Hollande: Morgenröte im Westen

Von Stefan Sasse
Datei:François Hollande - Janvier 2012.jpg

Nach Monaten wahrhaftig deprimierender Nachrichten in Sachen Eurokrise hat dieses Wochenende gleich zwei positive Meldungen gebracht. Francois Hollande geht als Favorit in die Stichwahl gegen Nicloas Sarkozy, und die niederländische bürgerliche Regierung ist zerbrochen, dem Land stehen Neuwahlen und geänderte Machtverhältnisse bevor. Vorausgesetzt dass die Prognosen sich bewahrheiten und Hollande den Sieg davonträgt sind damit zwei der wichtigsten Verbündeten Angela Merkels weggebrochen. Da in Italien und Griechenland die Technokratenregierungen über kurz oder lang ebenfalls Wahlen werden anberaumen müssen und die Fortsetzung einer Kanzlerschaft Merkel 2013 immer nebulöser und unvorhersehbarer wird, ist ein Ende der verheerenden Austeritätspolitik in ihrer derzeitigen Reinform immerhin in den Bereich des Möglichen gerückt. Sollte ein Frankreich unter Hollande sich zu einem neuen, Deutschland opponierenden Gravitätszentrum in Europa entwickeln, ist es vorbei mit dieser Politik, so viel ist sicher. Denn wenn sich mit Frankreich das zweitwichtigste Land Europas gegen den Kurs der Neoliberalen stemmt, werden sicherlich andere Länder, die gerade mehr aus eigener Schwäche denn aus Überzeugung "Merkozys" Kurs gefolgt sind, von Deutschland abfallen. 
Nun darf man Hollandes Ankündigungen freilich nicht auf die Goldwaage legen. Die vollständige Neuverhandlung des Fiskalpakts wird es kaum geben, eher kosmetische Korrekturen. Auch die "Unabhängigkeit der EZB", die heilige Kuh der Deutschen, wird trotz der französischen Kritik unangetastet bleiben. Aber der Ton macht die Musik. Ein Durchsetzen weiterer Maßnahmen im Stil der Austeritätspolitik der letzten Jahre wird deutlich schwieriger. Das hat Konsequenzen auch für Deutschland. Merkels kurzlebige konservative Koalition knirscht an allen Ecken und Enden. Mit Frankreich und den Niederlanden brechen zwei Eckpfeiler heraus, Großbritannien ist ohnehin nur als Oppositionskraft verlässlich, und ob Spanien seine harte Haltung angesichts der katastrophalen Lage dort und einem als Partner für eine andere Politik bereit stehenden französischen Nachbarn treu bei Berlin stehen bleibt ist mehr als fraglich. Aus einem scheinbar europaweiten Konsens Deutschlands könnte schnell eine weitgehende Isolierung werden. 


Noch wichtiger aber ist der französische Erfolg für die innerdeutsche Opposition. Diese verläuft nicht an Parteilinien. Ein Sieg Hollandes dürfte vor allem Sigmar Gabriel Auftrieb geben, wenn er es clever anstellt und nicht von den Stones und ihren zahlreichen Verbündeten ausgeknockt wird. Es wäre vermutlich die beste Strategie für ihn, sich deutlicher von der Agenda-Politik und dem Kuschelkurs mit Merkel abzusetzen als bisher und sich so deutlich als Alternative zu Steinmeier und Steinbrück zu positionieren.

Eine Kanzlerkandidatur eines dieser beiden ist ein sicheres Ticket in die Große Koalition und die Fortsetzung der Austeritätspolitik - und damit einer Verschlimmerung der Krise Europas. Auch auf Seiten der Grünen wird es interessant sein zu sehen, wie diese sich positionieren. Und wenn Bernd Ulrich Recht hat, könnte sogar die FDP aus dem Merkellager ausscheren - obgleich ich das für unwahrscheinlich halte. Dass die LINKE hier keine Rolle spielt, verdankt die SPD übrigens mit Sicherheit nicht Steinmeier. Es war Gabriels entschlossene Unterstützung Hollandes und seine demonstrative Solidaritätsbekundung mit der PS Frankreichs. Hätte er das nicht getan, hätte es eventuell der LINKEn gelingen können, diesen Platz einzunehmen. Zur Zeit der Vorherrschaft Münteferings und Steinmeiers wäre das eine leichte Übung für Lafontaine gewesen. Gabriel ist gefährlicher sowohl für die LINKE als au

ch für die CDU, als es in der öffentlichen Meinung bisher wahrgenommen wird, so viel ist sicher. 
Die Wahlergebnisse dieses Wochenendes stellen eine Morgenröte im Westen dar. Ob es sich auch in einen neuen Aufbruch verwandelt, wird sich erst noch weisen müssen und hängt stark von der deutschen Opposition und ihrem Mut ab, sich dem herrschenden Mainstream entgegenzustellen.
Bild: Matthieu Riegler


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