Der diskrete Charme der smarten Menschen – so ist das neueste Stück von Ed. Hauswirth übertitelt. Bekannt von seiner Tätigkeit im Theater im Bahnhof, für die er schon mit dem Nestroypreis dekoriert wurde, folgte er diesmal einer Einladung ins TAG in die Gumpendorferstraße. Beinahe hätte ich mich im ersten Satz verschrieben, denn „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ von Luis Buñuel liegt meiner Generation und damit auch mir noch so auf der Zunge, dass eine neue Fortschreibung des Titels erst einmal gewöhnungsbedürftig ist.
Was hat jetzt die neue Produktion mit dem Filmklassiker gemein? Nicht viel, außer der Grundidee, eine Gruppe von Freunden zu einem Essen zusammenkommen zu lassen und ein paar Versatzstücke aus dem Drehbuch wie zum Beispiel der Umstand, dass einige dieser regelmäßigen Treffen nicht stattfinden können, weil die Gastgeber indisponiert sind. Ansonsten kocht Hauswirth sein eigenes schmackhaftes Süppchen – das dem Publikum am Premierenabend wohl bekommen ist.
Drei Männer und drei Frauen – je einer und eine davon Single – zelebrieren ein Abendmahl coram publico, ohne zu vergessen, dieses dabei einzubinden. Dafür schuf Alexandra Burgstaller ein Wohnzimmer mit metapherschwangerem Ausblick auf ein Meer voller Panzerkreuzer und einem halb versunkenen Fischerboot. An der festlichen Tafel wird aufgetischt, dass einem das Wasser im Mund zusammenlaufen kann und zu den Gerichten wird auch deren Rezeptur aus Surplus mitgeliefert. Was herauskommt, wenn sich sechs Menschen zum gemeinsamen Trendschmaus heutzutage treffen, ist ein Concours, in dem jeder jede mit seinen Kochkünsten überbieten möchte – und koste es die letzten Nerven. Ausgenommen ist dabei Jean-Pierre, der es sich mit einem typisch österreichischen Gericht – einer Rindsuppe – sehr leicht macht. Jens Claßen mimt den smarten und stets auf sein Machoimage bedachten Ehemann mit souveräner Lässigkeit. Georg Schubert in der Rolle des Verführers Fernando gelingt ein adäquates Pendant, das selbst in seinen traurigen Rückschaumomenten auf eine einstens intakte Familie nicht gänzlich von seinen Gefühlen überschwemmt wird. Als dritter im Bunde agiert Raphael Nicholas, dem man den Softie mit Hoppala-Kind und drei parallelen Berufen gerne abnimmt.
Der Abend beginnt mit einer Rückschau in die Jugend der Anwesenden, in ihre Träume von damals, die mit den heutigen so gar nichts mehr gemein haben. Was einst hoffnungsvoll begann ist heute vielfach nur mehr Krampf. „Wie freue ich mich doch auf meine künftigen beruflichen Termine“ sinniert Julia Schranz als Délphine mit hörbar genervt-bitterem Unterton in der Stimme und klopft dabei so wild auf die Tischplatte, dass ihre Hand dabei schmerzen muss. Sie hat an diesem Abend aber nicht nur diesen Lacher auf ihrer Seite. Als untreue Ehefrau, die mit Fernando einen Quicky absolviert und dabei beinahe von ihrem Ehemann erwischt wird, hüpft sie mit heruntergelassenem Slip um den Esstisch, um ihren Wäsche-Faux-Pas vor ihrem Mann zu verbergen. Einmalig, wie sie im Anschluss daran ihr Coqu-au-vin präsentieren muss. Noch ihren überbordenden Hormonausschüttungen ausgesetzt, bemüht sie sich nach Kräften, ihre Nicht-Kochkünste zu beschreiben, gänzlich verunsichert auch nur bei der geringsten Frage ihrer Freundin Bulle. Elisabeth Veit (Bulle)und Michaela Kaspar (Stéphane) spielen ihr Können als verlassene Alleinerzieherin und als Nicht-Mutter voll und ganz aus und dürfen, wie auch Julia Schranz, ihre Nervenkrisen offen austragen. Hauswirth geizt nicht mit männlichen und weiblichen Stereotypen, weiß aber als Ausgleich, wie man Pointen am Laufband produziert.
Dabei gibt`s einen Schnelldurchgang durch zeitbezogene Themen wie Politikverdrossenheit, die Umsetzung des europäischen Rauchverbotes, die Besprechung der politischen Unkorrektheit von Ulrich Seidl in der Besetzung seines letzten Filmes, Diskussionen über den Wert der Familie bis hin zur ausgesprochenen Schadenfreude anlässlich der bevorstehen Paartherapie, bei der Bulle ihrem Ex noch einiges unterreiben wird wollen. Selbst die dunklen Momente des Abends, in welchen Fernando zum Amok-Heckenschützen mutiert, würzt der Autor, der zugleich auch für die Regie verantwortlich zeichnet, mit einer großen Prise Humor.
Das Leben als Genussevent, in dem es gilt, die bitteren Momente tunlichst unbeschadet zu überstehen – das Leben als permanente Herausforderung, die uns Entscheidungen zwischen Scheinbar-Gut und Scheinbar-Böse abverlangt – das Leben als Theater, in dem der Schein über dem Sein regiert – all das wird an diesem Abend vergnüglichst abgehandelt.
Eine „Salonkomödie“ mit herausragender Besetzung und dem Potential, zum Dauerbrenner zu avancieren.