Historie – Antifaschismus – Wissenschaftliche Phantastik

Am 25. September vor 25 Jahren ver­starb in Berlin der Schriftsteller Herbert Ziergiebel nach einem schwe­ren Krebsleiden im Alter von 66 Jahren.

ziergiebelHerbert Ziergiebel wurde am 27. Juni 1922 in Nordhorn (im Südwesten Niedersachsens gele­gen) gebo­ren und war nach einer Schlosserlehre als tech­ni­scher Zeichner tätig. Seinen Berufswunsch Ingenieur konnte er sich aber nicht erfül­len.

Denn bereits in jun­gen Jahren betä­tigte er sich aktiv im anti­fa­schis­ti­schen Widerstandskampf, ins­be­son­dere durch die Verbreitung von Flugblättern. Einer dro­hen­den Verhaftung wegen des Auffindens ille­ga­ler Flugblätter in sei­ner Wohnung konnte Ziergiebel sich 1942 durch Flucht ent­zie­hen und tauchte zunächst in Tirol unter. Noch im Jahr wurde er in Innsbruck doch noch ver­haf­tet und danach ins KZ Dachau gebracht. Dort flüch­tete er unter aben­teu­er­li­chen Umständen kurz vor der Befreiung 1945 durch die Amerikaner. Im KZ wurde Ziergiebel in die Kommunistische Partei auf­ge­nom­men.

Nach dem Krieg stu­dierte er Philosophie und Geschichte an der Berliner Humboldt-Universität. Einige Jahre war er dann als Journalist u. a. in Budapest tätig. Ende 1956 wurde es von dort zurück­be­ru­fen. Neben sei­ner jour­na­lis­ti­schen Arbeit hatte er ab Anfang der 1950er Jahre erste lite­ra­ri­sche Veröffentlichungen (u. a. die Hörspiele „Auf Wiedersehen, Gustav” und „Kapitän Brown ver­liert seine Wette”). 1956 erschien auch das Ergebnis einer jour­na­lis­ti­schen Reise in die Volksrepublik Albanien „Der letzte Schleier – Albanische Reisebilder”, der erste und wohl auch letzte Reiseband der DDR über das Land der Skipetaren.

Sein ers­ter Roman „Rebellen” um Ferdinand von Schill wurde bereits 1953 ver­öf­fent­licht. Eine vor­ge­se­hene Fortsetzung des his­to­ri­schen Stoffes konnte aller­dings wegen der dama­li­gen Formalismus-Debatte nicht erschei­nen.

Es folg­ten zeit­ge­schicht­li­che Romane und Erzählungen, wie 1959 „Das Gesicht mit der Narbe” (1962 von der DEFA ver­filmt unter dem Titel „Die letzte Chance” mit Armin-Mueller-Stahl in der Hauptrolle) und 1962 „Satan hieß mich schwei­gen”, in denen er sich mit sei­ner Haftzeit im KZ, sei­ner Flucht und den Wirren danach aus­ein­an­der­setzt. Eine erste Skizze zu „Das Gesicht mit der Narbe” wurde bereits 1955 als auto­bio­gra­fi­sche Kurzgeschichte unter dem Titel „Die Flucht aus der Hölle” ver­öf­fent­licht. Sein fast ver­ges­se­ner Roman „Wenn es Tag wird” (1963) ist ein fami­li­en­bio­gra­fi­sches Werk, das in der Zeit der Weimarer Republik han­delt.

Ab Mitte der 1960er Jahre wandte sich Ziergiebel sich dann der wissenschaftlich-phantastischen Literatur zu. 1966 sein viel beach­te­ten Science-Fiction-Roman „Die andere Welt”, der – sei­ner Zeit weit vor­aus – die inne­ren Konflikte einer Raumschiffbesatzung schil­dert, die durch einen Unfall ins Weltall hin­aus­ka­ta­pul­tiert wurde und mit der Tatsache ihres nahen­den Todes zurecht­kom­men muss. Das Buch erlebte zahl­rei­che Nachauflagen und wurde auch ins Tschechische und ins Ungarische über­setzt.

1972 folgte der Roman „Zeit der Sternschnuppen”, worin Ziergiebel auf sehr ori­gi­nelle und humor­volle Weise die Frage nach Leben im Weltraum beant­wor­tet. Hier wird der Held aus dem sei­ner­zei­ti­gen Hier und Heute samt sei­nem Dackel Waldi von Außerirdischen auf­ge­le­sen, weil ihnen auf­ge­fal­len ist, daß das irdi­sche Mädchen, das sie vor ein paar tau­send Jahren in Babylon mit­ge­nom­men hat­ten und infolge Dilatation kaum geal­tert ist, nun einen Sexualpartner benö­ti­gen könnte. Großzügig set­zen sie ihn und den Dackel aber doch noch ein­mal zu Hause ab, damit er sich zwi­schen sei­ner Heimat einer­seits und einer Existenz zwi­schen den Sternen ande­rer­seits ent­schei­den kann. Er ent­schei­det sich gegen das Abenteuer.

Der Verfasser die­ses Artikels hat gerade die­ses Buch sei­nes Schwiegervaters in vie­len Lesungen vor­ge­stellt. Die Resonanz war stets über­wäl­ti­gend.

Ab Mitte der 1970er Jahre wurde es ruhi­ger um Herbert Ziergiebel. Als eines der dienst­äl­tes­ten Mitglieder des Schriftstellerverbandes hatte er sich gegen Ausschlüsse von Mitgliedern wegen deren Haltung zur Biermann-Ausbürgerung aus­ge­spro­chen. Gleichzeitig mach­ten ihm aber die gesund­heit­li­chen Folgen sei­ner KZ-Haft immer mehr zu schaf­fen. Er ver­öf­fent­lichte daher ledig­lich noch die Science-Fiction-Erzählung „Die Experimente des Professors von Pulex”, erschie­nen im Sammelband „Der Mann vom Anti” und 1975 unter dem Titel „Vizedusa” eine Sammlung humo­ris­ti­scher Anekdoten. Allerdings erleb­ten seine bei­den SF-Hauptwerke in der DDR und in Osteuropa immer wie­der Nachauflagen.

Ziergiebel zog sich seit die­ser Zeit immer mehr auf sein Grundstück „Manik Maya” in Spreeau bei Berlin zurück, das sei­nen Lesern auch gut bekannt ist als Start- und Landeplatz der Raumschiffe aus sei­nen Romanen. Dort beschäf­tigte er sich viel mit Astronomie und ver­legte sich mehr und mehr auf die Malerei. Einige die­ser Bilder konnte man auch in Ausstellungen in Berlin sehen.

Dennoch soll­ten die Probleme der Umwelt und der Zukunft der Menschheit Thema eines wei­te­ren Romans wer­den. Dieser blieb aber, bereits auf meh­rere hun­dert Seiten ange­wach­sen, unter dem Arbeitstitel „Am Tag als der Laleb kam” unvoll­en­det.

Der anti­fa­schis­ti­sche Widerstandskämpfer Herbert Ziergiebel ist, bei aller offen geäu­ßer­ten Kritik an den rea­len Zuständen in sei­ner Wahlheimat DDR, zeit­le­bens sei­nen kom­mu­nis­ti­schen Idealen treu geblie­ben. Dies zeigt sich nicht zuletzt in sei­nen viel­be­ach­te­ten wissenschaftlich-phantastischen Romanen und Erzählungen.

Siegfried R. Krebs

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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