Hochzeit in Jogginghosen

Von Berit Andersen

13.15 Uhr. Um 14 Uhr beginnt die Trauung. Gewünschte Ankunftszeit: 13.15 Uhr.

„Das ist Sklaverei!“, empört sich der große Riesensohn, „das ist mein bestes T-Shirt! Und was spricht gegen Jogginghosen??“

„Mein lieber Sohn“, erwidert die toleranteste und geduldigste Mutter der Welt, „wir fahren zu einer Hochzeit und ich verlange nichts weiter, als dass du eine saubere Hose anziehst, die nicht nach Totalentspannung aussieht, sowie ein T-Shirt ohne Löcher. Ansonsten kannst du herumlaufen, wie du möchtest. Die Hose liegt schon bereit.“

„Welche Hose?“, schimpft es weiter.

„Die neue Hose. Die Hose, die Papa dir letzte Woche gekauft hat.“

„Papa hat mir keine Hose gekauft!“

„Doch, Papa, hat dir eine Hose gekauft. Du hattest sie auch schon an. Sie liegt dort auf der blauen Bank.“

„Da liegt keine Hose! Oh, die Hose! Ha!“, triumphiert es, „DAS IST AUCH eine Jogginghose!“

„Vielleicht“, denke ich, „aber zumindest sieht man es ihr nicht an.“

Die Flecken auf Sohnis Shirt bemerke ich allerdings zu spät, doch kann ich sie im letzten Moment mit einer mütterlichen Geste überdecken, als die Fotografin ihr Werkzeug zückt, und niemand schaut doch ernsthaft auf Kinderhosenknieschmutzflecke, oder?

Vielleicht schaffen wir es wenigstens pünktlich zur Trauung?

„Ihr seid am besten um viertel nach eins da!“, whatsappte die Braut am Abend zuvor, „dann kannst du die Bastelsachen in Ruhe vorbereiten, bevor um 14 Uhr die Trauung startet.“

„Natürlich“, whatsappte ich fröhlich zurück.

Um 13 Uhr rufe ich den Ehemann an: „Wo bist du? Wann kommst du? Wir sollen um viertel nach eins da sein!“

„Ich fahre gerade los“, höre ich es rauschen, bevor die Verbindung unterbrochen wird. Vor der nächsten Hochzeit lasse ich den Ehemann nebst Nachwuchs nicht noch gemütlich bei Freunden frühstücken, während ich die Bastelsachen (Kinderbespaßung für die Kleinen) zusammenräume und eine Tablette gegen Kopfschmerzen schlucke.

13.15 Uhr. Der Wagen mit Mann und Männchen parkt schräg vor unserem Haus. Ich diskutiere mit dem Pre-Teen über Themen wie „Lochfreie T-Shirts bei Hochzeiten“ und „Warum ich Jogginghosen bei Hochzeiten für ungeeignet halte“ (s.o.) und  packe die Bastelsachen in den Kofferraum, der Mann eilt ins Haus.

„Wo willst du hin?“, rufe ich hinterher.

„Mich umziehen!“, ertönt es von innen.

Vielleicht wird es doch etwas knapp mit der pünktlichen Ankunft.

Ich packe alles in den Wagen und vertröste die Nachbarin, die an unserem Wagen vorbeifahren will, aber nun geduldig abwinkt.

13.40 Uhr. Wir fahren los.

Der Ehemann fährt, als ob der Teufel hinter uns her wäre.

Ich erinnere ihn daran, dass ich lieber zu spät bei der Hochzeit erscheine als gar nicht.

Eisige Stille.

13.47 Uhr. Der Ehemann erkundigt sich, ob wir ein Geschenk und eine Glückwunschkarte dabei haben.

Ich falle in Ohnmacht.

14.05 Uhr. Wir fahren an der Kapelle vorbei.

„Dort ist es“, insistiere ich, aber verliere gegen das Navi, das behauptet, wir müssten daran vorbeifahren.

14.08 Uhr. Wir kommen im nächsten Dorf an, in dem sich … nichts befindet. Der Ehemann beschließt zurückzufahren.

14.09 Uhr. Wir sind wieder an der Kapelle. Die Kinder und ich rennen zur Eingangstür, der Ehemann sucht einen Parkplatz. „Leise“, flüstere ich allen Kindern zu, während ich die schwere Holztür aufschiebe, „leise flitzen wir unauffällig zur letzten Bank und setzen uns unbemerkt hin, alles klar?“ Alle drei Jungs nicken eifrig und tippeln auf Zehenspitzen total unauffällig auf dem roten Teppich zur letzten Bank, die 1200 Meter von der Kapellentür entfernt ist.

Doch anscheinend haben wir nichts verpasst. Die Orgel orgelt vor sich hin und es ist irgendwie sehr heilig und still, bevor die Standesbeamtin mit ihrer Rede beginnt.

Und der Rest war auch wirklich sehr schön. Und entspannt.

Es waren annähernd 20 Kinder anwesend, und ich kann einen Basteltisch nur empfehlen. Das schafft Kontakt und Beschäftigung und ich hatte viele schöne Gespräche. Die Idee mit den Laternen hatte übrigens die Braut, die auch den Prototypen bastelte. Vor dem Abendessen haben wir noch einen Laternenrunde gedreht.


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