Hohes Potential an Energieeffizienz trifft bei Passivhaus-Experten auf große Resonanz

Bei der Modernisierung von Nichtwohngebäuden sind Einsparungen des Endenergieverbrauchs um einen Faktor 10 wirtschaftlich und technisch machbar. Diese Maßnahmen bieten optimale Arbeitsbedingungen für Büros, Schulen, Kindergärten, etc. Eindruckvoll wurde dies bei der 48. Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser verdeutlicht.

Noch nie stieß eine Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser auf derart großes Interesse – „Einsatz von Passivhaustechnologien bei der Modernisierung von Nichtwohngebäuden“ liegt im Trend. Rund 150 Teilnehmer – viele davon aus der öffentlichen Verwaltung – verfolgten gespannt die Ausführungen der Fachexperten vom Passivhaus Institut Darmstadt und Innsbruck, sowie der Universität Innsbruck am 15. Juni in Darmstadt. Das Thema des Arbeitskreises konnte an Aktualität kaum überboten werden. Am selben Tag wurde in Brüssel nach zähem Ringen die neue EU-Energieeffizienz-Richtlinie beschlossen, die unter anderem vorschreibt, dass künftig 3% des öffentlichen Gebäudebestandes jährlich thermisch saniert werden soll – und zwar mittels einer sogenannten „Deep Renovation“, die eine Energieeinsparung von 80% bewirkt.

Primärenergie-Verbrauch in Nichtwohngebäuden, Quelle: Passivhaus-Institut

Primärenergie-Verbrauch in Nichtwohngebäuden, Quelle: Passivhaus-Institut

Aus den präsentierten umfangreichen Studienergebnissen – u.a. der Verbrauchsauswertung von 25.000 Nichtwohngebäuden von ages GmbH – wurde deutlich, dass gerade bei der Modernisierung von Nichtwohngebäuden Einsparungen des Endenergieverbrauchs um den Faktor 10 wirtschaftlich und technisch machbar sind. Zudem erlauben solche Maßnahmen optimale Arbeitsbedingungen in Büros, an Schulen und auch in Kindergärten. Großvolumige Bauten sollten auf Grund ihres günstigen A/V-Verhältnisses aus wirtschaftlicher Überlegung gleich auf Passivhaus-Standard saniert werden.

Durch die Effizienzsteigerung von Nichtwohngebäuden um den Faktor 10 wird auch die 100%-ige Versorgung mit erneuerbaren Energieträgern möglich, ja sogar eine Abdeckung durch die am Gebäude installierbare PV-Fläche ist in einigen Fällen möglich.

Nach einer einjährigen Testphase mit Pilotprojekten steht nun seit Mai 2012 auch eine „EnerPHit-Zertifizierung für die Modernisierung von Nichtwohngebäuden” zur Verfügung. Damit ist eine Qualitätssicherung für den Bauherrn, Markttransparenz und ein Anreiz für den optimalen Effizienzstandard auch in der Modernisierung sichergestellt. Der Nachweis erfolgt über das bewährte PHPP: Passivhaus
Projektierungspaket.

Besondere Parameter gilt es bei Nichtwohngebäuden zu berücksichtigen:

  • Nutzungszeiten – Wesentlich weniger Nutzungsstunden, dafür aber während der Nutzungsstunden intensivere Nutzung
  • Interne Wärmequellen – höher als bei Wohngebäuden
  • Luftwechselrate häufig höhere Maximalwerte, jedoch Mittelwerte ähnlich wie Wohnbau
  • Solltemperatur – Nacht- und Wochenendabsenkung bei kurzer Nutzungszeit sinnvoll
  • Absenkbetrieb der Komfortlüftung mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung während der Nichtnutzungsdauer reduziert den Primärenergiebedarf um den Faktor 5
  • Bei unsanierten Verwaltungsgebäuden Primärenergieverbrauch für Strom ca. gleich wie Heizwärme
  • Die Reduzierung interner Wärmequellen im Bürogebäude von oft noch üblichen 9,5 W/m² auf 3,5 W/m² mittels Passivhaus-Technologie senkt gleichzeitig Kühllasten im Sommer.

Die nachträgliche Integration einer hocheffizienten Lüftung in Nichtwohngebäuden stellt oft eine große Herausforderung dar, ist allerdings Grundvoraussetzung für eine komfortable Nutzung und aus Sicht der Gesundheitsvorsorge. Am Beispiel eines denkmalgeschützten Schulgebäudes wurden unterschiedliche Lösungen für die Integrierung einer hocheffizienten Lüftung aufgezeigt. Ebenso wurden planerische Optimierungen für den Einsatz von Brandschutzklappen präsentiert, die erheblich die Druckverluste reduzieren.

