Als ich hier in Nukus angekommen bin war mein erster Gedanke:“Wow, hier bin ich sogar für usbeksische Verhältnisse echt weit weg von allem“.
Wir sind hier in einem Land das sich selbst „Schwarzkappenland“ nennt (Qara-qalpaq-stan) und eine autonome Republik innerhalb Usbekistans darstellt. Es ist gelegen zwischen der versalzten Wüste wo einst der Aralsee lag und Türkmenistan – einem für Fremde praktisch nicht erschlossenem Staate dessen Grenze noch weniger Menschen passiert haben als jene Usbekistans.
Im Westen liegt irgendwo Kasachstan das am Kaspischen Meer endet und im Osten geht zwischen den Karakum-, Kysylkum- und Ustjurt- Wüsten die Ewigkeit der Steppe nach Usbekistan über.
Man würde hier vielleicht vieles erwarten: Wüste, noch mehr Wüste und Leute die auf Kamelen durch sie reiten.
Was man nicht erwarten würde: Der Teil der Welt in dem sich die Kulturen aufeinandergestoßen sind.
Das ist vielleicht etwas überschwänglich formuliert – bis dato konnte ich hier noch keine Spuren des südamerikanischen Chono-Kultes finden – aber das war auch nicht die Kernaussage meiner Botschaft.
Hier liegt das Land das Zarathustras Feuer wie kein anderes erreicht hat: Choresm.
Choresm durchziehen seit Jahrhunderten die Karawanen der Seidenstraße – die oft entlang von Flüssen verlaufen ist. Trotz des Feuers und der Wüste gibt es hier vor allem eines – was auch schon in der Wüste von Surxondarya mein Weltbild bröckeln ließ: Wasser.
Brot schätzt man auch sehr
Die Steppen Usbekistans sind voller Wasser.
Es war also nur eine Frage der Zeit bis sich Menschen hier angesiedelt hatten und das Licht von Zarathustra angebetet haben. Dasselbe das auf Türmen noch Jahrhunderte später den Karawanen den Weg weisen sollte.
Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende später hatten dann auch die Araber entdeckt, dass die Türme hell waren und sie dann „Minarette“ getauft – und leicht umfunktioniert. Neben Entdeckern sandten sie auch Missionare, deren Gräber ich besucht habe:
Von Nukus, einer Stadt mit wenigen aber teuren Hotels führte mich mein erster Weg nach Hojeli. Einer kleinen Stadt an der Türkmenischen Grenze mit einem überraschend großen und abwechslungsreichen Basar der für seine Möbel und
Woher der Fisch kommt, verstehe ich aber nicht ganz…
außergewöhnlich schmackhaften Schaschlyk bekannt ist.
Möbel erfreuen sich in Hojeli großer Beliebtheit
Schaschlykgriller
Der Bus zeigte sich wie immer gestopft voll, aber für einen Preis von 1000 Söm (etwa 25 $-Cent) darf man sich nicht beschweren.
Mich hatte am Markt überrascht, dass dieser der erste war auf dem es einen extensiven Lebendgeflügelhandel gab.
Die meisten Menschen die dergleichen gekauft hatten erblickten mich wohl mit den selben verwundert-überraschten Augen wie ich sie.
Nirgendwo schmecken Melonen so gut wie in Usbekistan
Doch stets -und dies überrascht mich in Zentralasien täglich aufs Neue- ließ man mich beim Fotografieren gewähren. Sogar noch mit Stolz. Vermutlich gibt es kein Land auf der Welt in dem „verstecktes“ Fotografieren so wenig Nervenkitzel bereitet wie in diesen Gegenden: Jeder ist stets erfreut, wenn ein Lichtbild von einem gezeichnet wird, lächelt und möchte noch ein Zweites – und am besten noch ein Drittes Werk bei dem auch seine Freunde zu sehen sind.
Hey, mach ein Foto von uns
Und von unseren Freunden die gerade in der Nähe sind
Einzigartig in Hojeli war jedoch eines: Eine Wahrsagerin!
Bevor man etwas tut, was die Religion nicht erlaubt sollte man deren Segen erbitten
Der Islam in Zentralasien ist und bleibt für mich rätselhaft, faszinierend und sympathisch.
Vor längerer Zeit hat man mir beim Besuch einer Moschee Schweinsspeck angeboten (dass die Usbeken gut und gerne trinken halte ich für überflüssig genauer auszuführen), heute fand ich eine Zukunftsleserin vor, auf deren Tisch ein islamischer Rosenkranz das Sonnenlicht reflektierte.
Ich hätte es bereut sie nicht nach meinem Befinden zu fragen.
Merkwürdigerweise wusste sie weder, dass ich heute kommen würde, noch aus welchem Lande ich sei und wie ich heiße…
Heiratet da jemand?
