Hoffnung spenden im Flüchtlingslager

Erst ein paar Monate ist es her, als ich mein Psychologiestudium an der Universität Toronto abgeschlossen habe. Als ich über meine Zeit in Kanada nachdachte, wurde mir klar, dass der Moment gekommen war, eine aktive Weltbürgerin zu werden. Nachdem ich über Jahre hinweg die Syrer im Fernsehen leiden gesehen hatte, fühlte ich mich verpflichtet, in mein Herkunftsland zurückzureisen, aus dem ich 14 Jahre zuvor nach Kanada ausgewandert war. Ein Tag nach meiner Abschlussfeier sass ich also im Flieger, um 12 Stunden später in Jordanien anzukommen.

Mit Terre des hommes im Emirati Jordan Camp (EJC) in Azraq zu arbeiten, ist eine Erfahrung, die mir nicht nur die Augen öffnet, sondern auch sehr bereichernd ist. An meinem ersten Tag überraschte mich das Bild der leblos wirkenden weissen Wohnwagen, aufgestellt in ordentlichen Reihen auf dem heissen Wüstensand, umgeben von Stacheldraht und höchsten Sicherheitsvorkehrungen. 4000 syrische Flüchtlinge leben dort, die alle vor dem Krieg in Syrien fliehen mussten und Schutz in Jordanien suchten. Einmal im Lager angekommen, bleiben die meisten länger, als sie anfänglich dachten. Sie haben weder Aussichten, nach Hause zurückzukehren, noch können sie in Jordanien eine Zukunft aufbauen.

Meine Arbeit als Moderatorin einer Selbsthilfegruppe besteht darin, Aktivitäten für Jugendliche und auch Familien zu entwickeln, die durch die Gewalt in Syrien traumatisiert wurden und grosse Schwierigkeiten mit der neuen Situation haben. Die Familien leiden unter der Überbelegung der Wohnwagen, den schlimmen Wetter- und Lebensbedingungen, sowie dem eintönigen Alltag und dem Verlust des Zeitgefühls.

Die Selbsthilfegruppen (wir nennen sie “Beziehungskreise”) bieten jungen Leuten die Möglichkeit, sich über Gruppenspiele und Kunstübungen auszudrücken. Die Aktivitäten sind eine Kombination aus konstruktiven Diskussionen und informeller Bildung über die Effekte von Stress, Wut und anderen sozialen Faktoren. Durch die Gespräche versuche ich den Menschen zu helfen, ihre innere Kraft zum Weitermachen wiederzuentdecken.

Einige der Kinder im EJC wollen später Ärzte, Ingenieure oder ausgebildete Handwerker werden und manchmal sprechen sie auch darüber, dass sie glückliche, gut funktionierende Familien gründen wollen. Die einen sind erst seit wenigen Wochen hier, andere schon fast zwei Jahre.

Wenn ich meinen Arbeitsplatz am Ende des Tages verlasse, fahre ich aussen am Zaun des Camps entlang. Die Kinder stehen dahinter und sehen mir nach. Sie können nicht mitkommen. Es macht mich traurig, daran zu denken, dass sie nicht wissen, ob sie jemals nach Syrien zurückkehren werden. Ich fürchte, dass sie noch viele Jahre isoliert von der Gesellschaft im Camp verbringen müssen, bevor Frieden in die Region zurückkehrt. Ich sorge mich um einige junge Mädchen, die womöglich zwangsverheiratet werden und nicht erfahren können, was es heisst, als freie Frauen aufzuwachsen. Ich sorge mich auch darum, dass ich es vielleicht nicht schaffen werde, einen nachhaltigen Einfluss auf die Leben dieser Kinder zu haben und unfähig bin, ihnen genug beizubringen, damit sie ihre Zukunft anpacken können. Ich sorge mich um die vielen Jungen, die möglicherweise aus Verzweiflung in die Drogenfalle tappen.

Am nächsten Tag werde ich aber daran erinnert, wie wichtig unsere Anwesenheit im Lager ist. Von den Familien der Kinder, mit denen ich arbeite, höre ich, dass ich deren Leben positiv beeinflusst habe. Sie sagen mir, die Beziehungen untereinander haben sich entwickelt und vertieft und dass sie sich in den ‚Kreisen‘ erholt haben. Ich sehe selber, wie einige Jugendliche anfangen, Verantwortung zu übernehmen und unabhängige Erwachsene werden.

Ausserdem merken meine Kollegen und ich, dass wir selber viel von den Kindern lernen können. Die Belastbarkeit und Standhaftigkeit der syrischen Flüchtlinge hilft mir zu verstehen, dass meine Alltagssorgen im Vergleich winzig sind. Man kann kaum verstehen, was diese Kinder durchmachen mussten und was noch vor ihnen liegt. Was mich antreibt weiterzumachen, ist das Gefühl, ihr Leben irgendwie berührt zu haben, wenn auch nur ein wenig. Es ist die Idee, ihnen echte Hoffnung geben zu können und so einen dauerhaften Unterschied zu machen.

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Shefa Obaid ist 23 Jahre alt, Jordanien-Kanadierin, Absolventin der Toronto University in Psychologie. Sie arbeitet seit September 2014 für die Stiftung Terre des hommes in Jordanien.

Weitere Informationen über die Arbeit von Terre des hommes-Kinderhilfe in Jordanien finden Sie hier: http://www.tdh.ch/de/countries/syrien-jordanien 

 


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