Hommage an Iannis Xenakis

Von European-Cultural-News

Konzert Xenakis #2 und Konzert Xenakis #3 beim Festival Musica

Konzert Xenakis #2

Samstag, der 3. Oktober , stand ganz im Zeichen einer allumfassenden Hommage an Iannis Xenakis. Der 1922 geborene und 2001 verstorbene Komponist, der auch als Architekt 12 Jahre lang mit Le Corbusier gearbeitet hatte, war an diesem Tag mit drei Konzerten vertreten, deren Werke samt und sonders ihm gewidmet waren.

Das erste Konzert, das kurz nach Mittag im voll besetzten Saal der alten Börse stattfand, war mit Jan Michiels am Klavier sowie Arne Deforce am Cello solistisch besetzt. Als Einleitung erklangen jedoch „Nuits“ – Nächte aus dem Jahr 1967, interpretiert vom Kammerchor des Radio Litauen. Vor allem die weiblichen Stimmen brachten die Auguren der Nacht schon nach wenigen Augenblicken in den Konzertsaal. Als Vorlage diente Xenakis archaische Gedichte, dessen Vertonung er den, wie er sagte „Tausenden von verschwundenen politisch Verfolgten“ widmete. Der Text ist bei diesem Stück, wie auch bei anderen Werken für Chor von Xenakis, nicht mehr zu verstehen. Er bleibt nur in Fragmenten erhalten und rückt zugunsten eines expressiven, klanglichen Ausdruckes ganz in den Hintergrund. Vogelgezwitscher und andere Naturstimmen treten hingegen hervor, eine kleine Zahlenreihe wird hörbar, über die offenbar ein Streit entsteht. Gezischel und Getuschel steht einzelnen kurzen Melodien gegenüber und an- und abschwellende Tonbögen lassen die Stimmen zu einem Ganzen verschmelzen, das unspektakulär leise verklingt. Ein von der Konzeption her bewusst sehr gut gewählter Einstieg in diesen Konzertreigen, der mit einem zweiten Werk mit Chorbeteiligung nachts endete. Eine schöne Generalklammer, die Jean-Dominique Marco für diesen Tag konzipierte.

Jan Michiels, der belgische Pianist, spielte à R., eine Hommage an Ravel, Evryali, sowie Mists und ließ dabei immer wiederkehrende, typische Kompositionsschemata deutlich werden. Der Einsatz von Gegenläufigkeit wurde genauso deutlich, wie eine beinahe atemlose Raserei, die schon an eine Verfolgungsjagd erinnerte. Die Vielstimmigkeit, die in den Klavierpartituren so ausgeprägt und kraftvoll angelegt ist, dass man meint der Pianist hätte 20 Finger zur Verfügung, steht häufig dem Einsatz von kleinen, hellen Einsprengseln gegenüber. Michiels fulminanter Auftritt unterstützte Xenakis` energiegeladene Partitur in jedem Moment. Wie er so war auch sein Landsmann Arne Deforce eine Idealbesetzung für die ausgesuchten Konzerte. Mit „Nomos Alpha“ erklang ein nicht nur technisch extrem anspruchsvolles Solostück für Cello.

Arne Deforce (c) document recu

Deforce, Spezialist für zeitgenössische Musik, spielte mit einem derart starken, musikalischen Ausdruck, sodass kein einziger langatmiger Moment aufkam. Egal, welche Klangfarbe gefordert wurde, Deforce schien in keinem Übergang, in keiner geforderten Technik eine Herausforderung zu entdecken. Vielmehr wurde er dem Klanguniversum ganz gerecht, das Xenakis seinem Instrument auf den Leib verpasst hatte. In der Stimmenvielfalt und rhythmischen Breite vernahm man symphonische Anklänge genauso wie jazzige Takte. Einige Passagen waren allein dem Rhythmus, dann jedoch wieder dem Klang gewidmet. Ein fulminanter Auftritt, der dementsprechend akklamiert wurde. Mit Spannung ging es zum nächsten Konzert, in dem Deforce abermals vertreten war.

Konzert Xenakis #3

musikFabrik (c) Klaus Rudolph


Am späten Nachmittag wurde das Publikum in den Konzertraum von France3 Alsace gebeten. Die musikFabrik aus Köln unter der Leitung von James Wood präsentierte dort das 24. Konzert des Festival Musica. Mit „Jalons“ und „Thallein“ erklangen zwei sich sehr nahe stehende Werke, wenngleich die Instrumentierung leicht abweichend ist. In Jalons, geschrieben für „kleines symphonisches Orchester“ , verzichtete Xenakis ganz auf Percussioninstrumente, in „Thallein“ ergänzten diese, sowie ein Klavier das Instrumentarium. Beide Stücke, brillant von Wood vom Pult aus dirigiert, weisen eine Fülle von kompositorischen Ideen auf, die sich wie in einem Staffettenlauf abwechseln. Zeitweise stechen einzelne Instrumente klangbestimmend hervor, treten in krasser Dissonanz zum restlichen musikalischen Geschehen auf, wie dies auf lange Strecken von den Flöten exerziert wird. Dann wiederum bleiben die einzelnen Instrumentengruppen ganz unter sich, spielen ihre eigenen Sequenzen, ohne sich um die anderen Parts zu kümmern. Lediglich ein grobes, rhythmisches Gerüst hält zusammen, was auseinanderzubersten droht. Die für Xenakis so typischen Glissandi lassen ein Wogen der Musik entstehen, das er extrem wiedererkennbar in vielen Stücken einsetzt. Es machte Spaß, den Musikerinnen und Musikern bei ihrer Arbeit zuzusehen, denn es schien, als würde ihnen das Spiel richtig Freude bereiten. Und das, obwohl Xenakis in jeder Sekunde volle Aufmerksamkeit erfordert.

Arne Deforce überzeugte wie schon zuvor bei seinem Soloauftritt im Börsensaal abermals bei seinem Auftritt im Konzert mit der musikFabrik. In „Epicycle“ aus dem Jahre 1989 war er bei weitem nicht so gefordert wie bei „Nomos Alpha“, wenngleich auch dieses Stück ungemein schwierige Partien bereit hält. Im Gegensatz zu den beiden anderen Stücken des Konzertes konnte man deutliche Anleihen an eine historische Kompositionspraxis wahrnehmen. Das Aufnehmen der Celloparts des Ensembles oder dessen Umwandlung und Begleitung stehen den mathematischen Kompositionsprinzipien weitaus weniger nahe als dies bei den beiden anderen Werken von Xenakis der Fall war. Wollte man die Kompositionen dieses Konzertes auf einen Nenner bringen, so kann man die Aussage „Vielfalt statt Einfalt“ stehen lassen. Xenakis begnügte sich in keinem der gespielten Werke mit wenigen Ideen, vielmehr hatte das Publikum die Köpfe voll damit zu tun, auch nur einigermaßen mit seinen Kompositionsflüssen gedanklich am Ball zu bleiben.