Hildegard von Kamcke becirct zunächst den Sohn von Ida Eckhoff, einen Kriegsversehrten, der nachts weint und schreit und ins Bett nässt, und der tagsüber am liebsten auf der weißen Hochzeitsbank seiner Mutter sitzt und Rauchkringel in die Luft bläst. Als eine bessere Partie des Weges kommt, ergreift Hildegard die Chance – sie verlässt das Alte Land und geht mit ihren neuen Mann nach Hamburg. Vera, die nun Eckhoff heißt, bleibt in den alten Haus im Alten Land mit ihrem Stiefvater.
Sechzig Jahre vergehen – Vera schließt die Schule ab, sie studiert, sie wird Zahnärztin im Dorf. Und sie lebt immer noch in dem Haus, das ihr nachts Angst und Schrecken einjagt, und an dem sie nicht einen Handschlag tut oder tun lässt, aus Sorge, das Haus könnte es ihr übel nehmen. Sie pflegt ihren Stiefvater bis in den Tod. Und auf einmal stehen da wieder zwei Vertriebene vor dem Haus: ihre Nichte Anne mit Sohn Leon. Geflohen aus Hamburg-Ottensen, weg vom Kindsvater, der sich einer anderen zugewandt hat. Vera Eckhoff und die anderen wundern sich über die Vollwert-Eltern aus der Stadt, von denen Anne eine ist, die ihren Kindern keine Grenzen setzen möchten, aber eine vegetarische Ernährung vorschreiben. Vera und Anne lernen sich langsam kennen, während der vierjährige Leon stürmisch ins Herz der alten, brummigen Dame springt. Vera muss sich daran gewöhnen, nicht mehr alleine zu sein. Anne muss sich daran gewöhnen, alleinerziehend zu sein. Leon findet alles ganz prima. Hin und wieder erläutern Rückblicke, was in den vergangenen sechzig Jahren geschah: Veras Erwachsenwerden wird hier ausgebreitet, wie es Hildegard von Kamcke erging, und Annes schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter, die Veras Halbschwester ist. Dörte Hansen verknüpft also viele Zeitebenen und viele Elemente miteinander. Die große Konstante ist dabei ihre geschliffene und klare Sprache, mit der sie Dinge auf den Punkt bringt und dennoch lebendige Bilder heraufbeschwört. Dank dieser Sprache oszilliert die Erzählung gekonnt zwischen traurigen Szenen ganz ohne Pathos und gesellschaftskritischem Sarkasmus, der nicht trieft. Gelesen wird das Hörbuch von Hannelore Hoger, deren tiefe und warme Stimme unaufgeregt die tolle Sprache in den Mittelpunkt rücken. Mit leicht nordischem Einschlag erweckt sie Veras brummige Nachbarn zum Leben, und sie findet genau die richtige Betonung um den leichten Sarkasmus, der bei Beschreibungen von Annes Leben in Hamburg-Ottensen immer mitschwingt, ebenso leicht zu vertonen, wie Dörte Hansen ihn geschrieben hat.
Insgesamt ist diese Hörbuchversion von Altes Land also ein absoluter Genuss und das perfekte Paket: sprachlich herausragende Buchvorlage, wunderbare Sprecherin, ideale Länge mit einem Ende, das genau zur richtigen Zeit und auf die richtige Art und Weise gesetzt ist.
Ich danke Random-House Audio für die Bereitstellung des Rezensions-Exemplars.