Die Lust auf Angst packt viele Kinogänger. Mit einer gewissen Distanz blickt man auf die Leinwand und verfolgt, sich gruselnd, wie andere Menschen in bedrohliche Situationen geraten. Da ist die Blondine, die immer wieder die Treppenstufen des Hauses hinauf flüchtet, nur um dem Killer eine unverfehlbare Chance zu bieten, sie in der Falle sitzend aufzuschlitzen. Da ist die Meute von Teenagern, die sich ein Wochenende in einem abgelegenen, einsamen Waldstück betrinken wollen, nebenher noch reichlich tête-à-tête betreiben, nur um zwischen den dunklen Baummassen in Stücke zerlegt zu werden. Das ist der klassische Horror – inzwischen in vielerlei Variationen ausgelebt: im Found Footage wirkt alles wie dokumentarisch festgehalten, im Slasher geht es mehr um Blut denn um den Gruselfaktor, im Torture Porn soll es möglichst einfallsreich zum Tode der Protagonisten kommen. Der Horrorfilm ist seit Urzeiten eines der beliebtesten Filmgenres. Es hat ihn schon zu Anfangszeiten der Filmindustrie gegeben, als noch schwarz-weiße Stummfilme auf Hinterhof-Leinwänden gezeigt wurden. Auch wenn nicht explizit als Horror gekennzeichnet, wurden doch auch die Zuschauer des berühmten Lumière Filmes Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat (1896) in Angst und Schrecken versetzt, als auf der Leinwand ein Zug geradewegs auf sie zugefahren kam.
Aber nicht nur der Film hält solcherlei Horrorszenarien parat. Und es kommt nicht von ungefähr das ausgerechnet jetzt ein Fokus auf das Format der Serie fällt. Manch einer bestaunt dieses “Goldene Serienzeitalter”, in dem kaum jemand einen Makel zu finden im Stande ist, wenn es um aktuelle Serienproduktionen geht. Sogar Lobhudeleien sind zu entdecken, die dem Erzählen auf den kleinen Bildschirmen eine weitaus bessere und größere Zukunft zusprechen, als dem Film, der gerade 2013 im Blockbusterkino versunken ist. Und auch in Serien wird das Horrorkonzept immer mehr genutzt. Eine Reise zurück in der Zeit zeigt, dass eine Serie wie die Twilight Zone, von 1959 bis 1964 gelaufen, durchaus im Horror anzusiedeln ist, auch wenn sie, ebenso wie modernere Vertreter – Akte X, Supernatural – eher mit Suspense und Mysterie hantiert.
Doch dann kamen Serien wie die American Horror Story, in den USA gerade inmitten ihrer dritten erfolgreichen Staffel, und natürlich The Walking Dead. Die Serie, die den Untoten die Gelegenheit gibt über die heimischen Bildschirme zu wandern, weitaus mehr Erzählzeit nutzen kann, um sich um Figurenentwicklung, aber auch um gesellschaftliche Veränderungen nach dem Ende der Welt aufzuzeigen, herbeigeführt durch die Zombifizierung großer Menschenmassen, steht im Mittelpunkt von Max Wieselers Publikation Die Evolution des Horrorgenres in Serien. Die moderne Horrorserie am Beispiel von “The Walking Dead”.
Basierend auf seiner Bachelorarbeit, die er 2013 unter dem Titel Das Horrorgenre in zeitgenössischen TV-Serien. Analyse der modernen Horrorserie am Beispiel von “The Walking Dead” an der Hochschule Mittweida im Fachbereich Medien / Kommunikation – Film und Fernsehen mit der Note 1,8 bewertet bekommen hat, sind seine Ausarbeitungen zum Thema im Diplomica Verlag erschienen.
Ausgiebig widmet sich der Autor in seiner Arbeit dem Titel entsprechend der Entwicklung und Veränderung der Horrorserie, stellt die Frage nach einer harmlosen Variante des Horrorfilms. “Das Horrorgenre lebt von Blut und Gewalt” mag eine recht plakative Aussage sein, bedenkt man, dass große Horrorschocker oftmals vom Suspense leben, den Alfred Hitchcock perfekt zum Einsatz brachte und der in der Stephen King Verfilmung The Shining noch mal hochkommt. Auch die frühen Paranormal Activity Filme, sicherlich großartige Vertreter des puren Horrorfilms, kommen ohne viel Gemetzel aus. Dennoch arbeitet sich Wieseler systematisch und nachvollziehbar an seinen Gedankengängen entlang, zeigt die interessantesten Arbeiten in kleinen Exkursen: Jugendschutz, Zensur und Filmrecht in Deutschland, mit kurzen Erklärungen zur Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) sowie einer knappen Darlegung des US-Fernsehsystems.
Es sind aber auch Lücken zu finden. So wäre bei all den Seriennennungen, die fernab von The Walking Dead gemacht werden, sicherlich interessant gewesen, einen Blick auf deutsche Horrorserien (John Sinclair) in Deutschland zu werfen. Auch manche Aussage, wie zuvor das Leben des Horrorgenres auf Blut und Gewalt zu fokussieren, wirken wie von einem Fan geschrieben, nicht unbedingt wissenschaftlich durchdacht und begründbar. “Nicht nur anhand der Quoten ist The Walking Dead ein Erfolg. Diverse Auszeichnungen und Preise belegen die Qualität der Serie” heißt es. Nach eigener Meinung ist ein Preis noch kein Gütesiegel, zeitgleich müsste man sich noch über die zahlreichen Nominierungen Gedanken machen, die die Serie nicht in eine Auszeichnung umwandeln konnte.
Abgesehen von diesen Dingen und reichlich Wiederholungen in der Argumentationsstruktur bietet der Text aber eine schnelle und einfach zu lesende Übersicht über eine der wohl wirklich spannendsten Horrorserie der momentanen Fernsehlandschaft. Viel mehr hätte jedoch das tiefgreifende Storytelling in den Vordergrund gestellt werden können, die gesellschaftsstrukturellen Veränderungen – “this ain’t a democracy anymore” – die stattfinden und sich somit durch ein Schwergewicht an Themen von schnell erzählten 90-Minütern abheben.
Die Evolution des Horrorgenres in Serien.
Die moderne Horrorserie am Beispiel von “The Walking Dead”
von Max Wieseler ist im Diplomica Verlag erschienen.