Hörspielrezension: «Gruselkabinett Folge 123: Die Zeitmaschine» (Titania Medien)

Am vergangenen Freitag veröffentlichte Titania Medien mit Gruselkabinett Folge 123: Die Zeitmaschine das dritte von insgesamt vier Hörspielen, die das Label auf Basis von Romanen des SF-Pioniers H.G. Wells dieses Jahr im Rahmen seiner Reihe Gruselkabinett präsentieren wird. Vorausgegangen waren Folge 120/121: Der Unsichtbare und Folge 122: Die Insel des Dr. Moreau; den Abschluss markiert Folge 124/125: Der Krieg der Welten am 25. August 2017. Doch bevor die Außerirdischen über die Erde herfallen, steht nun erst einmal eine Reise in die ferne Zukunft auf dem Programm, die jedoch Ende des 19. Jahrhunderts ihren Ausgang nimmt.

Hörspielrezension: «Gruselkabinett Folge 123: Die Zeitmaschine» (Titania Medien)

Im viktorianischen England des Jahres 1894 staunen die beiden Gäste eines Wissenschaftlers nicht schlecht, als dieser ihnen eröffnet, dass es seiner Meinung nach nicht nur theoretisch möglich sei, sich in der Zeit zu bewegen, sondern er vielmehr sogar eine Maschine gebaut habe, mit der Reisen in der vierten Dimension möglich seien. Als Beleg für die der Richtigkeit seiner Behauptungen lässt er zunächst ein funktionstüchtiges Modell der Zeitmaschine vor den Augen der Anwesenden zu einer Zeitreise aufbrechen und präsentiert ihnen anschließend sogar das Original. Doch seine Freunde bleiben weiterhin skeptisch. Kurzentschlossen beschließt der Zeitreisende daraufhin, als Beweis selbst einen Trip in die Zukunft zu unternehmen. Dieser wird ihn ins Jahr 802701 führen...

Wells' Roman erschien erstmals 1895, die Filmadaption aus dem Jahre 1960 (Regie: George Pal) ist einer der Klassiker des Science-Fiction-Kinos. Und an beidem hat sich Titania bei seiner Version von Die Zeitmaschine orientiert: Die Beschreibung der Zeitmaschine und insbesondere das Cover verweisen eindeutig auf den Film, während es Wells' Sozialkritik - verpackt in die Überlegungen des Zeitreisenden über die Gründe für die Aufspaltung der Menschheit in Eloi und Morlocks - es vom Buch ins Hörspiel geschafft haben. Und auch jene Szene, in der der Zeitreisende sogar noch weiter in die Zukunft reist, ist enthalten. Die Werktreue in diesen Punkten freut den Kenner der literarischen Vorlage natürlich - umso scherzhafter vermisst man darum jene Kapitel des Romans, die bei dessen Vertonung unter den Tisch gefallen sind. Davon, dass der Protagonist die Relikte der inzwischen untergegangenen Zivilisation untersucht, ist nun nicht mehr die Rede. Auch der Blick auf die unterirdische Welt der Morlocks fällt sehr knapp aus. Und wer darüber hinaus erleben möchte, wie die Morlocks dem Zeitreisenden und Weena nachts im Wald nachsetzen, muss dafür das Buch oder alternativ die vom Splitter Verlag seit Anfang Juni 2017 angebotene Comicadaption lesen. Indem Titania die Handlung des gerade einmal 150 Seiten umfassenden Romans auf das Notwendigste reduziert, passt Die Zeitmaschine mit ca. 58 Minuten Laufzeit zwar problemlos auf eine Einzel-CD. Doch deren Kapazität von um die 80 Minuten hätte man eingedenk des Stellenwerts, den dieser Roman besitzt, wenigstens ausschöpfen können. Werktreue beweist das Hörspiel hingegen in Sachen Erzählperspektive: Sowohl das Buch als auch seine Vertonung beginnen und enden mit Filby als Erzähler; den Hauptteil der Handlung agiert der Zeitreisende in dieser Funktion. Der Erzähleranteil fällt bei dieser Produktion recht hoch aus, und bisweilen bewegt sie sich schon an der Grenze zur inszenierten Lesung. Auch auf diese Weise spart die Produktion zwar Laufzeit, nimmt dabei jedoch in Kauf, dass dem Publikum von Ereignissen eins ums andere Mal lediglich berichtet wird, anstatt den Hörer das Geschehen unmittelbar erleben zu lassen. Der Dynamik des Hörspiels sind ausgedehnten Erzählerparts leider sehr abträglich, so dass als Konsequenz daraus die Hörerschaft zwar immer noch ein recht interessantes Hörspiel erlebt, jedoch kein übermäßig spannendes.

