Von der kleinen Bahnstation Zöbing ist es ein idyllischer 10-minütiger Fußmarsch, bei dem man auch den Kamp überquert, der im Sommersonnenschein verführerisch glitzert, bis man schließlich bei der sommergalerieZöbing angekommen ist. Sie befindet sich in einem ländlichen Anwesen, das aus einem Haupthaus und einem Stadel besteht. Letzterer fungiert als Ausstellungshalle und zeigt sommers – nomen est omen – zeitgenössische Kunst. Seit letztem Jahr wird die sommergalerieZöbing von F.S. Mrkvicka und seiner Frau Eva gemeinsam betrieben – und das mit viel Herzblut. „Wir haben Freude daran, unsere Leidenschaft für Kunst mit anderen zu teilen, über Kunst zu sprechen und Kunst sichtbar zu machen“, erklärt der Hausherr seine Motivation „jwd – janz weit draußen“ – Kunst zu zeigen.
Dominik Wohak “Pop Demons” in der SommergalerieZöbing
Schon zwei Ausstellungen wurden in dieser Saison gezeigt. Nach der Eröffnung mit Arbeiten von Paul Jenkins, der in unseren Breiten wenig bekannt und unterschätzt wird, holte das Ehepaar Mrkvicka für den zweiten Coup ein Künstlerpaar – die Komponistin Eva Sindichakis und den Maler Dominik Wohak in ihr Domizil. Aber nicht genug damit durfte auch eine Live-Aufführung zeitgenössischer Musik nicht fehlen. Albert Dambeck und Silvia De Crescenzo erstaunten das Publikum mit einem Stück, das der bei uns selten gespielten Zen Flöte in Begleitung einer Gitarre gewidmet war. Diese wurde von Dambeck durch einen E-Bow ergänzt, der es ermöglicht, einen Ton unendlich lange halten zu können. Dabei balancierte das Duo auf einem musikalischen Hochseil. Denn es gelang ihnen tatsächlich, die traditionellen Klänge, die der Zen Flöte eigen sind, mit neuen von der Gitarre erzeugten Tonfarben zu ergänzen. Kleine musikalische Linien wurden dabei zärtlich umspielt, ein ständiges Aufeinanderzugehen von zwei kontrapunktisch angesetzten Melodien, die nicht weit voneinander entfernt waren, erwies sich als spannend und harmonisch zugleich. Ganz so, wie sich zwei Individuen im Leben aufeinander zu- und wegbewegen, mit Dissonanzen und Übereinstimmungen, mit Höhenflügen und leisen Untertönen in der Kommunikation. Der Stadel, in dem die Vorführung stattfand, war dafür ein idealer Ort, gab er in seiner Ursprünglichkeit den perfekten Rahmen ab für eine Musik, welcher die Idee innewohnt, Altes mit Neuem zu einer Symbiose zu verbinden. De Crescenzo ist eine jener handverlesenen Musikerinnen, welche die Zen Flöte beherrscht. Dass diese eigentlich mehr ist als ein Musikinstrument, nämlich ein Vehikel, um eine Atemmeditation zu erzeugen, war eine jener interessanten Informationen, die man im Künstlergespräch im Anschluss an das Konzert erfahren konnte. Der Titel des Stückes „floating tune“ entspricht tatsächlich dem fließenden musikalischen Zustand, in den man beim Hören eintauchen kann. Dass mit dieser Komposition auch Neuland begangen wird, wie Dambeck ausführte, konnte als zusätzliches Surplus angesehen werden. „Wir arbeiten hier eigentlich daran, traditionelle Stücke neu zu interpretieren und mit anderen Instrumenten zu ergänzen. Das ist, wenn man so will, eine Pionierarbeit.“
Mit dem dritten Satz „hypnos“ aus dem 7-teiligen Werk „Tohuwabohu“ von Eva Sindichakis wurde im Anschluss eine gänzlich andere zeitgenössische Musikrichtung vorgestellt. Zwar konnte das Stück nur mittels einer CD wiedergegeben werden denn die Sommergalerie kann zwar eine schöne Zahl von Besucherinnen und Besuchern beherbergen, aber kein volles Orchester mit zusätzlicher Chorbesetzung. Dennoch war es wieder die Verbindung von Raum und Klang, die perfekt harmonierte. Wie gänzlich zur Ruhe gekommen, lauschte das Publikum der sakralen Komposition, die sich mit der Schöpfungsgeschichte auseinandersetzt. Ursprünglich für Klavier geschrieben, entstand sie, während die Komponistin mit ihrem ersten Sohn schwanger war. Sindichakis ist keine Vertreterin von atonaler Musik, vielmehr liebt sie Wohlklänge, um die Hörenden in einen musikalischen Bann ziehen zu können. „Ich schreibe für das Publikum“ ist ihr Credo. Das war auch bei „hypnos“ der Fall, jenem bereits erwähnten dritten Satz von „Tohuwabohu“, der dem Gott des Schlafes gewidmet ist. Die darin ertönenden harmonischen Chorstimmen stehen nur stellenweise kleinen, irritierenden Instrumentalklängen gegenüber, die ab und zu mit leichten Dissonanzen aufwarten. Ausgehend vom Text von Martin Buber, dem österreichisch-israelischen Religionsphilosophen, erarbeitete sie mit „Tohuwabohu“ eine eindrucksvolle Komposition, die schließlich vom Münchner Rundfunkorchester und dem Via Nova Chor 2012 uraufgeführt wurde. Nach ihren Vorbildern befragt, gibt die junge Komponistin George Crumb, aber auch Messiaen und ihren Lehrer Wilfried Hiller an. Komponisten, die bei ihrer Arbeit ebenso das Publikum „mitdenken“.
Die künstlerische Ausgestaltung des Stadels oblag ihrem Partner Dominik Wohak, der zwei ganz unterschiedliche Stilrichtungen vertritt. Einerseits zeigte er geballte, grafische Knäuelformationen, mit rasenden Handbewegungen und bunten Stiften aufs Papier gesetzt. Verdichtet und nur stellenweise noch figürlich lesbar tragen sie selbst einen Rhythmus in sich, der beim Betrachten rasch nachvollziehbar wird. Andererseits präsentierte er geometrisch-abstrakte Kompositionen, dessen Unterbau sich jedoch nur aus der Erzählung ihres Gestalters offenbarte. Aus Figurativem wird bei ihm Konkret-Abstraktes, das letztlich nur mehr als dieses wahrgenommen werden kann. Und dennoch eine Geschichte in sich trägt, die den Wissenden stets mitschwingt.
„Botschaften“ wie der Titel dieser Ausstellungs-Performance lautete, wurden an diesem Junitag wahrlich in Hülle und Fülle in Zöbing vermittelt. Gut zu wissen, dass es in diesem Sommer noch insgesamt drei Mal die Möglichkeit gibt, die wunderbare Kunstvermittlung der sommergalerieZöbing zu genießen.
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