Hörner, Neumeyer, Stiegler [Hrsg.]: "Praktizierte Intermedialität"

Hörner, Neumeyer, Stiegler [Hrsg.]:  Praktizierte Intermedialität [transcript]. Überlappungsfelder, Zitationswitz und Ironie.
Auch die Auseinandersetzung mit aktueller Fachliteratur soll hier ja nicht zu knapp geraten, daher bin ich hoch erfreut, dass ich diese Rubrik wieder einmal mit einem wirklich schönen Titel bedienen kann.
Die 370seitige Anthologie Praktizierte Intermedialität. Deutsch-französische Porträts von Schiller bis Goscinny/Uderzo legt bereits in der ketzerischen Titelgestaltung augenzwinkernd nahe, dass hier keine Gefangenen gemacht werden. 
Eine Traditionslinie von der Lichtgestalt der Weimarer Klassik bis in zu den beiden Erfindern von Asterix und Obelix - dieser minderkomplexen, zutiefst populärkulturell beseelten, erzählerischen Schrumpfform. In früheren Zeiten wäre dieses Sakrileg im Germanistikseminar mit einer öffentlichen und recht erhitzten Steinigung zu Ende gegangen - nicht so aber bei dem Titel des transcript-Verlags.
Man erwehrt sich den endlosen und inzwischen auch fruchtlosen Anerkennungsdebatten und zitiert im Titel einfach die beiden extremsten Pole der Sammlung. In den Zwischenräumen findet sich dann ausreichend Raum um über Flauberts und Musils intermedialen Methoden zu sprechen, Flussers kommunikationstheoretische Satzung neu zu lesen, die Prämissen von Kracauers Filmtheorie in aktualisierten Bezügen neu zu bestimmen, Beigbeders, Daths und Stuckrad-Barres zeitgenössischen Darstellungsformen erneut zu umrunden und auch für die Relektüre der Sebaldschen Thesen findet sich ein erhellender Artikel.
Die gewohnt hohe Qualität der Verlagspublikation ist gewährleistet, federführend für die Textaufwahl waren der Literatur- und Kulturwissenschaftler Höhner, der Professor für Neuere deutsche Literatur Stiegler und der Germanist Neumeyer. Im Zentrum der Texte stehen weniger die bisherigen theoretischen kultur-, medien- oder literaturwissenschaftlichen Zugänge, sondern vielmehr die zielorientierten, intermedialen Umsetzungen. Alle Beiträge überzeugen durch eine nachvollziehbare und konzise Nachweisführung dieser konkreten Praxen. 
Als kurzes Beispiel möchte ich den Inhalt des Beitrags zu Uderzo/Goscinny (verfasst von Fernand Hörner) anführen, welcher sich mit dem ironischen Zitat von Théodore Géricaults "Le Radeau de la Méduse" in Astérix Légionnaire beschäftigt. 
Dem Ruhm des inzwischen weltberühmte und heute im Louvre als nationaler Kunstschatz ausgestellten Gemäldes ging ein handfester Skandal voraus. Fraglich ist aber, ob die beiden Zeichner auf diesen Skandal rekurrieren wollten oder vielmehr ein aufgrund der hitzigen Debatte tief im öffentlichen Bildergedächtnis verankertes Bild zurückgriffen.
Aufmerksamkeitsökonomisch ist  die Motivation ohnehin zweitrangig, da fraglos beide Formen bedient werden konnten ohne eine konkrete Erklärung der Zielsetzung. Naheliegender ist natürlich eine ironische Auseinandersetzung der sogenannten Unterhaltungskultur mit den Anerkennungstheoremen der Hochkultur - ein erneuter (wenn noch nicht notwendiger) Beweis für die subversive Dynamik der Comics.
Abseits dieser Deutung wird erkennbar, dass eine Vielzahl von Überlappungsfeldern existiert bei der eine Kunstform sich mit einer anderen vermischt, mit ihr verschmilzt und etwas anderes hervor bringt, welches  intermedial wirksamer zu sein scheint, Zugangsdopplungen ermöglicht  - oder gar eine weitgehende Uneindeutigkeit auszulösen vermag.
Der erfrischende Ansatz dieser Anthologie liegt in dem praxisorientierteren Erkenntnisinteresse, welches sich im Gegensatz zu den nahelos lückenlos erforschten theoretischen Feldern noch äußerst fruchtbar machen lässt.
Erfreulicherweise ist dieser Band somit nicht nur der Intermedialität gewidmet, sondern praktiziert auch die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Überlappungsgewinne. Der Sammelband kann hier erworben werden. 


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