Honeyland

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Honeyland

8Doku

Hatidze steht an einer schroffen Felswand, hinter ihr geht es hunderte Meter abwärts. Mit aller Seelenruhe löst sie eine Steinplatte aus der Wand und es offenbart sich ein goldener Anblick: Mehrere saftige Honigwaben quetschen sich in die enge Felsspalte. Willkommen im Land des Honigs.

Die Imkerin Hatidze lebt mit ihrer bettlägerigen Mutter einsam in einem verlassenen Dorf in Nordmazedonien. Tag für Tag gewinnt sie in der kargen Landschaft durch mühselige Arbeit kostbaren Honig. Feinfühlig geht sie dieser schweren Arbeit nach – darauf bedacht, sowohl die Lebensgrundlage der Bienen als auch ihre eigene zu erhalten. Doch plötzlich wird dieser Alltag gestört: Ein kleiner LKW, gefolgt von einer Kuhherde, rollt ins Dorf. Ursprünglich auf der Suche nach Weidefläche, stößt die neu angekommene Familie durch Hatidze auf etwas in ihren Augen viel Wertvolleres: flüssiges Gold – Honig.

Das gerade beschriebene Grundsetting wird bereits in den ersten zehn Minuten mit malerischen Bildern eingeführt. Malerisch sind hier nicht nur die Bilder zu Beginn, sondern die wunderschön anzuschauenden Einstellungen ziehen sich durch den ganzen Film. Und in beinahe jeder Szene sticht etwas ins Auge: die Farbe Gelb. Sie ist in und auf unterschiedlichen Motiven zentral, nicht nur im Honig oder den Bienen. Abseits der gelblichen Farbpalette ist jedoch die Handlung die Stärke von Honeyland. Die Geschichte rund um Hatidze wird sehr einfühlsam und wunderbar atmosphärisch erzählt, wobei die Kamera ständig eine beobachtende Distanz wahrt und nur in Szenen mit der Imkerin und ihrer Mutter filmisch und emotional Nähe aufbaut. Honeyland ist jedoch kein Wohlfühlfilm, denn die Dokumentation ist kompromisslos in der Härte der Darstellungen. Es werden Szenen gezeigt, die sehr unangenehm sind, Szene bei welchen sich einem, einer der Magen umdreht. Durch diese konsequent dargestellte Brutalität eines Lebens in Armut wird genau diese immersive Atmosphäre erzeugt, die wiederum eine emotionale Sogwirkung zur Folge hat.

Den Figuren wird gerade so viel dramaturgischer Nährboden geboten, dass es reicht. Individuelle Handlungen der Charaktere können nachvollzogen werden, jedoch werden tiefere Auseinandersetzungen mit den Menschen im Land des Honigs nicht beleuchtet. Es wird sich hier viel mehr auf die Geschichte konzentriert, welche gerade gegen Ende hin narrativ interessante Verläufe nimmt, dass beinahe der dokumentarische Charakter verloren geht. Szenenweise lässt sich über dokumentarisches Handwerk und filmischer Inszenierung definitiv streiten. Es entwickelt sich ein klassischer Nachbarschaftskonflikt, der einen inneren Konflikt der Hauptfigur zur Folge hat, ein Narrations-Prinzip, welches man aus einigen Spielfilmen bereits kennt. Gleichzeitig zeigt die Geschichte auf indirekte Weise die Konkurrenz zwischen traditionsreicher Handarbeit und profitorientierter Massenproduktion. Honeyland ist kein typischer Dokumentarfilm, der einfach nur die Kamera draufhält, er ist vielmehr ein Film, der eine mitreißende Geschichte aus einer sicheren Entfernung begleitet. Dabei ist neben der gelben Farbe auf der visuellen Eben, das Summen der Bienen auf der auditiven Eben omnipräsent. Ständig surrt und summt es, wie man es sich vorstellt im Land des Honigs.

Honeyland ist ein harter, atmosphärisch starker, wunderschön bebilderter Dokumentarfilm, welcher seinen Fokus auf eine spannende Handlung und sympathische Protagonistin legt. Dass dieser Film als Nordmazedoniens Einreichung für die 92. Academy Awards ausgewählt wurde, kann man nur befürworten.

Regie: Tamara Kotevska, Ljubo Stefanov, Mit: Hatidze Muratova, Nazife Muratova, Hussein Sam, Ljutvie Sam, Filmlänge: 90 Minuten, läuft am 08.12.2019 am This Human World


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