Hollywood triumphiert in “Argo”

Hollywood triumphiert in “Argo”

© Warner Bros. Pictures Germany / Ben Affleck als C.I.A.-Agent Tony Mendez (links) und Bryan Cranston als sein Vorgesetzter Jack O’Donnell in “Argo”

Das Hollywood nicht immer ganz akkurat ist, wenn sie Filme „basierend auf wahren Begebenheiten“ drehen, sei den Regisseuren, Produzenten und Filmstudios verziehen, gewähren sie dafür doch zumeist eine gut funktionierende Dramaturgie, die dem Zuschauer oftmals langweilige Begebenheiten spannend schmackhaft macht. Und wenn man sich hinterher dabei erwischt, wie man über das Leben des Christopher McCandless („Into the Wild“) oder Jake LaMotta („Wie ein wilder Stier“) recherchiert, dann hat der Film doch eigentlich genau das bewirkt, was er auch bewirken sollte – mehr Interesse für ein Thema, für eine Person erzeugt. So ergeht es denn auch Ben Afflecks dritter Regiearbeit, die zwar angelehnt ist an einer C.I.A. Operation Ende der 70er Jahre, aber sicherlich kein historisch korrektes Filmdokument darstellt – auch wenn innerhalb der Handlung mit echten Fernsehausschnitten und Bildern gearbeitet wurde.

In „Argo“ geht es um die gleichbenannte Geheimoperation, mit der sechs Amerikaner während einer Geiselnahme im Teheran in Sicherheit gebracht werden sollten. Erst Jahrzehnte später wurden die Umstände ihrer Flucht bekannt und in dem „Wired“-Magazinartikel „How the CIA used a fake Sci-Fi flick to rescue Americans from Tehran“ von Joshuah Bearman preisgegeben. Autor Chris Terrio orientierte sich für sein Drehbuch zu „Argo“ an diesem Artikel, in dem vom Höhepunkt der iranischen Revolution am 4. November 1979 erzählt wird. Im Teheran wird die US-Botschaft gestürmt, militante Studierende nehmen 52 Amerikaner als Geiseln, mitten im Chaos entkommen allerdings sechs Amerikaner, können sich in das Haus des kanadischen Botschafters flüchten, der ihnen Unterschlupf gewährt. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Flüchtlinge hier entdeckt werden. In den USA schmiedet derweil der auf das „Ausfiltern“ spezialisierte C.I.A.-Agent Tony Mendez (Ben Affleck) einen Plan, um die sechs Amerikaner außer Landes und damit in Sicherheit zu bringen. Er möchte eine Fake-Produktionsfirma gründen, um als Filmteam unerkannt und unbemerkt aus dem Land auszureisen. Ein Vorhaben, das es so zuvor noch nie gegeben hat.

Hollywood triumphiert in “Argo”

Tony Mendez begibt sich in den Teheran.

Man muss es Ben Affleck wahrlich lassen, als Filmemacher versteht er es, Spannung zu erzeugen: Wie eingangs geschildert, erweckt er die Informationen, die ihm über die „Argo“-Operation zur Verfügung standen, gemeinsam mit Drehbuchautor Terrio zum Leben, kreiert eine spannende Hollywood-Geschichte – die allerdings so manches Mal ihren fiktiven Charakter raushängen lässt. So kann dem Film bereits sehr schnell vorgeworfen werden, dass er sogar ein wenig zu viel Spannung hervorbringt, jedenfalls dafür, dass man hier so sehr darauf bedacht ist, die realen Ereignisse im Blick zu behalten. Je mehr sich die Situation jedoch auf das Ende hin zuspitzt, desto mehr verliert Affleck den Bezug zur Realität, die filmische Dramaturgie ist klar und deutlich für den Zuschauer zu erkennen. Die sechs Flüchtlinge und Mendez, das Fake-Filmteam, gerät bei der Ausreise in eine Flughafenkontrolle, beim heimischen C.I.A. agiert man hektisch um der Gruppe aus der Ferne beizustehen und in der Fake-Produktionsfirma, wo Produzent Lester Siegel (Alan Arkin) und Hollywood-Kontaktmann sowie Maskenbildner – u.a. für „Planet der Affen“John Chambers (John Goodman) die Stellung halten müssen, herrscht dann auf einmal gähnende Leere, als dann das Telefon klingelt, auf der anderen Seite der Leitung Menschen sitzen, die überprüfen wollen, ob es sich bei “Argo” tatsächlich um eine Science-Fiction Produktion handelt. Das alles verdichtet sich dann zum großen „Argo“-Finale, dick aufgetragen, sicherlich stimmungsgeladen, aber ebenso auch musikalisch wie inszenatorisch gekünstelt.