Besetzt hat Titania die Hauptrolle des Zeitreisenden mit Sascha von Zambelly, der es versteht, die unterschiedlichen Facetten der Figur hörbar herauszuarbeiten. Man nimmt ihm den angesichts der Möglichkeiten der Zeitreise euphorischen Wissenschaftler ebenso ab, wie auch die Enttäuschung, die sich im Zeitreisenden breit macht, als er die Zustände im Jahr 802701 vollends realisiert. Von Annina Braunmiller-Jest ist als Weena dagegen in erster Linie naive Unschuld in der Stimme gefragt, in die sich immer wieder auch Ängstlichkeit mischt. Beides liefert die erfahrene Sprecherin mühelos. Claus Thull-Emden ist ein sympathischer Filby zu dem Matthias Lühn als ewiger Skeptiker Gregson einen schönen Kontrast bildet. Der fürsorglichen Haushälterin Mrs. Watchett verleiht das Spiel von Marianne Mosa die nötige Statur. Die Soundkulisse bestimmen weitgehend dezente Geräusche, doch diese reichen absolut aus, um vor dem inneren Auge des Hörers ein plastisches Bild von der Welt des Jahres 802701 zu erzeugen. Für den musikalischen Rahmen kommen mit Geigen oder Flöten klassische Instrumente zum Einsatz, wie sie von einer Geschichte, die im viktorianischen Zeitalter ihren Anfang nimmt, zu erwarten waren. Einen besonderen Akzent setzt die Produktion jedoch durch einen Chor, dessen Stimmen im Verlauf des Hörspiels mehrfach zur wirkungsvollen Unterstützung der Stimmung eingestreut werden. Rein akustisch weiß das Hörspiel also durchaus zu gefallen.

Manche Hörer, die durch Gruselkabinett Folge 123: Die Zeitmaschine zum ersten Mal mit Wells' Geschichte vom Zeitreisenden in Berührung kommen, werden sich hinterher vielleicht die Frage stellen, warum ausgerechnet dieser Roman als Klassiker des SF-Genres gehandelt wird. Verdenken könnte man es ihnen nicht. Titanias Adaption des Stoffes schlägt über weite Stecken eine bedächtige Gangart ein und gibt sich von der Tonlage her unaufgeregt. Mag es auch der Vorlage entsprechen, dass der Protagonist im Hörspiel in erster Linie die Position eines kultivierten Beobachters einnimmt, machen seine weitgehend nüchternen, in ausführlichen Erzählerpassagen vermittelten Schilderungen aus dem Hörspiel eine eher leidenschaftslose Angelegenheit. Zumal Elemente des Buches, die zur Dynamik beigetragen hätten, bei der Vertonung keine Beachtung fanden. Vor dem Hintergrund dieser Hypothek können auch die guten Sprecherleistungen sowie der ansprechende Klangraum nicht darüber hinwegtäuschen, dass Gruselkabinett Folge 123: Die Zeitmaschine zu deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, um als wirklich überzeugende Hörspieladaption dieses berühmten Science-Fiction-Romans gelten zu können.

Gruselkabinett Folge 123: Die Zeitmaschine ist ein Hörspiel von Titania Medien. Seit dem 30. Juni 2017 ist es im Handel erhältlich.


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