Extrembergsteiger David Göttler ist auf den höchsten Bergen der Erde unterwegs. Er gibt dir hier seine Tipps für eine sichere und unvergessliche Hochtouren-Saison mit!
David Göttler ist einer der erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteiger. Neben seiner Profikarriere lebt und arbeitet er als Bergführer in Chamonix. Er kennt Hochtouren, Wände und Grate von den Alpen, über die Anden bis in den Himalaya.
„Ich hab mit meinen Eltern in den Ferien nie in einem Hotel übernachtet. Wir haben immer im Zelt oder im Auto geschlafen“, erinnert sich David zurück. Das ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe, warum er es liebt, sich wochenlang in Basislagern oder in hohe Wände zurückzuziehen. Seine Leidenschaft für Expeditionen und Abenteuer wurde also schon in der Kindheit entfacht.
Den Grundstein für seine Profikarriere hat David Göttler als Teilnehmer des DAV Exped Kaders gelegt. „Zum Abschluss der Ausbildung haben wir eine Expedition nach Indien unternommen. So konnte ich meine erste Erfahrung im Höhenbergsteigen sammeln. Die Organisation, die aufwändige Anreise, das Ausharren im Basislager – all das hat mir viel Spaß gemacht. Von da an wusste ich: das will ich machen.“
Seither bricht David ein- bis zweimal im Jahr zu Expeditionen im Himalaya auf. Unter extremen Bedingungen hat er gelernt, seine Ausrüstung, seinen Körper und die Tourenplanung zu optimieren. Seine Erfahrungen teilt er hier mit uns und gibt Tipps, wie auch du auf deinen Hochtouren und Wunschbergen sicherer und effizienter unterwegs bist!
Lerne von anderen
„Ich versuche, mich kontinuierlich zu verbessern und schaue, wie andere es machen. Ueli Steck hat mich hier sehr inspiriert,“ erzählt David. Obwohl er Bergführer ist, tauscht er sich mit andern aus, selbst wenn sie keine Experten sind. „Ich gehe mit offenen Augen durch die Berge und versuche, wann immer es geht, dazuzulernen.“ Sei nicht arrogant und der Meinung, dass du weißt, wie alles geht.
Umgekehrt rät David, aus den Fehlern anderer zu lernen. Denn auch zu wissen, wie etwas nicht geht, gehört zum Lernprozess dazu.
Schätze dein Können richtig ein
Eine der größten Gefahren auf Hochtouren sei laut David, dass man das eigene Können falsch einschätzt. „Das Schöne am Bergsteigen ist, dass es für jedes Niveau eine geeignete Tour gibt. Jeder kann sich für sein Können die perfekte Herausforderung suchen. Aber es erfordert Geduld, das nötige Können und die Fitness über die Zeit aufzubauen.“
Nimm dir Zeit und steigere dich Schritt für Schritt. Lerne am besten wie zuvor erwähnt von Experten und Tourenpartnern, die schon mehr Erfahrung haben. Kaufe dir Bücher, nimm an Kursen teil oder buche dir einen Bergführer, der dir am Berg die wichtigsten Aspekte vermittelt.
Akzeptiere, was du nicht in der Hand hast
Ob eine Besteigung erfolgreich ist, hängt von äußeren und persönlichen Faktoren ab. Äußere Faktoren wie das Wetter, Naturkatastrophen oder aktuell eine Pandemie können wir nicht beeinflussen. David beruhigt alle, die sich schwertun, damit umzugehen: „Als Kontroll-Freak habe auch ich lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die ich nicht in der Hand habe.“ Was man versuchen kann, ist mit den äußeren Faktoren zu spielen und auszuloten, welche Bedingungen für mich noch zumutbar sind. Welche Temperaturen halte ich aus, wie viel Wind verträgt es bei dieser oder jener Ausgesetztheit, kann ich mich bei schlechter Sicht orientieren oder durch wie viel Neuschnee kann ich noch stapfen.
Gleichzeitig rät David zu optimieren, worauf man Einfluss hat. Zuallererst nennt er die Erfahrung, die auf Hochtouren und Expeditionen besonders wichtig ist. Sie verbessert man nur durch oftmaliges Wiederholen. Will heißen: so oft wie möglich draußen unterwegs zu sein, Kleinigkeiten und Handgriffe zu verfeinern aber auch Routinen zu hinterfragen und zu optimieren.