Optimierte Tageslichtnutzung

EXPOST-Gebäude in Bozen, Architekt: Michael Tribus, Foto: Rene Riller

EXPOST-Gebäude in Bozen, Architekt: Michael Tribus, Foto: Rene Riller

Die optimierte Tageslichtnutzung ist sowohl für die Reduktion des Strombedarfs und der internen Wärmequellen als auch für die Verbesserung der Gesundheit, den visuellen Komfort und die Leistungsfähigkeit entscheidend. Nichtwohngebäude verbrauchen überproportional viel elektrisches Licht. Dem verminderten Tageslichteintrag durch erhöhte Fassadendicke, Mehrscheibenverglasung und vorgegebene Architektur kann mit geeigneten Maßnahmen erfolgreich begegnet werden:

  • Abschrägen der Fensterlaibungen
  • Erhöhter Reflexionsgrad der Fensterlaibung
  • Schlanke Passivhaus zertifizierte Fensterrahmen
  • Entspiegelte und eisenarme Verglasungen
  • Low-E Beschichtungen mit hoher Selektivität
  • Bei tiefliegenden Innenhofräumen: Hohe Reflexionsgrade der Wände, diffuser Boden
  • Jalousien mit Lamellensystem mit Tageslichtumlenkung
  • Helle Rauminnenflächen mit guter Lichtreflexion

„Der Passivhaus-Standard ermöglicht dem Architekten erst eine wesentlich größere Gestaltungsfreiheit“, widersprach Arch. Michael Tribus landläufigen Meinungen und verdeutlichte dies mit der gelungenen Sanierung des EXPOST-Gebäudes in Bozen.

EnerPHit bietet auch im Sommer hohe Behaglichkeit & Energieeffizienz imVerwaltungsbau

Mit hohen Raumtemperaturen sinkt die Produktivität und die Unzufriedenheit steigt erheblich z. B. wegen Müdigkeit, Konzentrationsschwächen, Herz-Kreislaufstörungen, etc. Der ideale Temperaturbereich liegt im Sommer zwischen 23 und 25°C. Das Ziel einer Sanierung ist es, die Übertemperaturhäufigkeit über 25°C soweit wie m öglich zu reduzieren bzw. bei aktiver Kühlung den noch vorhandenen Kühlbedarf zu minimieren.

Welch beachtliche Vorteile eine umfassende thermische und sommeroptimierte Sanierung gegenüber einer reinen thermischen Fassadensanierung oder einem Bestandsgebäude bringt, hat eine Vergleichstudie deutlich gemacht. Neben dem verbesserten Wärmeschutz, sind die wesentlichen Faktoren ein gutes Nachtlüftungskonzept, sowie eine Reduzierung der internen Wärmequellen durch den Einsatz von effizienter Technologie und eine Reduzierung der solaren Lasten durch eine automatisiert geregelte außenliegende Verschattung.

Durch den erhöhten Wärmeschutz wird der Einsatz von passiven Kühlmaßnahmen wichtiger als in typischen Bestandsgebäuden. Bei guter Planung und Umsetzung wird der Sommerkomfort im sanierten Gebäude gegenüber dem unsanierten Fall erheblich verbessert,
mit reduzierten Übertemperaturhäufigkeiten und deutlich niedrigeren Spitzentemperaturen.

Bei aktiver Kühlung können durch die Sanierung Einsparungen beim Kühlbedarf erzielt werden. Die niedrigeren Kühllasten ermöglichen zudem den Einsatz von effizienteren Technologien.

Am Beispiel der Sanierung des Fakultätsgebäudes für Bauingenieurwissenschaft der Universität Innsbruck wurde aufgezeigt, wie mit der Entwicklung von automatisierten 3+1 Senk-Klapp-Fenstern mit integriertem Sonnenschutz in Summe der Endenergieverbrauch um den Faktor 9 und gleichzeitig Überhitzungen im Sommer drastisch gesenkt werden kann.

Das vor kurzem erschienene EnerPHit-Planerhandbuch zur Modernisierung mit Passivhaus-Komponenten mit umfangreichen Grundlagen- und Detailinformationen auf ca. 500 Seiten ist über www.passiv.de erhältlich.

Die Vorträge und Ergebnisse der geführten Diskussion erscheinen demnächst im separaten Protokollband, der über www.passiv.de verfügbar sein wird.


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