Das war´s. Schluss, aus, vorbei. Der 31. ist gleichzeitig auch der letzte Fall von Kommissar FelixStark (bärenstark: Boris Aljinovic). Und es ist ein gerade zum Ende hin so richtig spannendes und starkes Stück geworden – das ist auch das letzte Wortspiel, versprochen -, woran das liegt? Hauptsächlich an Lise Risom Olsen. Wer bitte soll das sein, werden sich einige fragen. Eine norwegische Schauspielerin, an der wir Deutsche hoffentlich noch viel Freude haben werden. Und das liegt auch an ihrer Filmfigur Trude, an der sich mal wieder zeigt, dass Regisseur und Drehbuchautor Klaus Krämer ein Händchen für grandiose Hauptprotagonisten hat.
Führt gerade eines der letzten Dienstgespräche: Kommissar Felix Stark (Boris Aljinovic) ©RBB/Frédéríc Batier
Kommissar Stark wirkt irgendwie verloren, wie er da sitzt an seinem übergroßen Schreibtisch in seinem schmucklosen Büro. Es scheint, als hätte er die Lust an alledem verloren, an den vielen Toten, an den vielen Verfolgungsjagden, an den vielen Nachtschichten, an all dem Elend. Erst recht ohne Till Ritter, seinem langjährigen Partner. Auch an Leuten wie Trude hat er sich satt gesehen. Sie scheint eine von den vielen Verwirrten zu sein, die das Revier ständig beehren mit makabren Geschichten. Sie träume von einem Mord eines Latzhosenträgers an ihrer Freundin Lisa, sagt die norwegische Studenten. Stark und sein Team halten sie zwar für psychisch fit, aber die Aussage wird vorerst vergessen. Wochen später jedoch wird Lisa tatsächlich sexuell missbraucht und tot aufgefunden, und es war genau so wie es Trude vorhergesehen hat...
Trude: Hellseherin wider Willen
Man möchte nicht mit Trude tauschen. Träume, die genau so eintreffen. Bei dem kruden Zeug, das jeder selbst nachts erlebt – nein, Danke. Aber diese blonde Frau ist das Highlight des ganzen Abends. Seitdem sie 11 ist hat sie diese Vorahnungen, eröffnet sie den Ermittlern. Ihre WG-Partnerin zieht nun aus, weil Trude geträumt hat, dass sie von ihrem Freund betrogen wird – das trat so ein, beim nächsten möchte die Ex-Mitbewohnerin dann lieber auf Nummer sicher gehen. Trude selbst merkt man ihre Leiden richtig an, es mache sie regelrecht krank, sagt sie den Kommissaren. Krämer setzt Trudes Leiden toll in Szene. Schweißgebadet wacht sie im Dunklen auf, wenn sie wieder nachts von irgendetwas träumt. Ihre Stimme zittert, sie ist eine ganz unsichere Person, die den Halt zu verlieren droht. Besonders Risom Olsen, die in ihrer Heimat ein Star ist, ist es in ihrem Deutschland-Debüt zu verdanken, das man so mitfühlt mit der armen Studentin. Regisseur Krämer beweist nach den beiden früheren Berliner Ausgaben „Hitchcock und Frau Wernicke“ (superber Streifen!) und „Machtlos“ (anstrengend, aber gut gemeint) wieder einmal, dass ein Krimi nur dann funktioniert, wenn die Kommissare es mit spannenden Figuren zu tun haben – und dass er solchen Charakteren großartig Leben einhauchen kann. Bitte mehr Krämer-Tatorte!
Trude träumt von Morden (Lise Risom Olsen) ©RBB/Frédéríc Batier
Aber bei all dem Lob für die Hauptfigur, es gibt ja noch die zweite Hauptperson in diesem Fall, Kommissar Stark. Er gerät schon beinahe in den Hintergrund und wüsste man nicht, dass er mal einen Partner gehabt hat – man hätte es nicht bemerkt. Nicht ein einziges Mal wird Ritters Abschied erwähnt. Was schade ist und einen der wenigen Wermutstropfen von „Vielleicht“ darstellt. Alijnovic zeigt als Stark aber mal wieder eine vorzügliche Leistung, besonders als – so viel verrät schließlich auch der ARD-Trailer – Trude erzählt, dass er in ihren Träumen gestorben sei. Seine Angst vor dem, was da kommen mag, spielt er nachdrücklich. Umso trauriger, dass er demnächst nicht mehr zu sehen ist. Trotzdem: Die Todes-Ankündigung tut dem Film gut, denn spätestens mit dieser Nachricht wird nach schleppendem Auftakt die Spannungskurve um ein Vielfaches angehoben. Und das Finale dürfte für Leute mit Herzproblemen zu lebensbedrohlichen Momenten führen. Unfassbar packend das Ganze.Vorher suchen Stark und Team die Hintergründe und die berühmte Nadel im Heuhaufen. Am Ende ist es aber leider wie so oft Kommissar Zufall, der hilft – auch wenn Stark und Gefolgschaft auf der richtigen Fährte waren. Denn Lisas Mörder hat es auch auf Trude abgesehen. Das Aufeinandertreffen lässt einem zwar auch für einen kurzen Moment das Blut in den Adern gefrieren und den Fernseher aus lauter Sorge um Trude anschreien, aber die genauen Motive lässt Krämer beiseite ähnlich wie beim Showdown. Echte Krimikenner dürften auch den oder die Schuldigen hierfür schon früh ausmachen, das Wieso-Weshalb-Warum wird leider nicht beantwortet. Und Kommissar Zufall ist auch hier zugegen. Was in einem Fall über eher realitätsfremde Vorahnungen aber durchaus zu verkraften ist.
©ARD
Zu guter Letzt wären da noch die, nun ja, ausbaufähigen Dialoge zu erwähnen. Gestelzt bis zum geht nicht mehr. Hier mal eine kleine Kostprobe: „Woher kommst du?“ „Norwegen. Und du?“ „Europa.“ Aha. Oder aber: „Na, wie geht’s?“ „Super. Und dir?“ „Auch.“Unterm Strich überwiegen aber die mysteriöse Trude, die kaum zu überbietenden Spannungsmomente und die Trauer über Starks Abgang. Ich werde ihn vermissen. Vielleicht träume ich demnächst aber auch einfach von seiner Auferstehung - mal gucken, womöglich hilft´s ja.
BEWERTUNG: 08/10Titel: Tatort: VielleichtErstausstrahlung: 16.11.2014Genre: KrimiRegisseur: Klaus KrämerDarsteller: Boris Aljinovic, Lise Risom Olsen, Florian Bartholomäi, Fabian Busch, Birge Schade