Sei dir der Gefahren und Risiken bewusst
Je höher der Berg, je schwieriger die Route oder je wilder die Umgebung, in der ich mich bewege, umso mehr Risiko gehe ich bei einer Besteigung ein. Und umso fataler kann sich eine Fehleinschätzung der äußeren Faktoren oder es eigenen Könnens auswirken.
„Man muss sich der Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst sein. Es ist Wahnsinn, wie viele unerfahrene Bergsteiger sich in Gebieten bewegen, die für mich so viele Gefahren bergen: Spalten, Seracs, Lawinen, Steinschlag. Und die Leute marschieren durch, als wären sie auf einer Piste.“ Welches Risiko sie eingehen, wäre den Leuten oft gar nicht bewusst. Sie seien total naiv auf Bergen unterwegs, die Fehler sehr schwerwiegend bestrafen können.
Die größten Gefahrenquellen seinen laut David im Winter Lawinen und im Sommer bei uns in den Alpen vor allem die mit dem Klimawandel einhergehenden Veränderungen: Steinschlag, Routen, die sich ändern oder innerhalb kurzer Zeit gar nicht mehr machbar sind. „Es kann sein, dass im Führer Wege beschrieben sind, die man mittlerweile aufgrund von Steinschlag oder Gletscherrückgang nicht mehr wählen kann.“
Kenne deine Ausrüstung und ihre Limitationen
Mit der Wahl meiner Ausrüstung entscheide ich, was ich am Berg machen kann. Wann ich umdrehen muss, welche Schwierigkeit ich klettern kann oder wie weit ich abseilen kann. „Ueli Steck und ich wollten die Shishapangma (8027 m) mit einem Tagesrucksack im Alpinstil besteigen. Deshalb hatten wir weder Kocher, noch Zelt oder Schlafsack dabei. Diese maximal leichte Taktik hat uns gezwungen, in einem Push zum Gipfel und wieder zurück ins Lager zu gelangen. Die Möglichkeit einer Übernachtung hatten wir aufgrund der fehlenden Ausrüstung nicht.“
Das habe ihnen damals den Gipfel gekostet. Im Jahr darauf nehmen David und Herve Barmasse ein leichtes Zelt, Schlafsäcke und einen Kocher mit und konnten nach erfolgreicher Besteigung im Abstieg eine Nacht am Berg verbringen.
Was ich mitnehme oder daheim lasse bestimmt, welche Möglichkeiten ich am Berg habe und welche Risiken ich eingehe. „Ich würde zum Beispiel auch nie an der Ausrüstung sparen. Ich sehe immer wieder Bergsteiger, die viel Geld für die Anreise und den gesamten Urlaub ausgeben, dann aber uralte, schwere Sachen dabeihaben. Sie investieren 15.000 € oder mehr für eine 8.000er-Expedition und nehmen den Pickel ihres Opas mit, der gefühlt eine Tonne wiegt. Das macht keinen Sinn.“
Specke deinen Rucksack ab
Mit einem schweren Rucksack nimmt man sich den Spaß am Bergsteigen, ist sich David sicher. „Ich habe Freude am Bergsteigen, wenn ich immer in Bewegung sein kann. Das geht allerdings nur, wenn meine Ausrüstung möglichst leicht ist“, ergänzt David. Für ihn kommt der größte Genuss dann, wenn er mit Leichtigkeit am Berg unterwegs sein kann. Wie man Gewicht einspart? David hat mehrere Ansätze!
- Besorge dir einen leichten Rucksack. Der Rucksack hat einen einzigen Zweck: deine Ausrüstung zu transportieren. Darüber hinaus muss er höchstens noch bequem sein. Das war’s. Wenn der Rucksack selbst schon 5 kg wiegt, summiert sich das Gewicht, das du am Rücken trägst. Für eine Hochtour muss er nicht einmal extrem robust sein. Suche dir einen Rucksack, der leicht ist, bequem sitzt und ein Fassungsvermögen hat, das für die Tour gerade ausreichend ist.
- Stimme dein Seil auf die Tour ab: das Seil ist ein Gegenstand, der vergleichsweise schwer ist und viel Volumen in Anspruch nimmt. Brauchst du für eine einfache Hochtour wirklich ein 60m-Einfachseil? Oder tut es für die Gletscherquerung eine dünne, kurze Rap-Line auch? Hier hast du viel Spielraum, um abzuspecken
- Minimalistische Kleiderwahl: extra Kleidung, Wechselshirts, Kosmetika – meistens überflüssig meint David Göttler. „Ich hab lieber den ganzen Tag einen leichten Rucksack, als am Abend ein frisches T-Shirt.“
- Verpflegung: pack nur so viel zu Essen und Trinken ein, wie du verzehren kannst – oder ein bisschen weniger.
