Historischer Tag: Draghis Bazooka, Spaniens “Teil-Rettung” und Rajoys Hoffnung

Von Uhupardo

Jetzt ist das Kaninchen aus dem Zylinder! Ja, die Europäische Zentralbank wird praktisch unbegrenzt Staatsanleihen kaufen und ja, Spanien wird dafür eine Rettung beantragen müssen, aber keine komplette. Und der Madrider Regierungschef Mariano Rajoy hofft inständig, dass allein diese heutige Ansage reicht, um die Situation zu entschärfen, ohne dass er am Ende das Rettungsersuchen überhaupt aussprechen muss. Das sind die wichtigsten Ergebnisse eines wahrhaft historischen Tages, den wir in einfachen Worten für Sie zusammenfassen.

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, hat seine Ankündigung heute wahr gemacht und den praktisch unlimitierten Ankauf von Staatsanleihen derjenigen Länder angekündigt, die in Finanzierungsproblemen sind – vorrangig also die aktuellen Sorgenkinder Spanien und Italien. Gekauft werden ein- bis dreijährige Anleihen auf dem Sekundärmarkt, so viele wie nötig. Das würde erheblichen Druck von den Regierungen in Madrid und Rom nehmen, die sich aktuell wegen der hohen Zinsen nicht refinanzieren können. Allerdings muss die Regierung, die solch eine Vorzugsbehandlung eingeräumt bekommen will, vorher die “Rettung” in Brüssel beantragen. Dazu gibt es verschiedene “Rettungs”modelle, von weich bis hart, die sehr unterschiedliche Bedingungen mit sich bringen. Die verschiedenen Modelle werden wir in einem gesonderten Artikel vorstellen.

Im Moment soll es reichen auszuführen, dass von Spanien nur eine “Teil-Rettung” verlangt wird, damit sich die EZB bereit erklärt, spanische Anleihen in fast beliebiger Höhe auf dem Sekundärmarkt anzukaufen. Draghi hat Spanien heute also, ohne das auszusprechen, unter den Rettungsschirm gedrängt nach dem Motto: Wenn ihr wollt, das wir eure Staatsanleihen kaufen, stellt ein Rettungsersuchen, sonst wird das nichts. Die Madrider Regierung überlegt jetzt und wägt ab, ob und wann die Rettung beantragt werden soll. Draghi hat heute Unabhängigkeit bewiesen. Trotz deutlichen Gegenwinds aus Berlin hat er die angekündigte Bazooka (“… und glauben Sie mir, es wird genug sein!”) ausgepackt. Offenbar hat nur Bundesbank-Präsident Jens Weidmann heute im EZB-Rat gegen diese Massnahme gestimmt, die “fast einstimmig, mit einer einzigen Gegenstimme” beschlossen wurde.

Natürlich ist das jetzt Schuldenvergemeinschaftung, egal wer was wem öffentlich erklärt. Aber es sind eben nicht die Euro-Bonds, die Merkel so hasst, weil dadurch die Staatsfinanzierung Deutschlands verteuert würde und sich Berlin dann nicht mehr praktisch zum Nulltarif refinanzieren könnte, wenn für alle die Zinsen steigen. Für die deutsche Regierung also heute immer noch ein Tag zum Vergessen, der Staatstrauer auslösen dürfte, aber längst nicht so schlimm wie im Thema Euro-Bonds, zumindest im Hinblick auf die Reaktionen der Wähler. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die deutschen Verpflichtungen per Ankauf der Staatsanleihen durch die EZB jetzt deutlich steigen – ist jedoch etwas komplizierter und in der Boulevard-Presse nicht so einfach zu anti-Regierungs-Schlagzeilen zu machen wie bei den Euro-Bonds.

In Madrid sitzt nun ein Regierungschef mit gefalteten Händen: Mariano Rajoy betet, dass schon allein die Ankündigung der Draghi-Bazooka ausreicht und Spanien nicht einmal die erwähnte “Teil-Rettung” beantragen muss, die dem Land weitere Auflagen der Troika bringen würden. Seine Chancen stehen nicht so schlecht. Die spanische Börse stieg heute ebenso wie der Euro-Kurs. Und was noch viel wichtiger ist: Die Risikoprämie Spaniens, die in der zweiten Julihälfte schon 638 erreicht hatte und damit die Refinanzierungszinsen des Landes über sieben Prozent getrieben hatte, fiel nach Draghis Ankündigung heute senkrecht auf 450 Punkte, ein Niveau, das es zuletzt im Mai gegeben hatte. Sollte diese Tendenz fortbestehen, so das Kalkül von Mariano Rajoy, brauchte er keine Rettung zu beantragen und die EZB müsste keine spanischen Staatsanleihen kaufen, um “die Märkte zu beruhigen”.

Da wird er sich vermutlich verrechnen und die Ruhe nicht lange anhalten, so dass die Madrider Regierung das “Teil-Rettungsersuchen” besser sofort und gründlich vorbereitet für den Fall der Fälle, aber eins ist nach dem heutigen Tag klar geworden: So oder so haben vor allem Spanien und Italien eine Menge Ruhe und Zeit gewonnen, Deutschland hat ein fettes Problem mehr. Aber da das alles alternativlos ist und “der Euro absolut irreversibel”, wie Draghi heute noch einmal ausdrücklich betonte, muss das alles genau so sein.