Neulich durfte ich nach der Mittagspause eine Mutter auf dem Parkplatz vor der Praxis beobachten, wie sie ihr Kind “kinderarzttauglich” machte. Ich komme oft zu Fuß, deshalb habe ich die Parkplätze auf dem Weg im Blickfeld, dann und wann sehe ich bereits, wen ich nachher in der Praxis treffe.
Das Kind wurde gestylt. Die Mutter hatte einen Kleiderroller dabei, hobelte damit die Jacke des Mädchens ab, dann war die Haarbürste dran, Haare nach links, Haare nach rechts, Seitenscheitel ziehen, weiterkämmen. Schließlich wie bei UnserOmma mit etwas Spucke auf dem Finger die Augenbrauen geglättet, die restlichen Fuseln vom Kragen gepickt und den Schokoladenfleck von der Wange gewischt. Blitzeblankepropper.
Ich finde das sehr rührig, und beim Weiterlaufen dachte ich mir, wie andere wohl ihre Kinder vor dem Kinderarztbesuch vorbereiten. UnserOmma hat gesagt, man solle immer eine frische Unterbuxe anhaben, “man kann ja ma´ plötzlich ins Krankenhaus kommen”, keine Ahnung, ob das Gegenteil in dieser Generation usus war, um das so hervorzuheben, oder ob sie uns wirklich ins Gewissen geredet hat.
Frisch gebadet oder geduscht, bevor man zum Arzt geht, das kenne ich so noch selbst, aber ist das auch heute noch so? Wenn ich hier manche Kinder mit, naja, sagen wir mal “heavy used” Hosen und T-Shirts sehe, mit Bremsspuren an passenden und unpassenden Stellen, Socken mit Löchern und Füßen mit Trauerrand, dann bezweifle ich das mitunter. Und es sind nicht immer “die” sozialen Schichten, die so auftreten, bei den anderen heißt das es dann nur “kommen grade vom Sandkasten” oder “der zieht morgens gerne die gleichen Klamotten wie vom Tag vorher an” oder “na, Bernhard, hast Du Dich wieder alleine angezogen?”, wenn die Unterhose komplett fehlt.
Von verkrümeltem Mund oder klebrigen Fingern möchte ich gar nicht erst anfangen, das gab´s schon mal an anderer Stelle.
Sind doch Kinder…, oder?
Ja sicher.
Als Kinderarzt darf ich mich über diese Dinge nicht aufregen. Kinder sind eben pappig, schnuddelig, haben verfilzte Haare und schwarze Fingernägel, Krümel zwischen den Zähnen und Dreck in den Ohren (gegen letzteres habe ich wirklich nichts, wer die Ohren zu sehr q-tippt, schafft sich nur Cerumenpfröpfe und verdreckt die Ohren noch mehr).
Also gut. Bin ich großzügig. Genauso, wie ich Geschreie und Holzklötzchengewerfe im Wartezimmer tolerieren sollte. Oder, dass Rob-Calvin alle Mundspatel einzeln abschleckt und fein säuberlich (No!) auf dem Boden verteilt. Lässt sich doch alles aufräumen. Und die anderen drumherum tolerieren das zudem, sind auch alles Kinder und ihre Eltern.
Neinnein, ich bin schlicht ein bescheidener Arzt, der sich freut, Körper zu untersuchen, die einem Mindestmaß an Sauberkeit genügen. Dies schließt übrigens vor allem die Abwesenheit von Essensresten (Brezelstücke, Milchreste, rote Farbe von Lollies oder Himbeereis) und zumindest einen neutralen Körpergeruch ein. Womit ich übrigens am wenigsten Probleme habe – JA! Sprechen wir drüber! – … volle Windeln. Das ist das Schicksal des Kinderarztes. Der Kleinsten´ Murphy´s Law impliziert nämlich grundsätzlich lebhafte Darm- und Blasentätigkeiten. Ausnahmen: Volle Windeln mit … entsprechenden Resten, die beweisen, dass der letzte Wechsel ein paar Stunden zurückliegt.
Achja: Neben hübsch gemachten Kindern sind mir außerdem solche am liebsten, die überhaupt wissen, dass sie zum Kinderdok gehen, untersucht werden, vielleicht auch eine Spritze bekommen. *Die* Vorbereitung ist die entscheidende.
Da hält das Vertrauen zwischen Kind, Eltern und Arzt am Ende viel länger, als eine Spuckefaden zieht.
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