Freilich aber umsäuseln solche Überlegungen nur die Spitze des Eisbergs, taucht man unter, tut sich erst der volle Wulst teigig-gärender und grobstofflicher Verfilzungen auf. Denn was alles hängt bei einer Bäckerei dran! Bevor da überhaupt eine öffnet, wird nicht selten – weil auch planungssichernd – über einen Kredit verhandelt. Das erste Gebäck fluoresziert da noch vor der Pforte eines zwischen zwei ad hoc menstruierenden Spiralgalaxien umherguckenden Wurmlochs. Also, es existiert schon, das Croissant, aber in einer Parallelwelt, die man vielleicht bekifft erahnen kann, wenn man einem smarten Constulter beim Kopfen zusieht. Und zieht jener den zukünftigen Bäckerei-Eigentümer über den Tisch, beißt man von seinem Brot den einen oder anderen von der Geschäftsführung notgedrungen aufgeschlagenen, imaginären und per Gierdekret erworbenen Consulter-Cent mit ab.
Wir machen einen kometenähnlichen Flug über den an die Wand gemalten Bäckereibau oder deren Einquartierung in eine flugs aufgestellte Shoppingmeile hinweg, und nehmen die Schürzen der Verkäuferinnen genauer unter die Lupe. Zwar ist am rechten Schulterträger das rote Tirol-Logo aufgenäht, dafür haben diese im Batgirl-Design geschnittenen Sexydinger auf ihrer Schiffsreise durch den indischen Ozean und den Suezkanal schon mehr von der Welt gesehen, als ein paar öde Dreitausender, deren Gletscher bereits zittern, als würden sie sich gerade Fred Zinnemanns "Zwölf Uhr mittags" als Lichtspiel am flimmernden Firmament reinziehen. Apropos: In Taiwan dürfen nun viele Kinder endlich unbezahlten Urlaub machen, da dort der Baumwollstoff rar geworden ist. Grund: Die Bundesregierung bestellte nach dem Tirol Werbung-Coup für das Heer eine verheerend große Anzahl an Halstüchern der Sorte "John Wayne", um allzu schlau glotzenden Rekruten einen sinnvollen Identifikationsaspekt zu injizieren. Wo waren wir? Ach ja! Die Schürzen! Als die Verkäuferin sich vier Mal rasch die Hände an der ihrigen abtätschelte, wusste ich natürlich nicht, ob das eine energieentladende Geste, und deshalb nervösen Ursprungs war. Versuchte sie Zeit zu gewinnen?
"Ein Croissant und ein Schokocroissant – macht 3,01 Euro!" In diesem Moment war ich die Hyde-Version von Gary Cooper. Ich zog nicht schnell, dafür schmierig und ohne spockisierende rechte Augenbraue meinen frisch bankomatgezogenen Zehner aus dem durchsichtigen Plastikschoner-Portemonnaie. Von mir aus, dachte ich (beziehungsweise: mit mir nicht!) Die Steigung spannte sich, als ich der jungen Frau den sorgfältig aufgeklappten Schein über den Tresen reichte. Hatte ich eben keine Vorsorgerechnung angestellt, denn wie die Schularithmetik verklickerte, macht 1,22 Euro (Croissant) und 1,79 Euro (Schokocroissant) im Gesamten – richtig. Und nicht 3,05 oder 3,10 – oder faderweise 3,-. Ich weiß nicht mehr genau, wieviel ich an Rückgeld erhielt, ich habe es verdrängt und verdränge es noch immer, doch nachträglich betrachtet fühlten wir uns beide in dieser Situation nicht ganz wohl.
Im Kapitalismus ging es zumeist nur einer Seite schlecht: Wie jenen Menschen, die kaum "Marie" hatten, und somit vom materialistischen Wertesystem manierlich missachtet werden konnten (aber denen man trotz alledem den letzten Groschen aus dem Sack lupfte). Im Gegensatz dazu schafft es der "Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es uns allen schlecht"-Neoliberalismus neben einer aufwieglerischen Gleichschaltung nun auch für eine klausulierte Preisgestaltung zu sorgen, und so durch geschickte Hundertstelcentisierung gerne eine zwanghafte Handlung bei einer der beteiligten Personen provozieren, die in obigen Fällen entweder eine Auf- oder Abrundung des Betrags zur Folge haben kann. Ich nenne das Schüren liberaler Kälte. Wenn die Freiheit einer Entscheidung systemgedungen manipuliert wird.
Das "0,61 Cent-Croissant" – die Hundertstelcentisierung ist auch privat anwendbar.
Aus meinem Plastikschoner-Portemonnaie zog ich den Zehner.