Hilfe, ich habe keine Zeit!

Prioritäten setzen – auch in der „Freitätigkeit“

Keine Zeit“ ist – so sagen manche „Spaßvögel“ – der gängige Pensionisten-Gruß! Das finde ich gar nicht witzig, denn tatsächlich habe ich seit ich in Pension „freitätig“ bin, tatsächlich oft wieder keine Zeit – so wie vorher im stressigen Berufsleben.

So schön habe ich mir die „Freizeit“ mit den vielen neuen Möglichkeiten vorgestellt. Endlich die gekauften Bücher lesen, regelmäßig Sport und Bewegung machen, den fehlenden Backenzahn durch ein Implantat ersetzen, meine Schulfreundinnen wiedersehen, intellektuell herausfordernde Vorträge hören, Buntmalen und mit meinem Enkelkind basteln und Eislaufen. Ich könnte die Liste noch weiter verlängern, denn die Gartenfließen sollten unbedingt neu verlegt werden, die Wände im ehemaligen Kinderzimmer wollte ich grün streichen und natürlich reisen, radfahren und wandern……….

Irgendwie klar, dass das alles weiterhin nicht geht. Aufgrund meiner Wohnadresse an der Wiener Peripherie ist fast jede Aktivität damit verbunden, ins Auto zu springen und wegzufahren oder nach dem Busfahrplan zu leben, um die U-Bahn zu erreichen. Kaum ein Weg lässt mich zwei Tagesordnungspunkte gleichzeitig erledigen. Reise ich mit der U-Bahn, kann ich die schwere Einkaufstasche nicht tragen und muss am nächsten Tag nochmals zum Supermarkt. Fahre ich zum Kindergarten, gibt es am Weg kein einziges Geschäft, um  frisches Brot zu kaufen.

Die Zeit fliegt auch bei der „Arbeit“ im Internet dahin. Einmal ist es ein Programm Update, das signifikant verzögert. Dann muss für das on-line Banking dringend ein neues Passwort gesetzt werden, eine on-line Anmeldung zu einer Veranstaltung erfolgen oder das eigene Profil auf  Linked-in überarbeitet werden. Vom Zeitaufwand, alle wesentlichen Mails zu lesen und zu beantworten, ganz zu schweigen. Auch gibt es so viele interessante Themen zu recherchieren, um mein Wissen zu erweitern, sodass ein oder zwei Stunden am PC schnell vorbei sind.

Ist das, was ich so gerne mache, schon „Freitätigkeit“ oder nur Beschäftigung ? Ich muss auch jetzt in der Pension gezielt Prioritäten setzen und einen Wochenplan machen. Den ganzen Mittwoch kann ich demnach tun, was ich will und Sonntag habe ich frei, denn eigentlich brauche ich meine Zeit zum Schreiben und für das eine oder andere „Ehrenamt“.

Ich meine aber, das  wichtigste ist die  Pflege sozialer Kontakte, das reale Treffen mit Freunden im Café zum Gespräch, statt dem einsamen Chat im Netz. Stillstand ist für Pensionisten ein besonderer Rückschritt, die kostbaren Jahre müssen sinnvoll genutzt werden, erholen und ausruhen kommt viel später. Daher habe ich tatsächlich keine Zeit zu verschwenden.

Anneliese Blasl-Müller


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