Es hätte so einfach für Affleck sein können: Seine Darsteller hätten in aller Ruhe, aber mit Anspannung in den Gesichtern, mit nervöser Körperhaltung durch das Flughafenterminal marschieren können, so wie sie es wenige Sekunden auch machen, still und stumm hätte man ihnen folgen müssen, die Kamera immer auf sie gerichtet, keine Nebenhandlungen, keine Hektik, nur diese bedrückende Schweigsamkeit hätte genügt, um den Thrill realistisch zu steigern. Die Erzählwechsel in die USA, sei es zum C.I.A. oder zum Gespann Goodman/Arkin sind an dieser Stelle unnötig, fügen „Argo“ nur in eine Hollywood-Gussform ein. Die Flucht muss offenbar schnell und hektisch sein, die Ruhe ist hier nicht die treibende Kraft. Aber fehlende Verfolgungsjagten, Schlägereien und Explosionen müssen durch ständige Bildwechsel und eine überspitzte Dramaturgie wieder wett gemacht werden. So unnötig dies auch erscheinen mag.

Hollywood triumphiert in “Argo”

John Goodman als John Chambers (links) und Alan Arkin als Lester Siegel (rechts)

Dabei fängt alles so schön an, der Einstieg ist geglückt. Ben Affleck sucht sich mit Alan Arkin und John Goodman zwei Männer, die sich nicht zu schade sind, dieser Geschichte eine Prise Humor zu verleihen. Von hier kommen die Witze und verbalen Schläge gegen Hollywood, die zwar diesem Film entsprungen sind, aber gemeingültig gegenüber der Traumfabrik anzuwenden sind. Leider geht dieser Teil des Films dann viel zu schnell zu Ende, binnen weniger Filmminuten hat Tony Mendez alles beisammen, was er für „Argo“ aus Hollywood benötigt. Es folgt der Wechsel in den weitaus strengeren Teheran. Aus der Komödie wird das Drama, Mendez wird mit einem Land konfrontiert, in dem er sich der staatlichen Bürokratie immer wieder ergeben muss, wo Kentucky Fried Chicken ebenso auf den Straßen zu finden ist, wie an Baukränen aufgehangene Menschen.

Was die Leichtigkeit dieser Drama-Sequenzen bewahrt, ist die Meta-Ebene, das Schauspiel im Schauspiel, die geplante Rettung: Die hilflosen Amerikaner müssen ihre Rollen lernen, da werden Menschen zu Drehbuchautoren, Regisseuren, Storyboard-Artists und Location-Scouts gemacht. Sie müssen alle genauestens über „Argo“ Bescheid wissen, sollen die ihnen auferlegten Persönlichkeiten so detailgetreu wie möglich verkörpern. So werden aus ihnen tatsächlich diese Leute, Mendez schafft es über Nacht, Filmemacher zu erschaffen, wie sie in Hollywood zu Hauf aus dem Boden sprießen. Seinen sechs anvertrauten Flüchtlingen mangelt es dann auch nicht an Überzeugungskraft und man mag glauben, dass eine Rückkehr in die USA mit einer filmischen Neuausrichtung ihrer jeweiligen Karrieren einhergeht.

Am Ende wird „Argo“ dann als ein gescheitertes Filmprojekt geoutet, wie schon zuvor beschreibt Alan Arkins Lester Siegel dies als „Argo fuck yourself“, seine Antwort auf alles, auch die Erklärung wo der Name überhaupt herkam (ein wissbegieriger Journalist schlägt „Jason und die Argonauten“ vor, was er jedoch mit demselben Ausspruch quittiert bekommt). Mit wehenden Stars & Stripes geht die Geschichte dann zu Ende, nun wird trotz höchster Geheimhaltungsstufe jeder Zuschauer wissen, wem die glorreiche Rettung der Amerikaner aus dem Teheran zu verdanken ist. Ein wenig historische Aufbereitung, eine ganze Menge Unterhaltung und Spannung und eine Prise Ehrerbietung für das C.I.A., fertig ist „Argo“.

Denis Sasse


Hollywood triumphiert in “Argo”

“Argo“

 

Originaltitel: Argo
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 120 Minuten
Regie: Ben Affleck
Darsteller: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman, Victor Garber, Tate Donovan, Clea DuVall, Scoot McNairy, Rory Cochrane, Christopher Denham, Kerry Bishé, Kyle Chandler

Deutschlandstart: 8. November 2012
Offizielle Homepage: warnerbros.de/argo


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