Am 25. September vor 25 Jahren verstarb in Berlin der Schriftsteller Herbert Ziergiebel nach einem schweren Krebsleiden im Alter von 66 Jahren.
Denn bereits in jungen Jahren betätigte er sich aktiv im antifaschistischen Widerstandskampf, insbesondere durch die Verbreitung von Flugblättern. Einer drohenden Verhaftung wegen des Auffindens illegaler Flugblätter in seiner Wohnung konnte Ziergiebel sich 1942 durch Flucht entziehen und tauchte zunächst in Tirol unter. Noch im Jahr wurde er in Innsbruck doch noch verhaftet und danach ins KZ Dachau gebracht. Dort flüchtete er unter abenteuerlichen Umständen kurz vor der Befreiung 1945 durch die Amerikaner. Im KZ wurde Ziergiebel in die Kommunistische Partei aufgenommen.
Nach dem Krieg studierte er Philosophie und Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität. Einige Jahre war er dann als Journalist u. a. in Budapest tätig. Ende 1956 wurde es von dort zurückberufen. Neben seiner journalistischen Arbeit hatte er ab Anfang der 1950er Jahre erste literarische Veröffentlichungen (u. a. die Hörspiele „Auf Wiedersehen, Gustav” und „Kapitän Brown verliert seine Wette”). 1956 erschien auch das Ergebnis einer journalistischen Reise in die Volksrepublik Albanien „Der letzte Schleier – Albanische Reisebilder”, der erste und wohl auch letzte Reiseband der DDR über das Land der Skipetaren.
Sein erster Roman „Rebellen” um Ferdinand von Schill wurde bereits 1953 veröffentlicht. Eine vorgesehene Fortsetzung des historischen Stoffes konnte allerdings wegen der damaligen Formalismus-Debatte nicht erscheinen.
Es folgten zeitgeschichtliche Romane und Erzählungen, wie 1959 „Das Gesicht mit der Narbe” (1962 von der DEFA verfilmt unter dem Titel „Die letzte Chance” mit Armin-Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und 1962 „Satan hieß mich schweigen”, in denen er sich mit seiner Haftzeit im KZ, seiner Flucht und den Wirren danach auseinandersetzt. Eine erste Skizze zu „Das Gesicht mit der Narbe” wurde bereits 1955 als autobiografische Kurzgeschichte unter dem Titel „Die Flucht aus der Hölle” veröffentlicht. Sein fast vergessener Roman „Wenn es Tag wird” (1963) ist ein familienbiografisches Werk, das in der Zeit der Weimarer Republik handelt.
Ab Mitte der 1960er Jahre wandte sich Ziergiebel sich dann der wissenschaftlich-phantastischen Literatur zu. 1966 sein viel beachteten Science-Fiction-Roman „Die andere Welt”, der – seiner Zeit weit voraus – die inneren Konflikte einer Raumschiffbesatzung schildert, die durch einen Unfall ins Weltall hinauskatapultiert wurde und mit der Tatsache ihres nahenden Todes zurechtkommen muss. Das Buch erlebte zahlreiche Nachauflagen und wurde auch ins Tschechische und ins Ungarische übersetzt.
1972 folgte der Roman „Zeit der Sternschnuppen”, worin Ziergiebel auf sehr originelle und humorvolle Weise die Frage nach Leben im Weltraum beantwortet. Hier wird der Held aus dem seinerzeitigen Hier und Heute samt seinem Dackel Waldi von Außerirdischen aufgelesen, weil ihnen aufgefallen ist, daß das irdische Mädchen, das sie vor ein paar tausend Jahren in Babylon mitgenommen hatten und infolge Dilatation kaum gealtert ist, nun einen Sexualpartner benötigen könnte. Großzügig setzen sie ihn und den Dackel aber doch noch einmal zu Hause ab, damit er sich zwischen seiner Heimat einerseits und einer Existenz zwischen den Sternen andererseits entscheiden kann. Er entscheidet sich gegen das Abenteuer.
Der Verfasser dieses Artikels hat gerade dieses Buch seines Schwiegervaters in vielen Lesungen vorgestellt. Die Resonanz war stets überwältigend.
Ab Mitte der 1970er Jahre wurde es ruhiger um Herbert Ziergiebel. Als eines der dienstältesten Mitglieder des Schriftstellerverbandes hatte er sich gegen Ausschlüsse von Mitgliedern wegen deren Haltung zur Biermann-Ausbürgerung ausgesprochen. Gleichzeitig machten ihm aber die gesundheitlichen Folgen seiner KZ-Haft immer mehr zu schaffen. Er veröffentlichte daher lediglich noch die Science-Fiction-Erzählung „Die Experimente des Professors von Pulex”, erschienen im Sammelband „Der Mann vom Anti” und 1975 unter dem Titel „Vizedusa” eine Sammlung humoristischer Anekdoten. Allerdings erlebten seine beiden SF-Hauptwerke in der DDR und in Osteuropa immer wieder Nachauflagen.
Ziergiebel zog sich seit dieser Zeit immer mehr auf sein Grundstück „Manik Maya” in Spreeau bei Berlin zurück, das seinen Lesern auch gut bekannt ist als Start- und Landeplatz der Raumschiffe aus seinen Romanen. Dort beschäftigte er sich viel mit Astronomie und verlegte sich mehr und mehr auf die Malerei. Einige dieser Bilder konnte man auch in Ausstellungen in Berlin sehen.
Dennoch sollten die Probleme der Umwelt und der Zukunft der Menschheit Thema eines weiteren Romans werden. Dieser blieb aber, bereits auf mehrere hundert Seiten angewachsen, unter dem Arbeitstitel „Am Tag als der Laleb kam” unvollendet.
Der antifaschistische Widerstandskämpfer Herbert Ziergiebel ist, bei aller offen geäußerten Kritik an den realen Zuständen in seiner Wahlheimat DDR, zeitlebens seinen kommunistischen Idealen treu geblieben. Dies zeigt sich nicht zuletzt in seinen vielbeachteten wissenschaftlich-phantastischen Romanen und Erzählungen.
Siegfried R. Krebs
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]