Als sie vor mir Steine auslegte (eine Methode, die mir fremd war) meinte sie, dass die Zahlen die ich bekäme durchaus gut seien und ich meine große Liebe 2016 in Österreich finden würde. Hin und wieder hatte ein offensichtlich betrunkener Herr heftigst dagegen Protest erhoben, aber das will ich einmal als gutes Zeichen werten…
Alternative Wege zur Nekropolis
Kurze Zeit später hat mich Irina angerufen, die heute meine Führerin sein sollte und mit der ich nach Mizdakkhan (Миздакхан) aufbrechen sollte. Sie spricht Deutsch und war wohl seit Monaten die erste mit der ich mich in meiner Muttersprache persönlich unterhalten konnte.
Sie erklärte mir, dass es sich dabei um eine Nekropolis handelte die über drei Hügel gebaut wurde. Die Nachfolger dieser antiken Herrscher fanden dies wohl so praktisch, dass sie darum herum gleich einen Friedhof gebaut hatten… Ein Faktum das Ausgrabungen nicht wirklich leichter macht.
Friedhof drum herum
Die erste Totenstätte war ein Mausoleum das schon in vorislamischer Zeit existierte und dann einfach weitergenutzt wurde. Egal, ob es der muslimischen Tradition entsprach oder nicht. Dieses Mausleum war im Gegensatz zu den anderen Gebäuden am Friedhof noch am besten restauriert und bekannt für seine himmelblauen Kacheln.
Mausoleum
Durch die Fenster in den ebenerdigen Dachkuppeln leuchtete die Sonne die Hallen aus. Dieses natürliche Licht fühlte sich an wie gigantische Sterne die den Nachthimmel gleich dem Tage erstrahlen ließen.
Als ich meine Fotos geschossen hatte trat ein älterer Herr ein, der ein Gebet mit uns rezitieren wollte.
Dies stellte einen Brauch dar, mit dem ich mich in anderen Religionen auch anfreunden könnte. Meist haben diese Kleriker eine atemberaubende Stimme die dem Ort eine besondere Würde verleiht.
Schon ewig lang nichts mehr Jüdisches gebracht… Der Fußboden ist vorläufig alles
Irina wies mich als nächstes auf den höchstgelgenen Punkt der Totenstätte und erklärte, das schon die Zoroaster hier ihre Toten begraben hatten was mich überraschte. War ich doch der Meinung dass hierzu die „Türme der Einsamkeit“ dienten.
Von diesem Punkt aus konnte man sogar die Türkmenische Grenze sehen, die ich wenn alles gut liefe in ein paar Tagen passieren werde.
Riesengrab von außen
Als Nächstes wies sie auf ein längliches Gebäude das innen wie ein Tisch gedeckt war. Hier soll einst ein Riese beerdigt worden sein. In Surxondaryo hatte man das auch oft gemacht. Ob man es dort verifiziert hatte ist mir nicht bekannt. In Mizdakhan fanden sich jedoch nur die sterblichen Überreste von Tieren.
Riesengrab in Surxondarya
… und innen
Rings herum lagen noch andere Ruinen – eine ehemalige Moschee war ebenso darunter wie weitere Mausoleen, deren Zustand jedoch leider auch auf den Restaurationswillen der postsovjetischen Regierung schließen lässt. Während der Sowjetunion kamen hier regelmäßig Archäologen her die sicherten was noch erhalten war.
Heute ist – für die vermutlich extrem wenigen – ausländischen Experten die Anreise und der Aufenthalt mit mehr Problemen verbunden als der unmittelbare Nutzen. Was auch der Tatsache geschuldet ist, dass man als Fremder nur im über eine Stunde entfernten Nukus nächtigen darf.
Als letzte Etappe unserer Exkursion wartete die antike Stadt Gyaur-Kala auf uns die einst von gigantischen Mauern umgeben eine Zitadelle beinhaltete. Einst hatten hier die Mächtigsten und Größten des Landes gehaust – und ihre Macht gleich ihrer Minarette gestrahlt.
In unseren heutigen Tagen bleibt der Hügel, auf dem nun nichts mehr ist als Dreck, halb verschüttete Gräben und vom Wasser verzerrte Ziegel dunkel.
Vermutlich alles nur, weil sich irgendwann der Flusslauf des Amu-Darya irgendwie geändert hatte. Oben, am höchsten Punkt der einstigen Festung hatte mir der eisige, trockene Wind die Augen tränen lassen und die Sonne, deren Strahlen ich zum ersten Mal seit langem kurz gewärmt hatten.
In der Ferne wartet schon Türmkmenistan auf mich, ein verschlossenes Land das zur Gänze in dem Lande lag dessen Leuttürme für die Wüstenschiffe Zarathustra einst entzündet hatte…
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