Von Stefan Sasse
In der aktuellen Ausgabe von "Extra Credits", einer Videoserie die beim Onlinemagazin "The Escapist" erscheint und irgendwelche Phänomene der Gamingkultur untersucht, behandelt diese Folge "Free Speech and Gaming" (s.u.). Man könnte meinen, die beiden Phänomene passen nicht sonderlich gut zusammen, und man könnte auch meinen, dass sie kaum Relevanz für das alltägliche Leben derer haben, die keine Videospiele spielen. Letzteres mag vielleicht sogar sein, aber zumindest ersteres ist falsch, und die Affäre bietet uns einige interessante Anhaltspunkte für einen Systemvergleich. Worum geht es?
Bekanntlich sind gewalttätige Computerspiele (im englischen Sprachgebrauch solche mit "obscene content", im deutschen Sprachgebraucht "Killerspiele") ein ständiger Anlass, nach Verboten zu schreien, die oftmals sogar von solchen Leuten vertreten werden, die sonst eigentlich ganz vernünftig sind. Das liegt meist daran, dass die von dem Medium wenig Ahnung haben. In den USA haben immer wieder Bundesstaaten versucht, Verbote gegen diese Art Spiele zu machen, und sie sind regelmäßig damit gescheitert, weil das erste Ammendment die Meinungsfreiheit schützt und damit auch das Recht, Spiele zu machen in denen Leuten das Hirn weggeblasen wird.
Kalifornien hat aber nun einen neuen Weg gewählt, ein solches Verbot durchzubekommen: anstatt auf "obszöne" Inhalte zu verweisen und damit den so genannten "Miller-Test" bestehen zu müssen, an dem bisher noch zuverlässig jedes entsprechende Gesetz gescheitert war, argumentieren sie, dass diese Spiele Jugendlichen und Kindern schaden könnten. Mit dieser Argumentation sind sie nun vor dem Obersten Gerichtshof gelandet, dem nun die Entscheidung obliegt. Die Konsequenzen sind schwerwiegend: wenn der Oberste Gerichtshof im Sinne Kaliforniens entscheidet, wird es für Publisher zum unkalkulierbaren Risiko, entsprechende Spiele zu machen, die in Folge wahrscheinlich bald vom Markt verschwinden werden. Wir müssen uns im Einzelnen gar nicht mit der Argumentation von "Extra Credits" beschäftigen, die natürlich dagegen ist und der auch voll zuzustimmen ist. Viel interessanter ist, dass die ganze Affäre für einen Deutschen eigentlich nur einen verständnislosen Blick hervorrufen kann, denn bei uns ist das ganz normal.
Von Anfang an hat die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften", die bislang für das Zensieren von Büchern und Comics zuständig war aufgrund der etwas fadenscheinigen Begründung, dass Programme letztlich auch (Programmier-)Text sind die Kompetenz für die Prüfung von Computerspielen an sich gerissen. Die Folge war, dass der deutsche Markt der einzige weltweit ist, für den gewalttätige Spiele entschärft werden. Das haben die Publisher bisher in den überwiegenden Fällen gemacht, da der Markt entsprechend groß ist. Besteht ein Spiel die Prüfung der Bundesprüfstelle nicht, so wird es "indiziert". Das bedeutet einen effektiven Bann des Spiels, da es nicht mehr beworben oder Jugendlichen zugänglich gemacht werden darf, wofür effektiv bereits Sichtkontakt reicht. Es ließe sich also nur noch als Bückware verkaufen, was sämtliche große Ketten wie Media Markt aber nicht machen - der deutsche Markt ist diesem Produkt also verschlossen. Seit dem Siegeszug der Videospiele und dem zunehmenden öffentlichen Problembewusstsein heißt die Prüfstelle jetzt übrigens "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" und hat damit Zugriff auf praktisch alles.
Für uns Deutsche ist völlig normal, dass der Staat den Verkauf von bestimmten Videospielen an Kinder verbietet. Wir kennen das gar nicht anders, und uns würde nie in den Sinn kommen, das unter Meinungsfreiheit fallen zu lassen. Die Amerikaner sind da offensichtlich anders.