Höhenflüge in Sommerlöchern

Höhenflüge in SommerlöchernEinmal im Jahr muss es sein, einmal im Jahr muss die Vergangenheit zu Werbezwecken auferstehen, müssen die Geister der Geschichte durch Beschwörung gebändigt und den Volksmassen Geschichtene erzählt werden davon, dass nicht alles schlecht und vieles noch viel besser gewesen ist, als stinkende Trabanten durch die Straßen knatterten und Wartburgs stolz und ungefedert zeigten, dass ihr Besitzer mehr war als irgendwer.
Diesmal ist es zur Abwechslung mal die "Schwalbe", die wieder auffliegen soll wie damals in den 70er und 80er Jahren der DDR, als der Sozialismus noch unbesiegbar war mit seinem Nierentisch-Design. Weit ausgestellt die Schmutzfänger, damit der LPG-Bauer auf dem Weg zum Feld trocken blieb, und mit einer Sitzgarnitur versehen, unter der sich das Frühstücksbrot verstauen ließ: Die "Schwalbe", auf der widerrechtlicherweise ganze Generationen von DDR-Jugendlichen Mopedfahren lernten, hatte die Ausstrahlung eines rollenden Brotkastens und den Charme eines Schreitbaggers.
Heute jedoch, weiß die im zeitlebens schwalbe-losen Westen aufgewachsene "Welt" unter Berufung auf die einzige amtliche deutsche Nachkriegsagentur dpa zu berichten, werde die "Schwalbe von ihren Fans doch innig geliebt". Im Westen hingegen sei sie wegen ihres "puristischen Designs" zum "Kult" (dpa) geworden. Deshalb nun wollten Investoren um den Unternehmer Daniel Schmid aus Baden-Württemberg die "Schwalbe" auferstehen lassen: Ökologisch korrekt soll der Roller von einem Elektromotor angetrieben werden, alle Abgase entstehen so nicht während der Fahrt, sondern weit weg in einem Braunkohlekraftwerk. Das ergibt dann ein zünftiges "Lifestyleprodukt", wie Unternehmer Schmid glaubt.
Spätestens "bis Juni 2011" sollen die ersten "Schwalben" fliegen, hergestellt im thüringischen Suhl. Dann werden sie in harte Konkurrenz treten zum Trabant, dessen Wiederauferstehung als "Trabant nt" im Sommerloch 2009 immerhin für eine schöne Medienrunde gereicht hatte. Auf ihrem Höhenflug zu neuen Ufern in der alten Zeit wird die Schwalbe, die allein noch keinen Frühling machen könnte, zwangsläufig auch den "Wartburg" wiedertreffen, dessen baldige Auferstehung im Mai des vergangenen Jahres angekündigt worden war.
Offen ist dann nur noch die Zukunft des "SR Hupdich", eines Kultmopeds aus der Nachkriegszeit, und des verblüffend gleichnamigen DDR-Schulrechners SR1, der schon 1982 wirkte, als könne man mit ihm telefonieren und Faxe verschicken. Bei der Neuauflage, nun mit Sonnenstrom betrieben, könnte der Traum wahr werden. Die Fans jedenfalls warten schon.


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