens. Nicht nur im Heiligen Land. Genau so entlang des Nils, rund um die Gletscher des Himalaya, im Süden der Sahara, in Südamerika am Fuß der Kordilleren.
Es klingt wie eine Binsenweisheit, dass Wasser unersetzlich wertvoll ist. Aber einem, der im regensatten Deutschland aufgewachsen ist, fällt es nicht leicht, diese Bedeutung mit ihrer ganzen emotionalen Wucht zu begreifen. Ehrlich gesagt, waren für mich die Wüsten der Welt eher Traumziele mit magischen Namen – Llano Estacado, Gobi, Sahara, Atacama – als eine existentielle Bedrohung. Wenn nicht gerade eine Dürre-Katastrophe die Nachrichten beherrscht, beruhigen wir uns mit dem Gedanken, dass die Völker dort sich seit Jahrhunderten an diese Natur angepasst haben und mit ihr schon irgendwie fertig werden.
Peking geht das Wasser aus
Aber Natur ist nicht statisch. Wir Menschen sind es auch nicht. Und beide sind wir auf Kollisions-Kurs. Die Menschheit greift immer mehr Raum mit immer höheren Ansprüchen. Und Wüsten sind auf dem Vormarsch. Alle drei Jahre “erobern” sie ein Gebiet so groß wie Deutschland hinzu.
China, die am schnellsten wachsende Wirtschafts-Großmacht der Erde, wehrt sich mit aller Macht gegen diese Zangengriff. Jedes Jahr greifen die Ausläufer der Wüste Gobi mit wochenlangen Sandstürmen tiefer hinein nach Beijing. Der 20-Millionen-Metropole bricht das Grundwasser weg. Immer tiefer ist danach gebohrt worden, jetzt gehen die Vorräte zur Neige. Wir zeigen in “DURST!” zum ersten Mal Luftaufnahmen des gewaltigen Kanalsystems, mit dem China die Wasserverteilung auf dem asiatischen Kontinent neu ordnet. Es ist das größte Infrastrukturprojekt der Geschichte und China hat es nahezu verheimlicht – aus Angst vor Kritik.
Die große Herausforderung: Wasser für alle
Und tatsächlich gibt es an der South-North-Diversion viel zu kritisieren. Die Folgen für Umwelt und Menschen waren offenbar von Anfang an gleichgültig. Und schon jetzt – unmittelbar nach der Fertigstellung der größten Teile – liefert das gigantomanische Projekt nicht mehr genug Wasser für Peking. Vielleicht wird China seine Hauptstadt noch verlegen müssen. Die Frage ist nur, wohin? China hat insgesamt zu wenig Wasser, um seine Zukunft zu sichern.
Wir stehen am Anfang des 21. Jahrhunderts, auf den Schultern von Riesen. Nie zuvor hatte die Menschheit so viel Macht, Know-how und technische Power wie jetzt. Und trotzdem bedarf es einer gewaltigen, gemeinsamen Anstrengung, um Hiba und Menschen von Beijing bis Sub-Sahara das zu geben, was sie zu allererst brauchen: Wasser. Das ist zu schaffen, aber es wird nicht vom Himmel fallen.
Quelle: http://www.heute.de/zdf-dokumentation-durst-geht-den-folgen-der-knappen-ware-wasser-nach-35817212.html