Optimiere deine Verpflegung
Dein Rucksack ist nach dem Packen angenehm leicht. Dann stopfst du deine Trinkflaschen und Verpflegung hinein und sein Gewicht verdoppelt sich. David rät: „Schau, wie viel Flüssigkeit du wirklich brauchst.“ Ist deine Flasche nach der Tour immer noch halb voll? Wenn ja, nimm beim nächsten Mal die Hälfte mit! Ansonsten schleppst du ständig ein halbes Kilo umsonst. Das Gleiche gilt beim Essen. „Du wirst bei der Tour mit einem Riegel weniger sicher nicht verhungern. Ansonsten muss man mal durchbeißen und ein paar Stunden ohne Essen auskommen.“
Falls du das Problem hast, dass du vor deiner großen Tour aufgeregt bist und nichts essen kannst, dann stress dich nicht. Zwinge dich während der Tour regelmäßig (jede Stunde) einen kleinen Happen zu essen und zu trinken. Auch wenn es kalt oder anstrengend ist. Einen Riegel kannst du zum Beispiel in der Fronttasche deiner Jacke verstauen und so schnell darauf zurückgreifen.
Setze dir Ziele und trainiere strukturiert
David Göttler arbeitet seit mittlerweile 5 Jahren mit einem Trainer und arbeitet strukturiert mit einem auf ihn abgestimmten Plan. „Ich hatte damals mehrere Projekte mit Ueli Steck vor und musste noch einen draufsetzen. Seit ich nach Plan trainiere, habe ich einen starken Leistungssprung gemacht.“
Für seine Expeditionen trainiert David hauptsächlich Kraft, Körperstabilisation und Ausdauer. Kletterspezifisches Training ist eher in den Hintergrund getreten, seit er Großteils auf 8.000ern unterwegs ist.
Auch Hobby-Sportlern rät David, sich ein Ziel zu setzen und speziell daraufhin zu trainieren. Mittlerweile gibt es unzählige Möglichkeiten – von Sportuhren, über Bücher oder Trainer, die dich online begleiten. Idealerweise lässt du dir von einem Experten sagen, was du wann, wie oft und mit welcher Intensität machst.
Verbessere deine Kraft, Ausdauer und Technik
Wer über eine gute Kondition verfügt, hat am Berg nicht nur mehr Spaß, er ist auch sicherer unterwegs. Denn je weniger du ermüdest, umso konzentrierter bist du und umso mehr Reserven hast du bei einem Notfall oder einer Planänderung. Frage dich, ob du nach mehreren Stunden körperlicher Tätigkeit noch in der Lage wärst, deinen Partner aus einer Lawine zu befreien, ihn nach einer Verletzung aus der Gefahrenzone zu bringen, eine längere Abstiegsvariante durchzuziehen, oder auf Skiern sicher eine steile Abfahrt zu bewältigen.
„Am Berg ist es leider so, dass es sehr schnell sehr gefährlich werden kann. Schnelligkeit reduziert oft das Risiko.“ Es wird selten tödlich enden, wenn man für einen Marathon sieben Stunden braucht. Am Berg aber erhöht sich das Risiko, je schlechter die Ausdauer ist und länger man sich in einer Gefahrenzone befindet.
Auch hier hat David ein Beispiel aus dem Höhenbergsteigen: „Am Everest musst du nach dem Basislager zunächst durch den berüchtigten Khumbu-Eisfall. Ich benötige dafür knapp zwei Stunden. Ich habe dort aber Bergsteiger getroffen, die für dieselbe Strecke 14 Stunden gebraucht haben. Sie sind 12 Stunden länger der Gefahr von herabstürzenden Seracs ausgesetzt!“
In einem kleineren Maßstab sieht man das auch in den Alpen am Mont Blanc, am Großglockner oder auf jeder Skitour im Frühjahr, wenn die Schneedecke am Nachmittag stark durchfeuchtet ist. Um dieses Risiko zu reduzieren hast du zwei Möglichkeiten:
- Steigere deine Leistungsfähigkeit oder
- Suche dir Touren, die für dein Leistungsvermögen passend sind
Davids schönste Hochtouren-Tipps in den Alpen
Stichwort richtige Tour für dein Leistungsniveau! David hat uns noch ein paar seiner schönsten Hochtouren-Tipps in den Alpen verraten:
Für Einsteiger
- Hochtour auf die Meije Orientale im Ecrins-Massiv bei La Grave: Vom Refuge de l’Aigle, das wie ein Adlerhorst hoch über La Grave thront, geht’s zuerst über den Gletscher, dann über eine steilere Firnflanke und später abwechselnd im Fels und über einen wunderschönen Firngrat auf den 3.891 m hohen Gipfel.
