Mit seinem Roman legte Herbert George Wells im Jahre 1895 den Grundstein für eines der populärsten Themenfelder der Science-Fiction überhaupt: die Zeitreise. Seither haben Autoren in Romanen, Filmen, TV-Serien, Comic und Hörspielen ihre Figuren immer wieder in die Vergangenheit und/oder die Zukunft geschickt, um sie dort spannende Abenteuer erleben zu lassen. Und um nicht zuletzt auch der Frage nachzugehen, ob sich der Lauf der Geschichte tatsächlich ändern lässt. Am 1. Juli 2015 ist beim Berliner Verlag Periplaneta das Hörspiel Die Zeitmaschine von Hank Zerbolesch erschienen, das im November 2014 seine Premiere als Livehörspiel erlebte und sich des Themas der Reise durch die Zeit auf seine ganze eigene Art und Weise annimmt.
Insgesamt 133 Minuten Laufzeit hat dieser Trip durch Zeit und Raum, den der Verlag auf der Rückseite des Digipacks als ein "avantgardistisch-anarchisches Hörspiel" beschreibt. Doch wenngleich es sich zweifellos um ein Hörspiel handelt, so hat der Verlag dem Werk und seinem Autor mit dieser Charakterisierung keinen Gefallen getan, weil die verwendeten Adjektive eindeutig falsche Assoziationen wecken. Die Zeitmaschine ist nämlich kein elitär-verkopftes Hörstück, das sich jeglichen Konventionen des Genres verweigert, sondern vielmehr eine clevere Zeitreise-Satire, deren Humor oft leichtfüßig, bisweilen allerdings auch richtig schwarz ausfällt. Das ist nicht unbedingt jedermanns Fall, zumal die Geschichte weder vor Begegnungen des zeitreisenden Trios mit dem "Zimmermann" aus Nazareth, noch vor einer mit dem Gröfaz haltmacht. Aber auch Größen wie C.G. Jung oder Sigmund Freud werden durch den Kakao gezogen; und wir lernen, was Leonardo da Vinci eigentlich ursprünglich zeichnen wollte, ehe er sich umentschied und die Mona Lisa schuf. An Ideen hat es Hank Zerbolesch wirklich nicht gemangelt, der zudem ein Gespür für die Alltagskultur in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre beweist. Vielleicht waren es unterm Strich ein paar Ideen zu viel, die er in sein Hörspiel hineingepackt hat, denn mit zweieinviertel Stunden Spielzeit ist Die Zeitmaschine etwas üppig ausgefallen. Die Protagonisten springen von A nach B und C, treffen (mal freiwillig, mal unfreiwillig) auf die historischen Persönlichkeiten X, Y, Z und hinterlassen ihre Spuren. Mit der Zeit hat man als Hörer raus, wie der Hase läuft, und eine gewisse Gleichförmigkeit im Aufbau der Szenen wird spürbar. Während in einem der Wunsch nach dem Finale der Handlung immer größer wird, baut Zerbolesch noch weitere Schlenker ein, die es zum Gelingen der Geschichte nicht unbedingt gebraucht hätte. Wenn das Finale dann endlich ansteht, ist es stimmig, wenngleich etwas unspektakulär, denn das, was Mutter Magdalena Leid ihren Söhnen enthüllt, ist dem Hörer zu diesem Zeitpunkt längst klar.
Was die Besetzung angeht, so hat der Autor die Rolle des Sigmund Leid selber übernommen, an seiner Seite ist Johannes Floer als Carl-Gustv Leid zu hören. Die gereifte Magdalena Leid spricht David Becher aka. Gerlinde Buschermöhle, deren junge Version Lisa Schøyen. Als die nie um einen Spruch verlegene KI Marvin ist Michael Heide zu hören. Für weitere Rollen konnte man u.a. Künstler wie René Sydow Jan-Philipp Zymny oder David Grashoff gewinnen. Dem eingefleischten Hörspielnerd werden diese Namen wahrscheinlich nichts sagen; doch wer sich für Kabarett, Vollplayback-Theater oder Poetry-Slams interessiert, dem geht es da anders. Und wessen Ohren auf die Sprech- und Spielweise der allgegenwärtigen Riege der Synchronschauspieler gepolt sind, mit denen in der Regel die Rollen in kommerziellen Produktionen besetzt werden, braucht ein wenig Gewöhnungszeit. Ohne Frage ist es aber schön, einmal unverbrauchte Stimmen zu hören, die ihren Figuren Profil geben und deren Stil gut zum Charakter dieses Hörspiels passt, das auf die Wirkung seiner Dialoge setzt und auf akustischen Bombast verzichtet. Entsprechend zurückhaltend ist die Soundkulisse von Michael Kühn, welche jedoch den Szenen trotz allem eine passende Atmosphäre gibt.
Die Zeitmaschine wird von Periplantea als Download und auf CD angeboten. Da man auf eine MP3-CD setzt, kommt man mit einer einzelnen Scheibe aus, die in einem in auffälligem Orange gehaltenen Digipack daherkommt. Neben den Stabangaben finden sich unter dem transparenten Tray noch einige Fotos der Hauptsprecher. Die CD selbst ziert das Spiralmotiv, das auch auf dem Cover zu sehen ist. Alles macht einen wertigen Eindruck und wegen der augenfälligen Farbgebung ist es auch kein Problem, diese CD später im Regal schnell wiederzufinden.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mir Die Zeitmaschine ursprünglich gar nicht anhören wollte, denn sowohl die oben genannte Charakterisierung des Hörspiels seitens des Labens, noch die Trailer, die von Periplantea online gestellt wurden, waren dazu geeignet, mein Interesse zu wecken. Dass ich der Produktion dann doch eine Chance gab, habe ich nicht bereut. Die Art von Humor, die hier an den Tag gelegt wird, hat mich angesprochen und gut unterhalten. Darum konnte ich Die Zeitmaschine als eine willkommene Abwechslung zum sonst üblichen Umgang mit dem Thema Zeitreise genießen, der in der Mehrheit ja eher action-orientiert ist. Nichts gegen Action, aber Zeitreise-Hörspiele dieser Art gab und gibt es schon eine ganze Reihe. So etwas wie das, was Hank Zerbolesch jetzt vorgelegt hat, ist mal etwas anderes. Und meiner Meinung nach etwas, dem man wirklich eine Chance geben sollte. Und wer ohnehin auf der Suche nach einem Hörspiel ist, das sich vom Mainstream abhebt, wird mit Die Zeitmaschine seinen Spaß haben.
Die Zeitmaschine ist ein Hörspiel von Hank Zerbolesch, erschienen bei Periplantea. Es ist als MP3-CD und als Download erhältlich.