Hohe Mieten sind kein Versehen, sondern gewollt

Der Prenzlauer Berg hat es schon hinter sich, Mitte sowieso, Friedrichshain ist gerade dabei, bürgerlich und teuer zu werden und demnächst sind Wedding und Neukölln dran. Unter den Kreativen sind die bundesweit als Problemkieze bekannt gewordenen Gegenden längst kein Geheimtipp mehr. Sie wandern mit ihren Ateliers, Kunstcafés, biodynamischen Werkstätten und ganzheitlichen Wohlfühletablissements in die dort leerstehenden Gewerbeeinheiten, die derzeit noch bezahlbar sind.

Verständlich – aber das gefällt den Eingesessenen gar nicht, denn sie fürchten die damit einher gehende Aufwertung ihrer Kieze – nicht, weil sie das bunte Leben, das die neuen Leute mit sich bringen, nicht schätzen würden. Gut, einige werden es nicht schätzen, es gibt ja immer die Fraktion, die findet, dass alles so bleiben soll, wie es war. Schäbig, billig, ruhig. Früher gabs auch nicht fünfzehn Sorten Biermischgetränke und besoffen wurde man doch. Schon klar. Aber auch die anderen sind wenig begeistert. Weil sie Angst vor der damit verbundenen Aufwertung haben. Denn wenn es eine erstmal nette, bunte Szene gibt, dann kommen auch die Besserverdiener. Diese suchen dann standesgemäßen Wohnraum – und die Hausbesitzer reagieren mit einem neuen Fassadenanstrich und höheren Mietpreisen. Und das ist in der Regel schlecht für den Eingeborenen.

Im Scheunenviertel, um den Kollwitzplatz, im Bötzowkiez, aber auch im Graefekiez in Kreuzberg ist zu betrachten, wie die Hochglanzsanierung potente Mieter bzw. Eigentumswohnungskäufer anzieht. Dort gibt es jetzt statt Second-Hand-Läden und schnödem Alltagsbedarf Maßschneider, Läden für handgeschöpfe Seife, Ballettschühchen, und was es an Luxusdingen da mehr gibt. Für Normalverdiener wird die Luft dünn.

Dazu kommt, dass gern betont wird, dass in Berliner Mieten gemessen an denen anderer Metropolen ja vergleichsweise niedrig sind. Mag ja sein, aber in Berlin sind auch die Gehälter niedrig. Im teuren München ist der Anteil am Einkommen, den der Münchner für die Miete hinblättern muss, geringer als im angeblich billigen Berlin, weil dort halt auch mehr verdient wird. Für die Arbeitgeber in Berlin ist das allerdings kein Argument dafür, endlich mal auf ein normales Metropolenniveau zu gehen, statt so peinlich niedrige Gehälter zu bezahlen.

Besser als das Gejammer über die hohen Mieten wäre natürlich, diese ganze Unsitte der Lohnarbeit mal zu überdenken, genau wie die Unsitte, Hausbesitzern auch noch Geld dafür bezahlen, dass sie etwas haben, das ihre Mieter nicht haben, Wohnraum nämlich. Das regt mich wirklich auf. Wie mich auch aufregt, dass sämtliche menschliche Grundbedürfnisse Geschäftsgrundlage für irgendein Geschäftsmodell sein müssen, anstatt einfach befriedigt zu werden.

Was mich an diesem ganzen Gerede über die Gentrifizierung ärgert, ist die Tatsache, dass es die Leute nur ärgert, wenn sie zu hohe Mieten zahlen müssen. Mieten zahlen an sich geht schon okay, solange die Vermieter nur einen erträglichen Anteil vom Monatslohn in die Tasche stecken. Solange noch genug für die handgenähten Maßschuhe übrig bleibt… oder genug für den veganen Imbiss oder was auch immer. Gentrifizierung ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Luxusproblem. Ja, für die, die nicht mal normale Mieten zahlen können, mag das wie ein Hohn klingen, ich gehöre ja selbst zu denen, die diese kaum zahlen können. Aber die steigenden Mieten sind ja nur die Kehrseite vom Problem der sinkenden Löhne – es geht in unserer Gesellschaft eben nicht darum, dass Leute mit Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen können, genauso wenig wie es darum geht, dass die Leute mit bezahlbarem Wohnraum versorgt werden. Es geht überhaupt nicht um die Leute. Und es ist keineswegs so, dass die Regierenden in diesem Lande eigentlich nur das Beste wollen, aber in der Ausführung zu blöd wären (was nicht sagen soll, dass sie nicht tatsächlich blöd sein könnten). Nein, wer sich Freiheit, Marktwirtschaft und Kapitalismus auf die Fahnen geschrieben hat, kann gar nicht anders: Arbeit muss billig sein, alles andere teuer. Nur dann kann man ordentlich Profit machen. Das ist das Ziel, nicht das Mittel. Wenn man das mal verstanden hat, wundert einen nichts mehr.



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