- Einfache 4.000er-Skitour auf das Strahlhorn bei Saas Fee: Als Stützpunkt für die Tour empfehlen wir die Britannia Hütte. Rund um die Hütte gibt’s übrigens noch eine Menge andere lohnende Hochtouren.
- Der Großvenediger mal anders: und zwar über den Nordgrat. Der ist nämlich viel wilder und auch einsamer als die Normalanstiege auf den höchsten Gipfel Salzburgs in den Hohen Tauern.
Für Fortgeschrittene
- Traverse vom Rifugio Federico Chabod über den Piccolo Paradiso auf den Gran Paradiso (Eis bis 45°, stark exponierte Kletterei bis IV). „Für mich eine der schönsten Hochtouren, die ich bisher im Alpenraum gemacht habe. Man ist garantiert alleine, sollte die Route aber nicht unterschätzen. Der Grat ist wunderschön aber lang, erfordert ein gutes Gefühl für die Route und man muss mehrmals abseilen.“
- Italienischer Normalweg von der Gonella Hütte über den Dôme du Goûter auf den Mont Blanc. „Die Tour geht immer nur recht früh im Jahr, weil der Gletscher nach der Gonella Hütte riesige Spalten hat. Wenn man es gut erwischt, kann meiner Meinung nach den schönsten Normalweg auf den Mont Blanc genießen.“ Idealerweise überschreitet man den Mont Blanc dann gleich über den Mont Maudit zur Aiguille du Midi.
Weitere Tourentipps gesucht? Bei uns wirst du fündig!
Ultraleicht auf Hochtour mit dieser Ausrüstung
Welche Ausrüstung auf Hochtouren mit muss, hängt besonders von der Schwierigkeit und Länge der Tour ab. Was David aber immer dabei hat sind:
- Sicherheitsausrüstung: Biwaksack, Rettungsdecke, Erste-Hilfe-Paket, Sonnenbrille und im Winter zusätzlich die Lawinen-Ausrüstung
- Technische Ausrüstung (je nach Schwierigkeit): Steigeisen, Eisgeräte, Pickel, Seil, Gurt, Helm und Sicherungsequipment (Karabiner, Bandschlingen, Eisschrauben, Expressen, Tuber)
- Kleidung: sie wird auf die Tour und die Temperaturen abgestimmt. Unnötiges lässt du daheim.
- Bei Übernachtungen: Zelt, Schlafsack ,Kocher, Essen für mehrere Tage
- Zusatzausrüstung: Sonnencreme, Karte, Mobiltelefon, Getränk, Essen
Auf seinen Touren vertraut David Göttler auf Ausrüstung von Edelrid. Für leichte bis mittelschwere Hochtouren empfiehlt er die ALPINE LIGHT“ PRODUKTREIHE:
- RAP LINE PROTECT PRO DRY 6,0MM: Die überarbeitete Rap Line ist die erste Reepschnur mit einer dynamischen Sicherheitsreserve.
- PRISMA GUIDE: Hochtouren-Gurt: Der PRISMA optimiert für alpine Missionen und Skibergsteigen – superleicht, klein verpackbar und trotzdem erstaunlich bequem.
- SALATHE: Ultraleichter und gut belüfteter Kletterhelm in Hybridbauweise.
- KIWI SLIDER: Kleiner und leichter Oval-Karabiner.
- MICRO JUL: Kompaktes, ultraleichtes Sicherungs- und Abseilgerät für Halb- und Zwillingsseile.
- SHARK LITE: Ultraleichtes Alusteigeisen mit 12 Zacken für Gletscher- und Skitouren ohne Felskontakt. Wer auch im Fels klettern will, dem empfehlen wir das SHARK!
- ATTILA LITE: Ultraleichter, kompakter Eispickel für Ski- und Gletschertouren.
Hinweis: Dieser Betrag entstand in Kooperation mit Edelrid und David Göttler. Als Entschädigung für die Erstellung dieses Artikels haben wir ein kleines Honorar erhalten.